Center of Excellence / Exzellenzzentrum
Asklepios Tumorzentrum Hamburg
Hamburg
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Eine Krebsdiagnose gleicht emotional einer Vollbremsung auf der Autobahn, besonders bei jungen Menschen. Doch ihnen kann geholfen werden.
Die Diagnose Krebs stellt einen tiefen Einschnitt im Leben der Erkrankten und ihres Umfelds dar. Insbesondere, wenn sie noch sehr jung und eigentlich gerade dabei sind, selbstgesteckte Ziele und Träume zu verwirklichen.
Susanne Warnck, Psychoonkologin an der Asklepios Klinik Barmbek, spricht im Interview über veränderte Lebensperspektiven junger Krebspatienten, die große Last der Familienplanung und die Rückgewinnung des Vertrauens in den eigenen Körper.
Interview: Janina Darm
Frau Warnck, die Diagnose Krebs ist auch für junge Menschen ein Schock. Wie wirkt sich die Erkrankung Ihrer Erfahrung nach auf das Leben und den Alltag der Betroffenen aus?
Zunächst einmal löst die Krankheit natürlich Ängste und Ungewissheit aus. Hinzu kommt, dass die Lebensplanung junger Patienten komplett ins Wanken gerät und nicht selten über den Haufen geworfen werden muss. Im Alter zwischen 20 und 35 Jahren strebt man normalerweise nach Freiheit und Unabhängigkeit. Man will sich etwas Eigenes aufbauen, selbstgesteckte Ziele und Träume verfolgen – und wird durch die Krebs-Diagnose von jetzt auf gleich ausgebremst. Die wenigsten Betroffenen haben einen finanziellen Puffer. Viele müssen wieder von ihren Eltern unterstützt werden. Sie ziehen teilweise zurück ins Elternhaus, benötigen Pflege und Zuwendung, fühlen sich mitunter zurückversetzt in die Rolle des Kindes, das auf Hilfe angewiesen ist. Das ist ein extremer Einschnitt und bedeutet eine zusätzliche Belastung, die erst einmal angenommen und verarbeitet werden muss.
Was sagen Sie jungen Patienten, die plötzlich ihren Traumberuf aufgeben müssen – etwa, weil er extreme körperliche Fitness erfordert?
Dies zu akzeptieren, ist sehr schwer für die Betroffenen. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass es immer auch alternative Lebenswege und -konzepte gibt, mit denen man genauso glücklich werden kann. Ein Beispiel: Eine meiner Klientinnen wollte unbedingt Polizistin werden und konnte diesen Traum aufgrund ihrer Erkrankung leider nicht verwirklichen. Heute arbeitet sie in einem medizinischen Labor, spürt Krebszellen auf – und lebt trotzdem ein erfülltes und glückliches Leben. Das zeigt: Plan B muss nicht unbedingt schlecht sein!
Jüngere verlieren mit der Diagnose Krebs auf einen Schlag ihre Unbeschwertheit.
Und wie sieht es im Hinblick auf die Familienplanung junger Patienten aus?
Dieses Thema belastet viele Erkrankte schwer. Denn nur kurz nach der Diagnose müssen sie häufig eine Entscheidung treffen: Habe ich einen Kinderwunsch und möchte ich Eizellen oder Sperma einfrieren lassen? Wie finanziere ich das Ganze? Was, wenn es nicht klappt oder der Kinderwunsch erst zu einem späteren Zeitpunkt entsteht? Für all diese Fragen gibt es wenig Raum. Ärzte setzen den Fokus auf das Überleben. Junge Patienten stellen derweil auch die Frage nach dem „Wie“? Und: Nicht immer besteht bei Frauen die Option, sich einer Hormonbehandlung zu unterziehen und Eizellen einfrieren zu lassen. Die Entscheidung wird einem mitunter einfach abgenommen. Die Kinderfrage bedeutet insofern einen hohen Stressfaktor und zusätzlichen Druck, den ältere Patienten in dieser Art und Weise nicht mehr haben.
Gibt es weitere Unterschiede hinsichtlich der Bedürfnisse junger und älterer Patienten?
Ältere blicken auf einen ganz anderen Lebensweg zurück. Sie haben deutlich mehr erlebt als Patienten in den Zwanzigern, Rückschläge erfahren und überwunden – und fokussieren sich in der Regel auf das „Überleben“. Jüngere hingegen verlieren mit der Diagnose Krebs auf einen Schlag ihre Unbeschwertheit. Sie müssen sich viel intensiver mit der Frage nach ihrer eigenen Zukunft auseinandersetzen. Nicht selten verlieren sie das Vertrauen in das Leben, das es mühsam zurückzugewinnen gilt. Sie rücken weniger das „Überleben“ als vielmehr das Leben an sich in den Fokus, da es noch in Gänze vor ihnen liegt.
Wie gelingt es Betroffenen, das Vertrauen in das Leben und vor allem in den eigenen Körper wiederzuerlangen?
Das ist ganz unterschiedlich und hängt von der jeweiligen Persönlichkeit ab. Manche suchen sich therapeutische Hilfe oder tauschen sich in Selbsthilfegruppen aus, um Stück für Stück Vertrauen zurückzugewinnen. Andere machen das Ganze lieber mit sich selbst, mit der Familie oder mit ein, zwei Personen aus ihrem Umfeld aus. Es gibt hier kein „richtig“ oder „falsch“. Entscheidend ist, dass der Betroffene lernen muss, die Gegebenheiten anzunehmen und wieder handlungsfähig zu werden. Eine Klientin sagte einmal: „Es gibt mitunter Rückschläge, aber man darf niemals aufgeben.“ Das kann ich nur unterstreichen.
Was können die Betroffenen noch tun, um das Vertrauen in ihren Körper wiederzuerlangen?
Bei vielen verstärkt sich die sogenannte Innenschau. Sie horchen nach einer Therapie stark in sich hinein und sind – gerade im ersten Jahr nach der Behandlung – mitunter extrem verunsichert, wenn sie in ihrem Körper Dinge wahrnehmen und spüren, die sie nicht richtig zuordnen können. In dieser Situation ist es wichtig, seinen Körper als solches neu kennenzulernen. Und die wichtigste Regel, die ich meinen Klienten dabei mit auf den Weg gebe, lautet: „Benutze ihn! Schrecke nicht davor zurück, Sport zu machen, Dich auszuprobieren!“ Nur auf diese Art und Weise entwickeln Betroffene mit der Zeit ein sicheres Gespür für sich und ihren Körper.
Sich auszutauschen hilft dabei, das Erlebte zu verarbeiten.
Einige Betroffene hadern auch mit ihrem persönlichen Umfeld: Freunde ziehen sich mitunter zurück, weil sie mit der Situation überfordert sind. Was raten Sie Klienten in solchen Fällen?
Zunächst einmal muss man als Betroffener auch seinen Freunden Raum lassen, damit sie die Diagnose verdauen können. In der Regel haben junge Menschen aus dem Freundeskreis wenig Erfahrung mit solch einer Erkrankung. Sie müssen selbst lernen, damit umzugehen. Abgesehen davon kann es hilfreich sein, seinen Freunden zu sagen: „Frag mich gerne jederzeit, was ich will und was ich brauche!“ Auf diese Weise entsteht ein Dialog, die Mauer des Schweigens wird eingerissen. Unabhängig davon ist es so, dass sich das soziale Umfeld junger Menschen ohnehin ändert – auch bei gesunden Personen. Das Berufsleben tritt in den Fokus, Lebenswege driften auseinander. Das ist nichts Ungewöhnliches. Ich empfehle Klienten deshalb auch, offen für neue Begegnungen zu sein, vielleicht einen Malkurs oder eine Selbsthilfegruppe zu besuchen. Außerdem sollte man nicht darauf pochen, dass eine bestimmte Freundin oder ein bestimmter Freund sämtliche Bedürfnisse abdecken muss. Vielleicht kann der eine besonders gut trösten und der andere wunderbar ablenken. Auch das gilt es zu bedenken.
Raum für neue Begegnungen bietet auch Ihr neues Programm „Junge Menschen nach Krebs“, das im Juli in Hamburg startet. Hier führen Sie Betroffene zusammen, unternehmen unterschiedliche Dinge mit ihnen. Warum ist ein direkter Austausch zwischen Krebspatienten so wichtig?
Sich auszutauschen, hilft dabei, das Erlebte zu verarbeiten. Außerdem möchten wir die Teilnehmer dazu animieren, neue Dinge auszuprobieren und Ängste abzubauen. Wir absolvieren ein Boxtraining, testen Stand-up-Paddling, kochen zusammen… Zudem wird es immer wieder auch Impulsvorträge geben – etwa zum Thema „Rückkehr in den Beruf“ –, sodass man sich im Anschluss daran unterhalten kann und nicht alles mit sich selbst ausmachen muss. Die Erfahrung zeigt, dass dies für junge Patienten sehr wertvoll ist. Denn während ihrer Behandlung sind die in der Regel sehr auf sich allein gestellt, weil andere Patienten, die mit ihnen auf der Station liegen, normalerweise deutlich älter sind als sie selbst. Es ist also gut zu wissen, dass sie als junge Erwachsene nicht allein sind mit der Diagnose Krebs. Auch das trägt dazu bei, Vertrauen in sich und das Leben zurückzugewinnen.
Kompetenz auf dem Gebiet der Psychologie und Psychoonkologie
Das Asklepios Tumorzentrum Hamburg bietet ein Programm für junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 35 Jahren, die sich nach einer überstandenen Krebserkrankung untereinander austauschen und gegenseitig unterstützen möchten. Unter Leitung von Susanne Warnck, Psychoonkologin an der Asklepios Klinik Barmbek, trifft sich die Gruppe in 14-tägigem Abstand jeweils donnerstags ab 18:30 Uhr, geht gemeinsamen Freizeitaktivitäten nach, testet besondere Sportaktivitäten wie Boxen oder Stand-up-Paddling und erhält jede Menge Informationen rund um Themen wie „Kommunikation“, „persönliche Grenzen“ oder „Selbstwertstärkung“. Interesse mitzumachen? Dann melden Sie sich beim Asklepios Tumorzentrum Hamburg.
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