Fischvergiftung vs. vergifteter Fisch

Fisch. Notfall. Therapie.

Fischvergiftung: unangenehm, aber meist harmlos

Bild: Mann mit Bauchschmerzen

Wer verdorbenen Fisch isst, wird ihn meist auf natürliche Art und Weise wieder los. Lebensbedrohliche Vergiftungen sind äußerst selten. Dann aber gilt: ab ins Krankenhaus!

Vergiftung vs. Infekt

Ein wichtiger Unterschied!

Die Sorge hält sich hartnäckig: Wer verdorbenen Fisch isst, vergiftet sich und muss sofort ins Krankenhaus! Falsch. „Die meisten Fischvergiftungen in unseren Regionen sind zwar unangenehm, aber harmlos“, beruhigt Dr. Sebastian CasuChefarzt der Zentralen Notaufnahme an der Asklepios Klinik Wandsbek. „In der Regel kommt es zu klassischen Magen-Darm-Beschwerden: krampfartige BauchschmerzenÜbelkeitErbrechen, manchmal Durchfall.“ So schnell, wie die Symptome auftreten, so schnell sind sie auch meist wieder weg. „Legen Sie sich hin, halten Sie Bettruhe, trinken Sie viel Wasser und Tee“, rät der Akut- und Notfallmediziner. „Und um den Wasser- und Salzhaushalt wieder ins Lot zu bringen, nehmen Sie eine gut gesalzene Brühe oder die berühmten Salzstangen zu sich.“

Nur in ganz wenigen Fällen sei es notwendig, die Klinik aufzusuchen oder stationär behandelt zu werden. Das denken aber die meisten, denen nach dem Verzehr von Fisch schlecht wird. Woran das liegt? „Daran, dass Menschen bei Übelkeit in Zusammenhang mit Fisch immer gleich an eine schwerwiegende Vergiftungdenken“, vermutet Dr. Sebastian Casu. Die aber seien äußerst selten. „Wir unterscheiden zwischen bakteriell oder toxisch verursachten Erkrankungen“, so Dr. Casu. „Erreger lösen Infektionen aus, Giftstoffe Vergiftungen. Diese Differenzierung ist wichtig, damit wir Patienten in der Notaufnahme sofort richtig behandeln können.“

Was häufig ist, ist häufig

Bild: Frau bereitet Fisch zu

© iStock

Dabei hilft der medizinische Leitsatz: „Was häufig ist, ist häufig, was selten ist, ist selten.“ Sprich: Harmlose Infektionen kommen viel häufiger vor als schwerwiegende Vergiftungen, ergo handelt es sich in der Regel um eine harmlose Infektion. Wer beispielsweise Fisch zu lange oder zu warm lagert (bereits eine Kühlschranktemperatur über 4 Grad ist zu warm!), kann an einer Lebensmittelinfektion erkranken. Die Reaktion des Körpers erfolgt meist schnell und heftig: Raus damit! Ist das erfolgreich erledigt, geht es den meisten Menschen wieder gut.

Eine Fischvergiftung hingegen wird durch Giftstoffe ausgelöst. Und zwar nicht durch die weithin diskutierten Schadstoffe Dioxin, Quecksilber oder Chlorverbindungen, die Wildfische oder Antibiotika und Pestizide, die Zuchtfische in ihrem Körper anreichern. Die sind in der Regel in so geringen Mengen vorhanden, dass man Unmengen belasteten Fisch essen müsste, um eine akute gesundheitliche Beeinträchtigung zu erleiden.

Bei den Giftstoffen, die eine Fischvergiftung auslösen können, handelt es sich im Wesentlichen um:

  • Botulinumtoxin. Wird von Bakterien in luftdicht verschlossenen Verpackungen (Dosen, Konserven, Folien) produziert. Löst lebensbedrohliche Lähmungserscheinungen aus. Wird im Krankenhaus mit dem Gegengift Botulinum-Antitoxin behandelt.
  • Scombrotoxin. Kommt als Giftstoff in Seefischen (Makrele, Hering, Sardellen) und Fischen mit dunklem Fleisch (Thunfisch) vor und wird durch falsche Lagerung freigesetzt. Löst leichte, allergieähnliche Reaktionen aus. Kann im Krankenhaus gut mit Anti-Histaminika behandelt werden.
  • Ciguatoxin: Kommt nur in exotischen Fischen aus dem Karibischen, Pazifischen oder Indischen Ozean vor. Löst paradoxe neurologische Symptome aus, beispielsweise ein umgedrehtes Kälte-Wärme-Empfinden. Da es kein Antidot gibt, zielt die Therapie darauf ab, die Krankheitssymptome abzuschwächen und das Gift aus dem Körper zu schwemmen.

Im Zweifel lieber ins Krankenhaus!

Bild: Handy mit Notruf

© iStock

Trügerisch ist, dass Vergiftungen im Menschen zunächst ähnliche Krankheitssymptome auslösen wie Infektionen. Erst im Verlauf der Erkrankung können sich spezifischere Symptome wie Kopf- und Gliederschmerzen, allergische Reaktionen, Missempfindungen und Lähmungen einstellen. In diesen Fällen sollte unbedingt ein Arzt konsultiert werden.

Aber auch ein Infekt kann gefährlich werden: Vorerkrankte Patientinnen und Patienten, die beispielsweise an einer Immunschwäche leiden oder deren Allgemeinzustand insgesamt beeinträchtigt ist, verlieren durch Erbrechen und Durchfall zu viel Flüssigkeit und Nährstoffe. Ihr Wasser- und Elektrolythaushalt gerät aus dem Gleichgewicht, Kreislaufstörungen bis zu Herzrhythmusstörungenkönnen die Folge sein. In diesem Fall kann eine Infusionsbehandlung mit Ausgleich der Elektrolytstörungen notwendig sein. Auch für sie heißt es also: Im Zweifel ab ins Krankenhaus!

Dioxin, Quecksilber, PCB: Wie kommt das alles in den Fisch?

Bild: Meerwasser

© iStock

Durch den Menschen. An dieser Verantwortung kommt niemand vorbei. Schad- und Giftstoffe nimmt der Fisch über seinen Lebensraum, das Meer, und seine NahrungPflanzenKleinfische und Plankton, auf. Bei den Schadstoffen handelt es sich in der Regel um Rückstände aus industrieller Produktion, die über Flüsse und im Meer verklappt werden.

Am wenigsten belastet ist in der Regel frischer magerer Hochseefisch sowie Fisch aus Zuchtteichen. Lachs und Forellen sind bereits in Bio-Qualität zu haben. Orientierung bieten Gütesiegel wie „Bioland“ und „Naturland“, die vom Naturschutzbund als gut bis sehr gut bewertet werden sowie die Online-Fischratgeber von Greenpeace und World Wide Fund for Nature, die beim nachhaltigen, umwelt- und gesundheitsbewussten Einkauf helfen.

Folgende Erfahrungswerte helfen für eine erste Orientierung:

  • Fette Fische sind belasteter als magere. Schadstoffe reichern sich im Fett des Organismus an. So ist beispielsweise die Dioxin-Konzentration im fetten Hering höher als im fettarmen Kabeljau. Andererseits: Gerade fette Fische sind besonders reich an gesunden Omega-3-Fettsäuren, die Herzinfarkt und Schlaganfall vorbeugen.
  • Ältere Fische belasteter als jüngere. Einfach, weil sie mehr Zeit hatten, Schadstoffe aufzunehmen.
  • Größere Fische belasteter als kleinere. Raubfische fressen kleinere Fische und nehmen dadurch die in ihrem Körper angesammelten Schadstoffe auf. Das gilt im Übrigen grundsätzlich: Lebewesen, die am Anfang einer Nahrungskette stehen, sind weniger belastet als die am Ende. Auch der Mensch gehört in diesen Kreislauf.
  • Je exotischer der Fisch, desto belasteter kann er sein. In außereuropäischen Fischgründen gelten häufiger weniger strenge Umweltauflagen, die Fische können mit höheren Schadstoffmengen oder dem Giftstoff Ciguatoxin belastet sein (siehe oben).
  • Zuchtfische nicht automatisch weniger belastet als Wildfische. In Aquakulturen werden häufig Antibiotika gegen Erkrankungen der Fische sowie Pestizide gegen die Verschmutzung auf engem Raum eingesetzt.

Je frischer ein Produkt ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es durch falsche Lagerung bakteriell beeinträchtigt wird. Achten Sie bewusst auf die Qualität des Produkts und kaufen Sie bestenfalls bei den ‚lokalen Fischhändlern Ihres Vertrauens

Dr. med. Sebastian Casu Chefarzt Zentrale Notaufnahme, Asklepios Klinik Wandsbek

Guter Fisch, schlechter Fisch

Bild: Fisch im Kühlschrank

© iStock

Seien Sie achtsam beim Einkauf und bei der Lagerung:

  • Sachgemäß lagern. Fisch, auch Räucherfisch!, ist leicht verderblich. Das liegt an seinem hohen Anteil an Eiweiß, das für Bakterien leicht verdaulich ist und daher sehr anfällig ist. Fisch muss kühl gelagert werden. Und zwar nicht länger als einen Tag bei Temperaturen zwischen 2 und 4 Grad.
  • Kühlkette nicht zu lang unterbrechen. Achten Sie darauf, Fisch am Ende einer Einkaufstour zu erstehen und dann möglichst schnell nach Hause zu bringen. Wenn das nicht möglich ist: Kühltasche mitnehmen!
  • Vor dem Zubereiten: Riechen, fühlen, dem eigenen Gefühl trauen. Suspekte Gerüche oder optische Auffälligkeiten wie trübe Augen, graue Kiemen oder trockene Haut sollten Sie skeptisch machen!
  • Ausreichend erhitzen. Fische sollten mit mindestens 60 Grad von innen (nicht nur von außen!) erhitzt werden. Damit tötet man eventuelle Keime und Parasiten vollständig ab.
  • Sushi bis zum Verzehr einfrieren. Was beim zubereiteten Fisch das Erhitzen, ist beim Rohen Fisch das Einfrieren. Wer Sushi essen will, sollte den rohen Fisch sofort verzehren – oder bis zum Verzehr im Eisfach einfrieren.
  • Ausgebeulte oder aufgeblähte Fischkonserven und Plastikumhüllungen sofort entsorgen! Der Verdacht auf Clostridien-Befall, der Botulismus auslösen kann, kann hier nicht ausgeschlossen werden. Clostridien bilden Gase, daher wölben sich Behältnisse und Folie.

Drei Fragen an Notfallmediziner Dr. Sebastian Casu

Woran erkennen Sie eine Fischvergiftung? 

Das ist eine große Herausforderung: weil es DIE Fischvergiftung ja nicht gibt und für die Symptome – Übelkeit, Erbrechen, Durchfall – viele Ursachen in Betracht kommen. Durch Anamnese und Untersuchung können wir meist die wichtigsten Informationen gewinnen und bei Bedarf durch Blut- und Stuhluntersuchungen ergänzen. Fast immer handelt es sich um eine harmlose Infektion. Eine wirklich schwere Fischvergiftung ist mir in meiner ganzen Laufbahn nicht untergekommen.

Was ist dann zu tun? 

Das Wichtigste in der Akut- und Notfallmedizin ist es, gefährliche Verläufe von harmlosen zu unterscheiden. Harmlose Magenverstimmungen behandeln wir symptomatisch, das heißt: Wir geben Mittel gegen die Symptome, beispielsweise etwas gegen die Übelkeit oder die Magenschmerzen – und schicken den Menschen nach Hause. Die Ursachen können wir nicht beheben – das erledigt der Körper von ganz alleine.

Wenn ersichtlich ist, dass es sich nicht um eine Ein-Tagesnummer handelt, behalten wir den Menschen da, untersuchen gegebenenfalls Blut und Stuhl und behandeln kausal, das heißt: Den Verlust an Wasser und Salz im Blut bekämpfen wir mit Infusionen, Bakterien mit Antibiotika, Giftstoffe bestenfalls mit einem Antidot. In der Regel kann ein Patient mit einer schwerwiegenderen Lebensmittelvergiftung nach ein bis zwei Tagen wieder nach Hause.

Was sind die größten Sorgen Ihrer Patientinnen und Patienten bei dem Thema? 

Dass es sich um eine schwerwiegende Erkrankung oder Vergiftung handeln könnte. Das ist meist nicht der Fall. In der Regel können ihre Beschwerden ambulant oder zu Hause mit Hausmitteln behandelt werden: im Bett bleiben, Wasser und Tee trinken, Salzstangen essen! Wobei … Mit den Salzstangen wenden wir einen kleinen Taschenspielertrick an. Tatsächlich gibt es keinerlei medizinische Evidenz darüber, dass gerade Salzstangen helfen. Aber sie schaden eben auch nicht. Und sind für die Seele so wichtig: Salzstangen kennen die meisten Menschen aus der Kindheit und haben verinnerlicht: „Wenn ich die essen soll, kann es so schlimm nicht sein. Alles wird wieder gut.“

Unser Experte

Kompetenz aus dem Bereich der Notfallmedizin

Bild: Dr. Casu

© Asklepios Kliniken

Dr. med. Sebastian Casu
Chefarzt der Zentralen Notaufnahme, Asklepios Klinik Wandsbek

Hilfe im Notfall

Im aktuten Notfall sollten Sie immer die Notrufnummer 112 wählen und den Rettungsdienst verständigen. Detaillierte Informationen finden Sie auf der Notfallseite der Asklepios Klinik Wandsbek.

Wenn Sie weitere Informationen über unseren Experten wünschen, besuchen Sie die Seite der Zentralen Notaufnahme der Asklepios Klinik Wandsbek.

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