Depressionen im Alter

Depressionen. Altersmedizin.

Altersdepression

Bild: Ältere Frau hinter einem beschlagenen Fenster

Mit der körperlichen Kraft lässt manchmal auch die Lust an bisher gewohnten Aktivitäten oder das Interesse an geliebten Menschen nach: Häufig wird eine Altersdepression dem natürlichen Alterungsprozess zugerechnet. Das kann fatale Folgen haben.

„Opa ist doch nur ein bisschen müde“

Die Symptome sind vielfältig und oft nicht eindeutig: Da lässt die körperliche Kraft nach, sodass die wöchentliche Sporteinheit immer häufig abgesagt wird; die Augen werden schlechter, also wird das Lesen beschwerlich und vielen Gesprächen ist auch immer schwerer zu folgen – sei es aufgrund des nachlassenden Hörvermögens oder Interesses. Kurzum, nach mehr als 60 Lebens- und oft 40 Berufsjahren scheint die Lebenskraft Schritt für Schritt zu schwinden. Das ist einerseits nachvollziehbar und wird häufig als natürlicher Alterungsprozess verbucht. Allerdings kann es sich aber auch um eine Altersdepression handeln, die zunächst von körperlichen Beschwerden überlagert wird.

Im Gespräch erklären PD Dr. Marc Axel WollmerChefarzt der Gerontopsychiatriean der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll und seine Geriatrie-Kollegen, Dr. Ann-Kathrin MeyerChefärztin der Geriatrie am Asklepios Westklinikum, und Dr. Michael LerchChefarzt der Geriatrie an der Asklepios Klinik Wandsbek, wie sich eine Altersdepression äußern kann, welche Risiken damit einhergehen und wie diese behandelt wird.

Bild: Logo Ancoris an der Tür

© Asklepios Kliniken

„Altersdepressionen haben viele Dimensionen“, sagt Geriatrie-Chefarzt Dr. Lerch und spricht von Lustlosigkeit, Lebensunmut, Verdruss. Mit zunehmendem Alter haben die Menschen das Ende des Lebens vor Augen, müssen mit Verlusten umgehen, haben weniger Aufgaben und Verantwortung, was mit einem geringeren Selbstwertgefühl einhergeht. Hinzu kommen körperlichen Beschwerden, die die Lebensqualität einschränken. „All diese Faktoren führen natürlich nicht bei jedem Menschen zu einer Altersdepression“, erklärt Gerontopsychiater Dr. Wollmer. In etwa 70 Prozent der Fälle hatten Betroffene bereits schon in jüngeren Jahren mit Stimmungsproblemen und affektiven Störungenzu kämpfen, die nur sporadisch aufgetreten sind, sich im Alter aber durch oben genannte Faktoren verstärken. Häufig aber nicht als solche erkannt werden oder werden wollen. In Hamburg garantiert Ancoris, das Netzwerk für Altersmedizin der Asklepios Kliniken, eine interdisziplinäre, geriatrische Betreuung und Behandlung älterer Menschen und ihrer Angehörigen an allen sieben Asklepios Standorten in der Hansestadt, ebenso wie die Gerontopsychiatrien wie die in Nord - Ochsenzoll.

Asklepios Medizin-ABC: Altersdepression

© Asklepios Kliniken

Hauptkriterien wie bei Depression in jüngeren Jahren

„Älteren Menschen geht es heute im Durchschnitt besser als noch vor wenigen Jahrzehnten, sie sind gesünder und fitter und haben häufig auch einen höheren Anspruch an ihr körperliches und psychisches Wohlbefinden“, erklärt Gerontopsychiater Dr. Wollmer, und weiter: „Dennoch fällt es vielen immer noch schwer, sich eine anhaltend gedrückte Stimmung oder Stimmungsschwankungen einzugestehen, darüber zu sprechen und sich Hilfen zu holen.“ Ein Phänomen, das sich vor allem bei Männern zeigt, die als Kinder der Nachkriegsgeneration gar nicht oder nur ungern über Befindlichkeiten sprechen. Dabei äußert sich eine Depression im Alter nicht immer durch Traurigkeit und Niedergeschlagenheit. Manchmal können NörgelnGereiztheitDünnhäutigkeitGekränktsein oder eine bis dahin unbekannten Zurückgezogenheit im Vordergrund stehen und auf eine zugrundliegende Depression hinweisen.

Grundsätzlich gelten bei der Diagnose einer Altersdepression zunächst die gleichen drei Hauptkriterien wie bei einer Depression in jedem anderen Alter: 1) gedrückte Stimmung 2) Antriebslosigkeit und 3) abnehmendes Interesse. Allerdings, kommt mit fortschreitendem Alter mitunter die Angst vor einer Demenzerkrankunghinzu. Dabei ist es vor allem auf den ersten Blick nicht einfach zwischen Altersdepression und Demenz zu unterschieden. „Einer der Unterschiede ist, dass sich eine Demenz sehr schleichend und über Jahre entwickelt, Betroffene versuchen diese zu vertuschen“, erklärt Dr. Ann-Kathrin Meyer. Eine Depression hingegen trete in der Regel in Intervallen auf und Betroffene klagten über ihren Zustand, sind unzufrieden. Zugleich aber können depressive Phasen eine Demenz begünstigen.

Multiborbidität verschleiert oft die Depression

Bild: Älterer Mann mit Rückenschmerzen

© iStock/1267633130

Eine weitere Besonderheit und Schwierigkeit bei dem Erkennen von Altersdepressionen ist die Vermengung von körperlichen und seelischen Symptomen und Erkrankungen, der Multimorbidität im Alter. So kann eine Unterfunktion der Schilddrüse zu Lethargie führen. Wird diese diagnostiziert, wird nur selten nach weiteren Ursachen geforscht. Die Folge: Eine Altersdepression wird gar nicht als solche erkannt. Gleiches gilt etwa bei einer unbehandelten Schlafapnoe oder einem schlecht eingestellten Diabetes, Krankheiten, die oftmals mit einem Verlust der Lebensqualität einhergehen.  Dabei entsteht eine fatale Wechselwirkung oder auch Verstärkung von körperlichen und seelischen Beschwerden. „Rückenschmerzen etwa schränken die Beweglichkeit eines Menschen ganz objektiv ein, sie können dann auch den Verdruss darüber und die Unzufriedenheit verstärken“, führt Chefärztin Dr. Meyer aus. Deswegen ist es so wichtig, Körper und Geist als Einheit zusehen, eine Erkenntnis, die sich in unserer Kultur erst sehr langsam durchsetzt, bei Ancoris zur Praxis gehört.

Auch gilt es, eine Pseudodemenz oder Pseudodepression auszuschließen, Begriffe, die durchaus umstritten sind und zugleich die Problematik der Erkrankungen offenbaren, sowie die Schwierigkeiten der Differentialdiagnose. Unter einer Pseudodemenz versteht man kognitive Beeinträchtigungen, die keine organischen Ursachen haben, sondern denen andere organische oder psychische Auslöser zu Grunde liegen. Werden diese erfolgreich behandelt, gehen auch die geistigen Störungen wieder zurück. Andere Definitionen erklären eine Pseudodemenz vor allem mit Depressionen, die als Demenz diagnostiziert werden. Bei einer Pseudodepression liegt in der Regel ein Frontalhirnsyndrom vor, einer Sammelbezeichnung für Symptome, die durch die Schädigung der vorderen Anteile des Stirnhirns hervorgerufen wird.

Wichtig ist also, unterschiedliche Ursachen in Erwägung zu ziehen: genetische Veranlagung, neurobiologische Faktoren sowie psychosoziale Faktoren. Ein gängiges erstes Diagnoseinstrument ist ein sogenanntes geriatrisches Assessment, das in geriatrischen Institutsambulanzen wie in Wandsbekim Westklinikum sowie in der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll durchgeführt wird. Dabei kommt auch die 15 Fragen umfassende Geriatrische Depressionsskala (GDS) zum Einsatz. „Die Fragen mögen auf den ersten Blick banal wirken, geben aber sehr gut Aufschluss über den Gemütszustand eines Menschen“, erläutert Gerontopsychiater Dr. Wollmer. Den Fragenbogen können als ersten Schritt auch Angehörige mit Betroffenen durchgehen. Allerdings ist da meist enorme Sensibilität gefragt. „Partner, Kinder und Enkel sollten aufmerksam bei entsprechenden Anzeichen sein, Empathie und viel Fingerspitzengefühl an den Tag legen“, sagt Neurologe Dr. Lerch. Oft sind es tatsächlich die Enkel, vielleicht weil sie ausreichend Abstand haben, die ihre Großeltern den Gang zum Arzt, in eine Gedächtnissprechstunde oder eine geriatrische Ambulanz nahelegen. Auch der Hausarzt kann eine erste Anlaufstelle sein.

Geriatrische Depressionsskala (GDS) nach J. A. Yesavage

Bitte beachten Sie, dass dieser Test keinesfalls die Diagnose durch Ihren Haus- oder Facharzt ersetzt. Sofern Sie eine Altersdepression bei sich oder einem Angehörigen vermuten, kann dieser Test jedoch einen wertvollen Hinweis liefern. Erreichen Sie 5 oder mehr Punkte, nehmen Sie bitte Kontakt zu Ihrem Hausarzt, unseren Expert:innen von Ancoris oder einer Klinik in Ihrer Nähe auf.

  1. Sind Sie grundsätzlich mit Ihrem Leben zufrieden?  Ja (0) Nein (1)
  2. Haben Sie viele von Ihren Tätigkeiten und Interessen aufgegeben? Ja (1) Nein (0)
  3. Haben Sie das Gefühl, Ihr Leben sei leer?  Ja (1) Nein (0)
  4. Ist Ihnen oft langweilig?   Ja (1) Nein (0)
  5. Sind Sie die meiste Zeit guter Laune? Ja (0) Nein (1)
  6. Befürchten Sie, dass Ihnen etwas Schlechtes zustoßen wird? Ja (1) Nein (0)
  7. Fühlen Sie sich die meiste Zeit glücklich? Ja (0) Nein (1)
  8. Fühlen Sie sich oft hilflos?  Ja (1) Nein (0)
  9. Sind Sie lieber zu Hause, statt auszugehen und etwas zu unternehmen? Ja (1) Nein (0) 
  10. Glauben Sie, dass Sie mit dem Gedächtnis mehr Schwierigkeiten haben als die meisten anderen? Ja (1) Nein (0)
  11. Finden Sie es schön, jetzt zu leben? Ja (0) Nein (1)
  12. Kommen Sie sich in Ihrem jetzigen Zustand ziemlich wertlos vor? Ja (1) Nein (0)
  13. Fühlen Sie sich voller Energie? Ja (0) Nein (1)
  14. Finden Sie, dass Ihre Situation hoffnungslos ist? Ja (1) Nein (0)
  15. Glauben Sie, dass es den meisten Leuten besser geht als Ihnen? Ja (1) Nein (0)

 

0 – 5 Punkte: normal; 5 – 10 Punkte: leichte bis mäßige Depression; 11 – 15 Punkte: schwere Depression

Quelle: Yesavage, J., Brink, T., Rose, T., Lum, O., Huang, V., Adey, M., Leirer, O. (1983): Development and validation of a geriatric depression screening scale: a preliminary report. J of Psych Res 17, 37-49

Kombinierte Therapie für mehr Lebensqualität

Bild: Patientn und Ärztin im Gespräch

© iStock/1340026882

Die optimale Behandlung ist eine Kombination aus Antidepressiva, die inzwischen gut verträglich sind, und einer Psychotherapie. In Einzel- und Gruppengesprächen geht es zunächst vor allem darum, einen Weg aus den Gedankenschleifen zu finden, wie es Gerontopsychiater Wollmer nennt. „Es gilt herauszufinden, warum der jeweilige Mensch so mit seinem Leben hadert, um ihm dann dabei zu helfen, eine versöhnliche Rückschau aufs Leben aber auch eine positive Einstellung zur eigenen Gegenwart zu entwickeln und realistische Zukunftspläne zu schmieden“, erläutert Wollmer weiter und verweist auf Theodor Fontanes Gedicht „Das möcht ich noch erleben.“ Vielleicht ist das dann nicht mehr die Geburt eines Urenkels, aber doch die Einschulung des Enkels. „Wir versuchen unseren Patienten zu helfen, sich wieder auf das Leben einzulassen, auch wenn sie das Ende vor Augen haben. Das erfordert Empathie und Beharrlichkeit von allen Seiten“, ergänzt der Neurologe Lerch.  Hilfreich ist es, sich Aufgaben zu suchen, gebraucht und wertgeschätzt zu werden. „Auch ein Hund ist ein ideales Therapeutikum, denn er gibt dem Alltag Struktur, verlangt und schenkt Aufmerksamkeit, sorgt für Bewegung und oft auch für ein zumindest zaghaftes soziales Leben bei den täglichen Gassirunden“, führt Lerch aus.

Ein tragfähiges Sozialleben, erfüllende Aufgaben, Körper und Geist aktiv halten sind nicht nur effektive Maßnahmen, um eine Depression zu behandeln, sondern auch um dieser vorzubeugen. „Auf allen Ebenen aktiv zu bleiben, ist entscheidend für unsere körperliche und seelische Gesundheit“, erklärt der Gerontopsychiater Wollmer. Hinzu kommen – ebenso wie bei der Prävention zahlreicher anderer Erkrankungen – eine ausgewogene Ernährung aus pflanzenbasierter Kost, wenig Fertiggerichten, maßvoll Fleisch, um chronischen Entzündungen vorzubeugen, das Herz-Kreislaufsystem zu stärken. Ebenso wichtig sei ein vernünftiger Umgang mit Stress und ausreichend Schlaf. Einen garantierten Schutz vor einer Altersdepression bietet dieser Lebenswandel leider trotzdem nicht. Umso wichtiger ist es, frühzeitig genau hinzuschauen und im besten Fall zu reagieren. Denn, auch das ist die bedrückende Wahrheit: Insbesondere bei Männern führt eine Altersdepression häufig zu Suiziden. „Eine Depression entwickelt sich nicht von heute auf morgen und ist auch nicht von heute auf morgen zu heilen. Die Behandlung ist ein Langstreckenlauf, aber man kann frühzeitig mit der Weichenstellung beginnen – jeder für sich aber auch mit fachlicher Unterstützung“, so der Neurologe und Internist Dr. Michael Lerch.

Unsere Expert:innen

Kompetenz auf dem Fachgebiet der Geriatrie.

Rat und Hilfe

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22419 Hamburg

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