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Diabetes. Alterszucker. Therapie.
Diabetes ist längst zu einer Volkskrankheit geworden. Eine unausgewogene Ernährung und zu wenig Bewegung führen vor allem zu dem, was früher mal umgangssprachlich „Alterszucker“ genannt wurde. Die gute Nachricht: Dieser Typ-2-Diabetes ist heilbar. Bei Typ-1 kommt es auf die richtige Behandlung an.
Mehr als 7 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Diabetes, die meisten davon an Typ-2-Diabetes, das was früher „Alterszucker“ hieß. Dabei dürfte die Dunkelziffer noch höher sein, da bei vielen die chronische Erkrankung noch gar nicht entdeckt ist. Mit einer konsequenten Ernährungsumstellung, viel Bewegung und nur in seltenen Fällen auch mit Medikamenten lässt sich die Krankheit komplett heilen, wie Internist und Diabetologe Dr. Matthias Riedl sowie der Gastroenterologe Dr. Ulrich-Frank Pape erklären.
Noch vor gut 10 bis 20 Jahren schien ein Alterszucker eine unwiderrufliche Begleiterscheinung höherer Lebensjahre zu sein. Man hatte gut gelebt, ausreichend zu Essen gehabt, der Fitnesswahn war noch nicht ausgebrochen, das Bewusstsein für einen gesunden Lebenswandel noch nicht so ausgeprägt. Inzwischen aber wissen Experten wie Laien: Typ-2-Diabetes ist nicht etwa eine unausweichliche Erkrankung, in den meisten Fällen liegt sie in Übergewicht, falscher, v.a. überkalorischer Ernährung und zu wenig Bewegung begründet. Daraus aber folgt die gute Nachricht: Typ-2-Diabetes ist grundsätzlich heilbar und das in der Regel ganz ohne Medikamente, wie Dr. Matthias Riedl, Ärztlicher Direktor des Diabetes Zentrums Medicum in Hamburg, und Dr. Ulrich-Frank Pape, Chefarzt der Inneren Medizin und Gastroenterologie an der Asklepios Klinik St. Georg, überzeugt sind und in ihrer täglichen Arbeit immer wieder erleben.
Zunächst einmal aber muss man zwischen den beiden Diabetes Typen unterscheiden: Bei Typ-1 handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, das heißt, das Immunsystem zerstört Insulin produzierende Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Das führt zu einem Insulinmangel. Der Körper aber braucht das Hormon Insulin um den Zucker aus dem Blut in die Zellen zu transportieren, weil sie Zucker als Energiequelle benötigen.
Die Ursachen für diese Immunerkrankung sind bislang noch nicht komplett erforscht. Vor allem aber ist der Typ-1 nicht heilbar. „Daher müssen Typ-1-Diabetes-Patienten dem Körper Insulin zuführen“, erklärt der Internist und Diabetologe Dr. Riedl, der auch als NDR-Ernährungs-Doc bekannt ist. Viele Patienten spritzen sich das Insulin mit einem Pen, nachdem sie zuvor den Blutzuckerspiegel gemessen haben, um die richtige Dosierung zu ermitteln. Andere nutzen eine Insulinpumpe, diese, häufig am Bauch unter der Haut steckt, gibt regelmäßig Insulin an den Körper ab. Damit ahmt die Pumpe die Funktion der Bauchspeicheldrüse nach: Genau zum richtigen Zeitpunkt gibt sie genau die richtige Menge Insulin ab. Das verhindert eine Unter- oder Überzuckerung.
Anders verhält es sich mit dem Typ-2-Diabetes, oft auch „Zuckerkrankheit“ oder „Alterszucker“ genannt. Ihm liegt eine Insulinresistenz zugrunde oder wie Dr. Riedl es nennt „eine Überlastung des Körpers mit zu vielen Kohlenhydraten gepaart mit zu wenig Bewegung“, die zu dieser Insulinresistenz führt. „Die Zuckermoleküle können nicht mehr in die Zellen etwa in der Leber, im Fettgewebe oder auch in den Muskeln gelangen, weil diese bereits übersättigt sind, der Zucker bleibt also im Blut, der Blutzuckerspiegel steigt“, ergänzt der Gastroenterologe und Internist Dr. Pape. Zunächst versucht der Körper noch mehr Insulin zu produzieren, die Resistenz zu überwinden, dann aber lässt diese Produktion nach. Der dauerhaft erhöhte Blutzuckerspiegel schädigt dann langfristig Blutgefäße, die Nerven und zahlreiche Organe. Die Gefahr einer Herzkreislauf-Erkrankung wie beispielsweise ein Herzinfarkt steigt stark. Das Schlaganfall-Risiko erhöht sich bei Diabetikern nach aktuellen Zahlen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Diabetes Hilfe um das Doppelte bis Dreifache. Bleibende und schwerwiegende Nierenschäden und Augenschäden sind weitere mögliche Folgeerkrankungen.
Stimmt's oder stimmt's nicht?
Zwar gibt es durchaus eine Veranlagung für Typ-2-Diabetes, diese ist aber nur zum Teil genetisch bedingt. Bei einem familiären Risiko spielen auch Ernährungsmuster und Lebensgewohnheiten eine entscheidende Rolle. Mindestens ebenso entscheidend ist der eigene Lebensstil. „Wir nehmen allgemein viel zu viele Kohlenhydrate und dann oft leere Kohlenhydrate aus Weizenprodukten auf“, warnt der Internist Dr. Riedl. Die werden im Körper zu Zucker verstoffwechselt. Ist der Körper aber ohnehin schon übersättigt, lagert er sich nicht nur in Fettpölsterchen ab, sondern auch in inneren Organen beispielsweise der Leber, die dadurch geschädigt werden. Zu viele Kohlenhydrate beziehungsweise insgesamt eine zu hohe Energiezufuhr gepaart mit wenig Bewegung führt dann zu teils lebensbedrohlichem Übergewicht. Und Übergewicht, insbesondere der Bauchspeck, begünstigt die Bildung der Insulinresistenz.
„Die beste Therapie ist daher Gewichtsreduktion, regelmäßige Bewegung und eine Ernährungsumstellung auf viel Gemüse, Vollkornprodukte, Obst sowie wenig Fleisch und einfachen Zucker“, erklärt Dr. Pape. Das erhöhe nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch die Heilungschancen. Die liegen bei einem Typ-2-Diabetes-Patienten bei 86 Prozent, vorausgesetzt, er nimmt 15 Kilogramm ab, zitiert Dr. Riedl eine Studie. Nur bei sehr schweren Formen von Diabetes sei eine Insulingabe eine effektive Therapie – dann aber auch in Kombination mit einer Ernährungsumstellung und einem Bewegungsprogramm.
Klassische Symptome eines Typ-2-Diabetes sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Schlappheit. „Da der Körper versucht, den überschüssigen Zucker letztendlich über den Urin auszuscheiden, wird der süßlich, was sich nachweisen lässt“, erläutert Dr. Pape. Das führt aber auch dazu, dass der Patient mehr Durst verspürt, was wiederum häufigeren Harndrang zur Folge hat. Auch schlecht heilende Wunden, trockene und juckende Haut, sind mögliche Anzeichen, denn ein erhöhter Blutzuckerspiegel schwächt das Immunsystem. Häufig führt Diabetes auch zu Durchblutungsstörungen. Allerdings bleibt Diabetes oft auch lange unbemerkt, da die Symptome recht unspezifisch sind. Umso wichtiger ist es, die Werte regelmäßig überprüfen zu lassen – gerade wenn es eine familiäre oder auch sehr individuelle Veranlagung gibt.
Um einen Diabetes festzustellen, reichen schon einfache Blutzuckertests beim Hausarzt. Diese Diagnose lässt sich dann durch weitere Bluttests bestätigen oder eben entkräften. „Grundsätzlich liegt ein Diabetes vor, wenn der Blutzuckerspiegel nüchtern und bei mindestens zwei unabhängigen Messungen über 120 mg/dl liegt“, erklärt Dr. Pape. Nüchternblutzuckerwerte zwischen 100 und 120 mg/dl deuten auf einen Prädiabetes hin, also eine Vorstufe.
Inzwischen entwickelt sich mehr und mehr ein Ernährungs- und Bewegungsbewusstsein, die Menschen wissen um die Gesundheitsgefahren von zu viel Zucker, zu viel schlechtem Fett, zu vielen leeren Kohlenhydraten. Die Politik hat das Thema immer wieder auf der Agenda, denkt laut über Lebensmittelampeln auf den Verpackungen nach und selbst die Lebensmittelindustrie bekennt sich zu einer Zuckerreduzierung in den Produkten. „Das sind aber vor allem noch Lippenbekenntnisse“, sagt Ernährungs-Doc Riedl. Daher ist es an jedem einzelnen, einem Diabetes vorzubeugen. „Und das funktioniert am effektivsten durch einen gesunden Lebenswandel, mit ausreichend Bewegung, guter Ernährung und der damit verbundenen Vermeidung von Übergewicht“, sind sich die beiden Mediziner einig.
Kompetenz auf dem Gebiet der Diabetologie und Gastroenterologie
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