Plötzlich Lebensretter

Erste Hilfe. Notruf.

Plötzlich Lebensretter

Bild: Symbolbild Lebensretter

Weil der Abiturient Harun Göymen blitzschnell reagiert und weiß, wie eine Herzdruckmassage funktioniert, rettet er einem Menschen das Leben. Das kann jeder, ist er überzeugt – vorausgesetzt er beherrscht die Basics.

Prüfen! Rufen! Drücken!

Harun Göymen ist mit seinen Gedanken bei der bevorstehenden mündlichen Englisch-Prüfung, als er kurz vor dem Schulgebäude der BBS-Buxtehude einen Mitschüler panisch um Hilfe schreien hört. Auf dem Boden liegt der Schulbegleiter Andreas Knop.

Der Abiturient reagiert sofort und wird zum Lebensretter. Für sein schnelles und beherztes Handeln hat er 2022 den Asklepios Lebensretterpreis erhalten. Für den 19-Jährigen ist klar: Das hätte jeder getan und das kann jeder. Voraussetzung sind die Basics, die er nun selbst vermittelt, wie er uns im Interview erzählt.

Herr Göymen, wie fühlt es sich an Lebensretter zu sein?

Harun Göymen: Es ist schon ein tolles Gefühl zu wissen, dass ich ein Leben gerettet habe. Ich bin da nicht stolz drauf, aber etwas Besonderes ist es schon. Auch weil es mir gezeigt hat, wie schnell ein Mensch in so eine Situation kommen kann. Andreas Knop, der damals einen Herzinfarkt hatte, hat sich vorher immer fit und gesund gefühlt. Und plötzlich fällt er um. Aber natürlich hat mir dieses Erlebnis auch gezeigt, wie wichtig es ist, dass man die Grundlagen der Wiederbelebung beherrscht oder zumindest weiß, was man tun muss. Das, was ich gemacht habe, hätte jeder getan. Ich war nur eben da zur Stelle.

Was genau ist damals im Dezember 2021 denn überhaupt passiert?

Ich war auf dem Weg zur Schule, zu meiner mündlichen Englisch-Prüfung. Da hörte ich plötzlich einen Mitschüler um Hilfe rufen. Ich bin sofort dahin und habe dann Andreas Knop, der bei uns als Schulbegleiter arbeitet, auf dem Boden liegen gesehen. Mir war sofort klar, dass da etwas nicht stimmt und ich habe begonnen, wie automatisiert zu handeln.

Bild: Frau prüft die Vitalzeichen

© iStock/159758729

Was haben Sie gemacht?

Erst habe ich die umstehenden Schüler ins Sekretariat geschickt, um Hilfe zu holen. Ich habe Andreas angesprochen, ihn an der Schulter gerüttelt und eine Atmungskontrolle an Mund und Nase gemacht. Dann habe ich den Mundraum kontrolliert, ob da möglicherweise etwas drin ist, das die Atmung behindert oder das er verschlucken kann. Danach habe ich nochmal den Atem kontrolliert.

Woher wussten Sie so genau, was zu tun ist?

Meine Brüder bieten Erste-Hilfe-Kurse in Buxtehude an und ich selber gebe mittlerweile auch solche Kurse. Während ich erste Hilfe geleistet habe, war da nur ein Gedanke: Du musst jetzt funktionieren. Tatsächlich hat mich der Notruf, den wir inzwischen angerufen hatten, durch die ganze Situation geleitet. Auch durch die Herzdruckmassage. Ich denke, es ist das Wichtigste, als allererstes den Notruf zu wählen. Denn die sagen einem genau, was zu tun ist, wo man die Hände ansetzen muss und wie oft und schnell man Drücken muss. Mit einem solchen Notruf kann man nichts falsch machen.

So geht die Herzdruckmassage: Prüfen – Rufen – Drücken!

Nach Angaben der Deutscher Herzstiftung erleiden in Deutschland jährlich 65.000 Menschen einen akuten Herz-Kreislauf-Zusammenbruch, der mit einem Herzstillstand einhergeht. Dabei zählt jede Minute. Schnelles Handeln ist daher gefragt. Diese Schritte sind im Ernstfall zu tun:

1. Bewusstlosigkeit und Atmung prüfen

Sprechen Sie die Person laut an. Reagiert sie nicht und sind keine Anzeichen der Atmung zu beobachten (u. a. Anheben und Absinken des Brustkorbs, spürbarer Atem durch Nase oder Mund), wählen Sie sofort den Notruf (112).

ACHTUNG: Schnappatmung und Röcheln ist keine normale Atmung. Erfordert also auch sofortiges Handeln.

2. Notruf

​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Haben Sie den Notruf gewählt, werden Ihnen folgende Fragen gestellt:

  • Wer ruft an (Name und Telefonnummer)?
  • Was ist passiert?
  • Wo befinden Sie sich (und die bewusstlose Person)? Geben Sie möglichst eine genaue Adresse an.
  • Beenden Sie das Gespräch erst, wenn die Notrufzentrale keine Rückfragen mehr hat. Häufig leiten die Mitarbeitenden Sie durch die Hilfsmaßnahmen

Herzdruckmassage

  • Knieen Sie sich an eine Seite der auf dem Rücken liegenden Person.
  • Setzen Sie den Handballen auf die Mitte des Brustbeines, platzieren Sie die andere Hand auf den Handrücken der ersten.
  • Beugen Sie sich senkrecht über die Brust der Person und drücken Sie das Brustbein mit gestreckten Armen etwa 5 bis 6 Zentimeter nach unten, in einer Frequenz von 100-120 pro Minute. Wenn Sie selbst nicht zählen können, bitten Sie Umstehende den Rhythmus vorzugeben. Es gibt auch Songs mit dem entsprechenden Takt, etwa „Staying Alive“ von den BeeGees, „Sorry“ von Justin Biber und auch der Biene-Maja-Titelsong von Karel Gott.
  • Rufen Sie Hilfe, um sich bei der Herzdruckmassage abzuwechseln. Sie ist extrem anstrengend.
  • Stoppen Sie die Herzdruckmassage erst, wenn das Rettungsteam eingetroffen ist und übernehmen kann.

4. Umgang mit Defibrillator

Der Automatisierte Externe Defibrillator (AED) kann die Herzdruckmassage ersetzen, vorausgesetzt er befindet sich in der Nähe. Sie sollten ihn nur nutzen, wenn Sie zu zweit sind, rät die Herzstiftung. So kann eine Person die Herzdruckmassage durchführen, bis die andere den Defibrillator geholt hat.

Folgen Sie den Anweisungen des AED-Sprachcomputer

WICHTIG: Unterbrechen Sie die Druckmassage nur, wenn der Sprachcomputer Sie dazu auffordert.

 

Quelle: Deutsche Herzstiftung

Wie lange hat es gedauert, bis der Krankenwagen dann tatsächlich eintraf?

Ich glaube, das waren so sieben Minuten und es waren die längsten sieben Minuten meines Lebens. Als mir der Notarzt dann später gesagt hat, dass ich Andreas das Leben gerettet habe, bin ich erstmal zusammengebrochen. An die Englisch-Prüfung war da nicht mehr zu denken.

Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste in so einer Situation?

Wie schon gesagt: Erst den Menschen ansprechen, ob er noch reagiert. Und dann so schnell wie möglich die 112 anrufen. Die lotsen einen perfekt da durch.

Sie geben nun selbst Erste-Hilfe-Kurse. Wie sind da Ihre Erfahrungen?

Ich stelle oft fest, dass die Teilnehmenden gar nicht so recht zuhören, sondern diese Kurse so abreißen. Das ist schade und kann im Ernstfall fatal werden.

Hat diese Erfahrung Ihr Leben verändert?

Ich bin jetzt noch aktiver in der Ersten-Hilfe-Arbeit geworden und mir des Lebens auch ein bisschen bewusster. Aber, nochmal: Jeder kann Lebensretter werden. Dafür sollte man die Basics der Wiederbelebung aber drauf haben.

Hilfe & Rat

Im akuten Notfall (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall etc.) wenden Sie sich immer zuerst an den NOTRUF 112.

Bei akuten Erkrankungen oder Verletzungen, die jedoch nicht lebensbedrohlich sind, aber außerhalb der Sprechzeiten von Ärzt:innen auftreten, wenden Sie sich an den ÄRZTLICHEN BEREITSCHAFTSDIENST UNTER 116 117.

Benötigen Sie medizinischen Rat, einen Untersuchungs- oder Behandlungstermin wenden Sie sich jederzeit gerne an eine unserer KLINIKEN IN IHRER NÄHE oder unsere MEDIZINISCHEN VERSORGUNGSZENTREN.

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