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Geburtshilfe. Frauengesundheit.
Am Ende sind alle fertig: „Als hätten wir alle zusammen das Kind gekriegt“, scherzt Hebamme Antje Düvel. Für diesen einen Moment liebt sie ihren Beruf.
Antje Düvel ist seit zwanzig Jahren Hebamme aus Leidenschaft, dreizehn davon an der Hamburger Asklepios Klinik Altona. Nichts sei überwältigender als ein Kind auf die Welt zu holen, sagt die 41-Jährige: „Auch nach tausend Geburten!“ Die hat sie zwar nie gezählt, aber gefühlt kommt das schon hin. „Ich sehe in jedem neuen Wesen ein kleines, fassbares Wunder“, sagt sie.
„Sobald das Baby da ist, schreit, strampelt und neugierig in die Welt guckt, kann man sich überhaupt nicht mehr vorstellen, dass es jemals in einem Bauch gelebt hat.“ Dieser Übergang von einem abhängigen Lebewesen zu einem autarken Menschen in der Welt sei unbeschreiblich. Als bliebe die Zeit kurz stehen. Willkommen, kleiner Erdenbürger, kleine Erdenbürgerin!
Antje Düvel war immer klar, dass sie Hebamme werden will. Bereits mit 17 absolvierte sie ihr Schulpraktikum im Kreißsaal gemacht. Eine wegweisende Erfahrung. „Mich haben die Frauen im Kreißsaal so beeindruckt: Wie die Mütter die Geburt bewältigen, wie die Hebammen sie dabei unterstützen, zugewandt und zugleich tough. Danach habe ich über nichts anderes mehr nachgedacht, als nach dem Abitur Hebamme zu werden.“ Medizin studieren wollte sie nicht. „Ich will nicht erst dazukommen, wenn es schlimm ist. Ich möchte das Leben begleiten, begrüßen, mich um Menschen kümmern.“
Diese Entscheidung hat sie keinen einzigen Tag bereut. Sie versteht sich als natürliche Bündnispartnerin der schwangeren Frau, deren Zutrauen in den eigenen Körper und die eigenen Kompetenzen sie stärkt. Hebamme zu sein, so Antje Düvel, sei im Grunde ein frauenengagierter Beruf: „Die meisten Frauen werden Hebamme, weil sie den werdenden Müttern Wahlfreiheit ermöglichen wollen: Sie sollen so entbinden, wie sie es wollen.“ Im Grunde, so Düvel, „sind wir Hebammen Feministinnen im besten Sinne!“
Zu Antje Düvels Engagement für Frauen gehört auch, sie für eine natürliche Geburtzu gewinnen. Nicht zu überreden, aber zu bestärken. „Wir sind davon überzeugt, dass die Natur sich was dabei gedacht hat, dass Kinder so auf die Welt kommen wie sie auf die Welt kommen“, sagt sie. Dafür sprechen medizinische Gründe, etwa, dass die im Geburtskanal auf das Kind übertragenen Keime dessen Abwehrsystem stärken und vor Asthma und Allergien schützen. Aber insbesondere emotionale: „Bei der Geburt wird ja nicht nur ein Kind geboren“, sondern auch eine Mutter!“ Nicht nur das Kind brauche die Zeit der Geburt, um sich auf die Welt vorzubereiten, auch die Frau benötige Zeit für ihre Verwandlung zur Mutter. Beide schauten nach der Geburt auf eine neue Welt. Und: „In der Regel sind die Mütter nach der Geburt überglücklich: Sie haben neues Leben geschaffen und den magischen Moment selbst herbeigeführt.“
Der Hebammenberuf ist ein zukunftssicherer Job. „Systemkritisch“ möchte man im Neusprech der Coronazeit bald hinzufügen. Nicht nur, weil Kinder selbstverständlich immer geboren werden. Sondern weil die Hebammenbetreuung in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben ist. Der Paragraph 4 Hebammengesetz „Geburtshilfe als vorbehaltene Tätigkeiten“ besagt, dass Ärztinnen und Ärzte verpflichtet sind, „dafür Sorge zu tragen, dass bei einer Geburt eine Hebamme zugezogen wird.“ Zu ihren Aufgaben gehören die „Überwachung des Geburtsvorganges“, „die Hilfe bei der Geburt“ und die „Überwachung des Wochenbettverlaufs“. Diese Tätigkeiten sind ihnen ausdrücklich vorbehalten. „Solange dieses Gesetz gilt, wird es uns geben“, scherzt Antje Düvel. In Deutschland könnten gesunde Schwangere auch ganz auf ärztliche Unterstützung verzichten: Hebammen können eine Schwangerschaft feststellen und den Mutterpass ausstellen, sie können fast alle im Mutterpass vorgesehenen Vorsorgeuntersuchungen durchführen, etwa Gewicht und Blutdruck kontrollieren, die Lage und Größe des Kindes feststellen, prüfen, ob Herztöne, Urin- und Blutwerte in Ordnung sind. Nur Ultraschalluntersuchungen sind Ärztinnen oder Ärzten vorbehalten. Auch bei Schwangerschaftsbeschwerden und Vorwehen sind Hebammen erste Ansprechpartnerinnen.
Dass das deutsche Betreuungssystem nicht selbstverständlich ist, zeigen Länder wie Griechenland oder die USA. Dort betreuen statt Hebammen Krankenschwestern die werdenden Mütter.
Es gibt diese alten Stiche aus dem 18., 19. Jahrhundert. Da sieht man eine strickende Hebamme am Bett der werdenden Mutter. Das ist die beste Darstellung unseres Berufsstandes: die Hebamme, die einfach da ist. Dann brauchen Frauen keine Schmerzmittel, keinen Kaiserschnitt – weil sie absolut sicher sind.
Der Hebammenberuf bietet darüber hinaus enorm viele Freiheiten: „Jede kann sich aussuchen, wie sie arbeiten möchte“, berichtet Antje Düvel. Sie kann Geburten begleiten, in der Klinik oder zu Hause, ausschließlich geburtsvorbereitende und -nachbereitende Seminare anbieten. „Die Entscheidung hängt davon ab, was mir wichtig ist: Wenn ich mich ganz auf eine Frau einstellen und sie von Anfang bis Ende begleiten möchte, dann sollte ich als Hausgeburtshebamme arbeiten. Wenn ich wiederum innerhalb kürzester Zeit zu fremden Frauen eine Verbindung herstellen und ihnen ein Gefühl der Sicherheit geben kann, dann eignet sich vielleicht eine Anstellung im Krankenhaus.“ Auch die Arbeitszeit und der Arbeitseinsatz kann flexibel gestaltet werden: Hebammen arbeiten im Schicht- oder Tagdienst, frei oder fest angestellt, Voll- oder Teilzeit oder auf frei vereinbarter Stundenbasis. Antje Düvel beispielsweise arbeitet in einem 40-köpfigen freiberuflichen Hebammen-Team in der Asklepios Klinik Altona in Hamburg. In anderen Branchen würde man sie als „feste Freie“ bezeichnen: Sie genießt alle Vorteile des freiberuflichen Daseins – frei wählbare Einsatzzeiten, auf individuelle Wünsche angepasste Dienstpläne, keine 40-Stunden-Woche – und zugleich die Sicherheit der Festanstellung
„Wir betreuen bis zu 3.600 Geburten pro Jahr“, erklärt Antje Düvel. „Die Größe unseres Teams erlaubt, dass wir unseren Dienstplan selbst bestimmen. Dazu gehört auch, dass jede von uns ‚ihre‘ Frauen solange begleiten kann, wie die werdende Mutter es braucht. Das ist für beide Seiten sehr befriedigend.“ Das Asklepios-Modell: maximale Freiheit und Sicherheit für die Hebammen, maximale Verlässlichkeit für die schwangeren Frauen.
Neu ist, dass seit 2020 eine neue Hebammenausbildung gilt, die den Beruf der Hebamme akademisiert. Bis 2027 gilt dabei noch die alte Regelung fort, dass junge Frauen (und Männer) sich mit einer zehnjährigen Schulbildung für eine dreijährige Ausbildung an einer Hebammenschule bewerben können. Parallel dazu gilt die neue Reglung, die ein Abitur oder eine Fachhochschulreife voraussetzt und ein Bachelorstudium verlangt. Antje Düvel begrüßt die Aufwertung ihres Berufsstandes. Aber: „Diese Wertschätzung muss sich dann auch finanziell und fachlich niederschlagen“, so die erfahrene Hebamme. „Es kann dann nicht weiter so sein, dass wir zwar für die Fürsorge, das Betütteln und Betreuen der Schwangeren zuständig sind, aber ausschließlich Ärztinnen und Ärzte medizinische Wissen anwenden dürfen.“
Hebammen brauchen Empathie und Standing: eine gute Mischung aus Mitgefühl und Anleitung. Empathie bedeute nicht Mitleiden, sondern einfühlsam die Ressourcen der Frau zu erkennen, einzuschätzen und damit zu arbeiten. „Das ist ein bisschen wie beim Leistungssport“, lacht Antje Düvel. „Wenn die Frau gern Marathon laufen will, müssen wir ihr den Marathon ermöglichen. Dann ist es mein Job, sie in ihrem Willen zu bestärken, sie anzufeuern, sie durch die Geburt zu tragen.“ Die sei ja eine Einbahnstraße. Niemand anderes als die Frau selbst könne das Kind zur Welt bringen. „Sie kann nicht einfach aufgeben. Und weil sie das nicht kann, muss man da auch schon mal energisch sein. Eine gute Hebamme weiß, wann eine Frau noch Kraft hat – und wann nicht.“ Am Ende sei man dann genauso fertig wie die Frau. „Körperlich und seelisch, alle sind fertig!“ sagt Antje Düvel. „Aber wenn das Kind dann da ist … das ist, als hätten wir alle das Kind gekriegt.“
Acht Fragen an Antje Düvel zum Beruf der Hebamme.
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