Sportpsychologie - Vom Leistungssport lernen - Asklepios Gesundheitsmagazin

Sport. Leistung. Olympia.

Sportpsychologie - alles reine Kopfsache?

Bild: Frau reckt die Arme in die Höhe

Bewegung stärkt die Seele: mit Selbstbewusstsein, Haltung, Resilienz

Vom Leistungssport lernen

Leidenschaft und Begeisterung: Das zeichnet die Spitzensportlerinnen und -sportler aus, die am Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein betreut werden.

Sportpsychologin Annika Weinkopf (30), selbst passionierte Sportlerin sowie ehemalige Trainerin und Schiedsrichterin, ist mit vier weiteren Kolleginnen und Kollegen für die psychologische Betreuung der OSP-Athletinnen und Athletinnen zuständig. Die junge Sportpsychologin spricht mit Hochachtung von ihren talentierten Klientinnen und Klienten. Was wir von ihnen lernen können und wie der Sport die Seele beglückt, erklärt sie hier.

1. Die Person macht den Unterschied

Bild: Läufer starten vom Startblock

© iStock/147875257

„Leistungssportlerinnen und -sportler sind besondere Charaktere“, sagt Annika Weinkopf voller Wertschätzung. „Bereits in sehr jungen Jahren entscheiden sie sich für eine duale Karriere aus Sport und Ausbildung.  Die dabei auf sich genommene Doppelbelastung hat allerdings keine Erfolgsgarantie", so die 30-jährige Psychologin. „Eine Leistungssportkarriere ist häufig auch von Unsicherheit, Entbehrungen und Belohnungsaufschub begleitet, immer in der Hoffnung, dass der gewünschte Erfolg sich einstellt.“

Warum tun sich Menschen das an? Annika Weinkopf lacht: „Weil sie eine unglaubliche Leidenschaft in sich tragen“, so die Sportpsychologin. „Hier am OSP treffe ich Menschen, die Grenzen überwinden wollen. Die ein ganz klares Ziel vor Augen haben, auf das sie zusteuern und dem sie alles unterordnen. Die das Zutrauen und die Überzeugung in sich tragen: Ich als Person mache den Unterschied!“

Das, so Annika Weinkopf, mögen bitte alle Menschen für sich beherzigen: Jeder Einzelne von uns macht als Person einen Unterschied. Auf seinem ureigensten Feld. Das ist das Erste und Beste, was wir vom Spitzensport lernen können.

2. Sport macht selbstbewusst

Wer Sport treibt, steigert sein Leistungsvermögen und erweitert seine Fähigkeiten. Und zwar ausschließlich durch seinen eigenen Willen. Es ist eine Freude, sich selbst beim Wachsen zuzusehen: Man gerät nicht mehr so schnell aus der Puste, trifft den Ball häufiger, bleibt länger auf dem Surfbrett stehen. „Aus dieser Selbstwirksamkeit – ich kann was, ich mache was und das hat Konsequenzen! – resultiert Selbst-Bewusstsein“, so Annika Weinkopf. „Ich bin mir meiner selbst bewusst: Ich weiß, was ich kann, wozu ich fähig bin, was ich mir zumuten kann.“ Das schaffe innerlich Vertrauen. Auch das selbstbestimmte Handeln stärke das Ich: „So banal es klingt: Aber Sport treiben geht nur, wenn man es auch macht! Es kann niemand anderes für einen tun“, sagt Annika Weinkopf. „Es ist eine bewusste Entscheidung, die ich als freier und disziplinierter Mensch treffe. Diese Mündigkeit macht Menschen stark.

Wenn es in einem Bereich nicht so gut läuft, kann ich aus dem anderen Kraft ziehen.

Annika WeinkopfSportpsychologin, Olympiastützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein

3. Sport macht unverwüstlich

Sport stärkt die Widerstandskraft. Bereits im Aufraffen zum Sport stecke ein Sieg. „Hinterher ist man glücklich, es geschafft zu haben“, so Annika Weinkopf. Sport macht resilienter. Eine Erfahrung, die auch im Alltag hilft: „Wenn mir beispielsweise beruflich etwas Negatives widerfährt – ich werde von der Chefin kritisiert, mir unterläuft ein Fehler – kann mich der Sport auffangen: durch Team-Mitglieder, die mir wohlgesonnen sind, Trainer oder Trainerin, die an mich glauben, durch Leistungen, die ich verlässlich erbringen kann.“ Sie rät daher, auf mehreren Säulen im Leben zu stehen: „Wenn es in einem Bereich nicht so gut läuft, kann ich aus dem anderen Kraft ziehen.“

4. Sport macht zielstrebig

Bild: Frau freut sich über sportlichen Erfolg

© iStock/522319544

Im Leistungssport werden Ziele gesetzt: Trainingsziele, Leistungsziele, Wettbewerbsziele. Medaillen! „Im Breitensport genauso“, sagt Annika Weinkopf. Die heißen nur manchmal etwas anders: mehr Beweglichkeit, mehr Ausdauer, mehr Lebensfreude. Weniger Leibesfülle ist ein wichtiger Antrieb. Attraktivsein ein anderer. Wie im Leistungssport kann dabei der Wettbewerb mit anderen und auch der Wunsch nach guten Platzierungen motivieren. Muss aber nicht sein.

„Man kann sich auch mit sich selbst vergleichen“, ermutigt Annika Weinkopf. „Vor einer Woche konnte man vielleicht die Balance nicht länger als drei Sekunden halten – jetzt sind es schon zehn!“ Der Vorteil: Keiner guckt zu. Man kann sich ohne Scheu und Show mit sich auseinandersetzen: Wo stehe ich, was hat sich verändert, wo muss ich noch was tun? Der Nachteil: Es applaudiert niemand!

5. Sport gibt Geborgenheit

Nicht zuletzt: Sport bringt Menschen zueinander, vereint Nationen und Generationen in ihrer Leidenschaft für die Sache. „Am Sport können alle Menschen teilhaben: die, die ihn betreiben, die, die ihn fördern und die, die sich als Fans dafür begeistern“, sagt Annika Weinkopf und ist selbst das beste Beispiel dafür: Sie spielt Tennis, unterstützt als Psychologin andere Sportlerinnen und Sportler und begeistert sich für Beachvolleyball, Eishockey und Yoga.

# 1 Tipps von der Expertin: Wie finden Sie den richtigen Sport für sich?

Was die Sportpsychologie leisten kann

Nicht nur Spitzensportlerinnen und -sportler benötigen psychologische Unterstützung. Die Sportpsychologie hilft allen Menschen, die im Zusammenhang mit ihrer sportlichen Betätigung psychische Probleme entwickeln.

Bild: Deprimierte Eishockeyspielerin

© iStock/1251422945

Sie finden in Hamburg beispielsweise Rat und Hilfe am Institut für Sportmedizin und Prävention am Asklepios Medizinischen Versorgungszentrum St. Georg.

Sportpsychologische Betreuung am OSP bekommen sowohl die Nachwuchsleistungssportlerinnen und -sportler als auch die Profis, abhängig von ihrem Kaderstatus.  Dabei handelt es sich um ein Beratungs- und Coaching-Angebot, nicht um eine Therapie. Bei Klientinnen und Klienten mit einer diagnostizierten psychischen Erkrankung muss an einen Facharzt oder eine Fachärztin überwiesen werden. Was für ein Angebot das richtige sein könnte, wird dann gemeinsam geguckt.

Bei den ratsuchenden Sportlerinnen und Sportlern sind die Nöte ähnlich gelagert wie bei allen Menschen. Der Unterschied ist lediglich, dass sie im Zusammenhang mit dem Leistungssport auftreten oder durch die Belastung ausgelöst werden. Die Themen, bei denen Annika Weinkopfs Expertise gefragt ist, reichen von dem Wunsch, funktionaler zu kommunizieren und sich selbst besser kennen zu lernen, um beispielsweise verborgene Ressourcen aktivieren oder Widerstände auflösen zu können über den Umgang mit der hohen Doppelbelastung aus Schule oder Ausbildung und Leistungssport bis hin zu Versagens- und Existenzängsten. Etwa, wenn eine Leistungsdiagnostik ansteht, die darüber entscheidet, ob die Person ihren Kaderstatus behält. Auch traumatische Erlebnisse – eine schwere Verletzung auf dem Feld im Zweikampf mit einer anderen Spielerin – können zu Ängsten und verminderten Leistungen führen.

Gespräch und Verhaltenstraining

Bild: Man und Frau im Gespräch

© iStock/1277080789

Die Settings, die Annika Weinkopf zur Verfügung stehen, sind das Gespräch und die Exploration, salopp übersetzt: der Feldversuch. „Bei der Exploration begleite ich meine Klientinnen und Klienten in der Situation, die Schwierigkeiten macht und neu bewältigt werden soll. Beispiel: Umgang mit Kritik oder Anforderungen der Trainerin. Wir schauen dann, wie es meiner Klientin gelingt, das neue, zuvor besprochene Wunschverhalten in der Praxis zu erproben.“

Es ist ein Prozess. Auch hier gehe es um Ziele. „Wichtig ist, dass die Aufgaben angemessen und bewältigbar sind“, so Annika Weinkopf. „Fordern Sie sich, aber überfordern Sie sich nicht.“ Ziele sollte man in konkrete Teilziele unterteilen – etwa: „Diese Woche laufe ich am Montag drei Kilometer, auch wenn es regnet!“ oder „Morgen spreche ich die Trainerin an und sage ihr, was mich stört!“ – und sich über die Erfolge freuen. „Es zählt, was Sie geschafft haben, nicht, was Sie nicht geschafft haben“, so Annika Weinkopf. Und: Alles, was man getan hat, sollte man mit einem wertschätzenden Blick auf sich selbst abschließen. Gern auch mit einer kleinen Belohnung. „Im Spitzensport lautet die oft: einen Tag Trainingspause!“ scherzt Annika Weinkopf. Alles ist erlaubt: vom Schokoeis bis zur neuen, ultraschicken Sportsonnenbrille.

Wobei: Eine Belohnung gibt es immer kostenlos dazu. Am Ende eines Trainings schüttet der Körper das Glückshormon Dopamin aus.  Wie gesagt: Sport macht glücklich!

Tipps gegen den Schweinehund!

Auch Spitzensportler:innen haben mal keine Lust zum Training. Da hilft es, auf einen unumstößlichen Plan zurückgreifen zu können. So unumstößlich, dass die innere Stimme „Och! Nur heute mal nicht! Einmal aussetzen, morgen wieder!“ es nicht wagt, den Plan in Frage zu stellen. Im Spitzensport ist es eine Vereinbarung zwischen Sportler:in und deren Trainer:in. Im Breitensport treffen wir sie mit uns selbst – oder mit unseren Teammitgliedern.

Annika Weinkopf am OSP

Annika Weinkopf (30) ist seit 2019 eine von insgesamt fünf Kooperationspartnerinnen und -partnern für Sportpsychologie am Olympia Stützpunkt Hamburg/Schleswig-Holstein (OSP) in Hamburg. Zusätzlich ist sie ansprechbar als Vertrauensperson für jegliche Formen von Gewalt und Diskriminierung. Die gebürtige Wolfsburgerin hat einen Bachelor in Psychologie und ein Masterstudium in Sportpsychologie absolviert und sich zur Systemischen Therapeutin weitergebildet.
Das Medizinzentrum Asklepios St. Georg ist Kooperationspartner des Olympia Stützpunktes Hamburg/Schleswig-Holstein. Dabei handelt es sich um ein bundesweit einzigartiges sportmedizinisches Versorgungsnetzwerk, das die Spitzensportlerinnen und -sportler mit der medizinischen Kompetenz eines großen Klinikverbundes betreut.

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