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„Krebs und Überleben“
Asklepios Krebskongress. Langzeitüberleben.
„Onkologie gehört in Zentren“
Interview mit der Kongresspräsidentin Dr. Ursula Scholz, Chefärztin des Brustzentrums und dem Kongresspräsidenten Professor Dr. Gerhard Gebauer, Chefarzt der Gynäkologie an der Asklepios Klinik Barmbek.
„Krebs und Überleben“
Unter diesem Titel findet vom 13. bis 15. Februar 2025 der 5. Asklepios Krebskongress im Hamburger Curio-Haus statt. Das Kongressthema reflektiert die gewaltigen medizinisch-therapeutischen Fortschritte, die in den vergangenen zehn Jahren in der Tumor-Behandlung erzielt wurden. Heute lautet die häufigste Frage nicht mehr: Wie viel Zeit bleibt mir noch? Sondern: Wie kann mein Krebs geheilt oder so kontrolliert werden, dass ein Langzeitüberleben möglich ist – ähnlich wie ein Leben mit anderen chronischen Erkrankungen.
Was daraus für das Gesundheitssystem, für das in ihr tätige medizinisch-pflegerisch-therapeutische Personal und für Patientinnen, Patienten und Angehörige folgt, erläutern Dr. Ursula Scholz, Chefärztin des Brustzentrums und Professor Dr. Gerhard Gebauer, Chefarzt für Frauenheilkunde an der Hamburger Asklepios Klinik Barmbek. Beide haben die Präsidentschaft für den diesjährigen Krebskongress übernommen.
Die Chancen auf Heilung beziehungsweise auf ein langes Leben mit der Krebserkrankung sind in den vergangenen zehn Jahren enorm gestiegen.
Bessere Chancen auf Heilung
Frau Dr. Scholz, Herr Professor Gebauer: Sie haben erstmals die Präsidentschaft für den Asklepios Krebskongress übernommen. Wie kam es dazu?
Professor Gerhard Gebauer (GG): Wir sind beide an zertifizierten Zentren tätig: Frau Dr. Scholz leitet das Brustzentrum, ich das Gynäkologische Krebszentrum in unserer Klinik. Dadurch haben wir viele Berührungspunkte zu anderen Fachdisziplinen, die für die Behandlung einer Krebserkrankung ausschlaggebend sind: Radiologie, Pathologie, Humangenetik – um nur einige zu nennen. Als Leitungen hochspezialisierter und interdisziplinär tätiger Tumorzentren bringen wir die Expertise, Routine und die Kontakte mit, die notwendig sind, um einen solchen Kongress zu organisieren.
Dr. Ursula Scholz (US): Auch wenn wir beide in der Frauenheilkunde tätig sind, wird der Kongress das breite Spektrum aktuell diskutierter onkologischer Fragen abdecken. Teilnehmende aller Fachdisziplinen werden Themen von übergeordnetem Interesse finden, die für sie relevant sind, beispielsweise zu „Therapiemanagement und Lebensqualität“, „Intraoperative Strahlentherapie“ oder „Wie Plastische Chirurgie helfen kann“. Die Präsidentschaft empfinden wir beide als Auszeichnung.
Was ist neu an dem Thema „Krebs und Überleben“? War das nicht immer schon das Ziel?
GG: Das ist richtig. Allerdings sind die Chancen auf Heilung beziehungsweise auf ein langes Leben mit der Krebserkrankung in den vergangenen zehn Jahren enorm gestiegen. So setzen wir uns beispielsweise seit geraumer Zeit mit dem Thema „Schwangerschaft nach Brustkrebs“ auseinander. Das Thema stellte sich früher nicht, weil die Patientinnen gar nicht so lange überlebten!
US: Die medizinisch-therapeutischen Fortschritte sind in der Tat gewaltig: beispielsweise durch den Einsatz robotergestützter OP-Techniken, KI-gestützter Datenauswertungen oder neuartiger Verfahren in der molekular-pathologischen und immunologischen Diagnostik.
GG: Dabei untersucht die Pathologie heute wie damals Gewebe zur Sicherung der Diagnose. Im Unterschied zu früher aber werden viele weitere tumorbiologische Parameter untersucht, um zu beantworten wie aggressiv der Tumor ist, welche molekularen Besonderheiten er aufweist, welche Therapien ganz gezielt die Tumorzellen zerstören können. Dies ist der eigentliche „Türöffner“ für eine personalisierte, zielgerichtete und immuntherapiebasierte, medikamentöse Therapie.
US: Anders gesagt: Wir stimmen jede therapeutische Maßnahme individuell auf das Krankheitsbild des betroffenen Patienten, der betroffenen Patientin ab. Wir müssen uns immer bewusst sein, dass mit onkologischen Therapien, insbesondere mehrjährigen Therapien, starke Belastungen verbunden sein können, dass Menschen ihre Therapie abbrechen, weil sie sie mental und körperlich nicht mehr durchhalten.
GG: Mit der personalisierten Diagnostik und Behandlung vermeiden wir nicht zuletzt, krebserkrankte Menschen „überzutherapieren“ – und dadurch ihr Überleben zu gefährden. Ein Beispiel dafür bietet die Behandlung von Gebärmutterkrebs. Im Einzelfall kann es ausreichend sein, lediglich das erkrankte Organ zu entfernen und auf weitere Maßnahmen zu verzichten. In früheren Zeiten wurde hingegen das gesamte Programm aufgefahren: OP, und Strahlentherapie, oftmals auch Chemotherapie. Dabei gibt es letztlich drei Gruppen von Patientinnen: diejenigen, die den Krebs ohne Chemo- und Strahlentherapie überlebt hätten, diejenigen, die trotz der Therapie verstarben und diejenigen, die von der Therapie profitierten. Letzteres waren relativ wenige. Für alle anderen war diese umfangreiche Therapie von geringem Nutzen – wohl aber mit enormen Belastungen für ihr Wohlbefinden verbunden. Das können wir heute viel besser einschätzen und steuern.
Es geht also um mehr Lebensqualität in der Krebstherapie?
US: Es geht auch darum, die Auswirkungen unserer Therapiekonzepte auf die seelische, körperliche und geistige Gesundheit unserer Patienten und Patientinnen zu berücksichtigen. Nach wie vor steht die Heilung beziehungsweise das Überleben unserer Patientinnen und Patienten im Fokus unseres Wirkens. Der Weg dorthin aber wird neu justiert: Wie müssen wir die Therapie gestalten, dass der konkrete Mensch vor mir dieses Ziel unter Wahrung größtmöglicher Lebensqualität erreichen kann?
GG: Das wollen wir auch mit unserem Kongress erreichen: die Teilnehmenden für diesen Aspekt ihrer therapeutisch-medizinischen Arbeit sensibilisieren und dazu beitragen, dass sie ihn immer mit bedenken und berücksichtigen.
US: So kann es beispielsweise sinnvoll sein, den Tumor zunächst medikamentös oder strahlentherapeutisch zu behandeln und erst dann zu operieren. Dieses als Neoadjuvanz bekannte Verfahren setzen wir beispielsweise beim Brustkrebs ein. Es hat den Vorteil, dass wir bei der anschließenden OP sehen können, wie effektiv die Therapie angeschlagen hat. Hat sich der Tumor eventuell bereits verkleinert, müssen wir weniger ausgedehnt operieren – ein für Brustkrebs-Patientinnen wesentlicher Aspekt ihrer späteren Gesundung. Gleiches gilt für Patientinnen und Patientenmit mit Anal- oder Rektumkarzinom. Ihnen kann dadurch häufig ein künstlicher Ausgang erspart werden.
Nur in spezialisierten Zentren sind das notwendige Wissen und die notwendige Routine zur Behandlung von Tumorerkrankungen vorhanden, wird eine leitliniengerechte Krebs-Therapie garantiert.
Wie wichtig ist es für das Überleben einer Krebserkrankung, sich in einem onkologischen Zentrum behandeln zu lassen?
US: Es ist die Voraussetzung! Nur in spezialisierten Zentren sind das notwendige Wissen und die notwendige Routine zur Behandlung von Tumorerkrankungen vorhanden, wird eine leitliniengerechte Krebs-Therapie garantiert. Alle Therapie-Entscheidungen werden zwingend in Tumorkonferenzen – also von einem interdisziplinär und multiprofessionell zusammengesetzten, auf die jeweilige Erkrankung spezialisierten Expertengremium – getroffen. Und zwar im Behandlungsverlauf jedes Mal neu, sobald sich etwas verändert: also mindestens vor und nach der OP, vor und nach der Reha.
GG: Onkologie braucht ein vernünftiges Setting. Beispiel Eierstockkrebs: Nur 60 Prozent aller Eierstockkrebserkrankungen werden in Zentren operiert, 40 Prozent also irgendwo anders. Diese Patientinnen und Patienten haben eine geringere Chance, ihre Krebserkrankung zu überleben.
Was sollten neu an Krebs erkrankte Patientinnen und Patienten bestenfalls tun?
GG: Hilfe holen, aber nichts überstürzen: Krebs ist kein Notfall. Viele Patientinnen und Patienten drängen darauf, sofort operiert zu werden. Das Geschwür soll weg! Eine exakte Diagnostik sowie Auswahl der passenden Behandlung und Therapie aber sind die Voraussetzung für Heilung oder Langzeitüberleben. Die Entwicklung eines individuellen Konzepts ist aufwändig und kann in dieser Qualität nur in Zentren geleistet werden. Mein dringender Appell ist daher: Bitte nehmen Sie zehn, zwanzig, auch hundert Kilometer Fahrt in Kauf, um Ihre Erkrankung in einem spezialisierten Zentrum behandeln zu lassen! Es sollte Standard sein, ist es aber nicht.
Wie muss sich das Gesundheitssystem verändern, um ehemalige Krebspatientinnen und -patienten in ihrem Leben und Überleben bestmöglich zu unterstützen?
GG: Es wäre wünschenswert, dass nicht nur die Akutbehandlung, sondern auch die Nachsorge für Langzeit-Überlebende von qualifizierten Onkologen und Onkologinnen geleistet wird: Medizinerinnen und Mediziner also, die auf das Nebenwirkungsmanagement der Therapien achten und in der Lage sind, zu erkennen, wann eine Maßnahme zu viel, zu wenig oder nutzlos für die betroffene Person ist.
US: Als Zentrums-Medizinerinnen und Mediziner, die ihre Patientinnen immer nur in der akuten Erkrankungsphase begleiten können, erleben wir häufig, dass niedergelassene Ärzte und Ärztinnen die Nebenwirkungen verschiedener therapeutischer Maßnahmen nicht gut auffangen können. Hier benötigen wir eine vertiefte Sensibilisierung in der Fort- und Weiterbildung von ärztlichem und pflegerischem Personal.
GG: Am sinnvollsten wäre es, Akutbehandlung und Nachsorge in einer Hand zu belassen. So könnten Langzeit-Therapie-Patienten und -Patientinnen beispielsweise im Anschluss an ihre Behandlung in einem Onkologischen Zentrum an das klinikeigene Medizinische Versorgungszentrum überwiesen und ambulant weiterversorgt zu werden. Leider lässt das unser sektoral gegliedertes Gesundheitssystem nicht zu.
Was verändert sich für Patientinnen und Patienten, die nicht mehr am Krebs sterben, aber mit ihm leben müssen?
US: Tatsächlich stellt das Langzeitüberleben Betroffene und Angehörige vor andere Herausforderungen als früher, als eine Krebs-Diagnose fast immer als Todesurteil wahrgenommen wurde und die verbleibende Zeit tatsächlich meist knapp bemessen war. Nach wie vor macht eine Krebsdiagnose Menschen Angst – der medizinische Fortschritt aber auch Hoffnung! Das Überleben mit Krebs erfordert Lebensmut, Vertrauen, mentale und seelische Stärke. Die psycho-onkologische Begleitung muss sich mit diesen neuen Fragen und Ängsten auseinandersetzen – und natürlich für Menschen solange da sein, wie es für sie notwendig ist.
GG: Nicht zuletzt: Auch scheinbar banale Fragen wie die „Ich pflege einen Angehörigen, wer kümmert sich in meiner Abwesenheit um ihn?“ müssen vom Hilfesystem neu beantwortet werden. Gerade Mütter mit kleinen Kindern, die beispielsweise an Brustkrebs erkranken, benötigen unbürokratische Hilfeangebote und Versorgungsmöglichkeiten. Viele Menschen haben weniger Angst vor der Tumorerkrankung als davor, ihre Angehörigen allein zu lassen.
Werden wir den Krebs in den kommenden zehn Jahren besiegen?
Beide: Nein. Wir werden aber besser werden darin, gezielter und effektiver zu behandeln und Patienten und Patientinnen ein Leben nach Krebs, aber auch ein langes Leben mit Krebs zu ermöglichen.
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