„Onkologie ist Teamarbeit!“

Asklepios Krebskongress. Fürsorge.

„Onkologie ist Teamarbeit!“

Bild: Pflegefachfrau mit Patientin
Autor:inInterview: Janina Darm
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Ein Interview mit Kongresspräsidentin Prof. Dr. Carolin Tonus, Ärztliche Direktorin sowie Chefärztin Allgemein-und Viszeralchirurgie an der Asklepios Klinik St. Georg.

Leitmotiv mit Diskussionsbedarf

Unter dem Motto „Krebs & Fürsorge“  fand vom 9. bis zum 11. Februar 2023 der Asklepios Krebskongress in Hamburg statt – abermals als Hybrid-Veranstaltung. Warum der Leitgedanke für Diskussionen sorgte und welche Highlights die Teilnehmer:innen erwarten konnten – u.a. darüber spricht Kongresspräsidentin Prof. Dr. Carolin Tonus, Ärztliche Direktorin sowie Chefärztin Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Asklepios Klinik St. Georg, im Interview.

„Krebs ist ein emotionales Thema“

Bild: Mutter und Tochter

© iStock/962659624

Frau Prof. Tonus, Sie fungieren erstmals als Präsidentin des Asklepios Krebskongresses. Wie kam es dazu?

Glauben Sie mir, ich bin durchaus ausgelastet mit meinen Tätigkeiten und Funktionen und habe mich wahrlich nicht darum beworben. (lacht) Aber ich wurde gebeten, diese Rolle zu übernehmen, und solch ein Amt lehnt man natürlich nicht ab. Zumal mir der Kongress sehr am Herzen liegt.

Er steht unter dem Motto „Krebs und Fürsorge“. Damit rückt erstmals ein softes Thema in den Fokus...

Um das Kongressmotto gab es durchaus Diskussionen. Aber ich habe gesagt: Wenn ich die Veranstaltung repräsentiere, müssen Emotionen transportiert werden, denn Krebs ist genau das: ein emotionales Thema und eine trotz aller modernen Behandlungsmöglichkeiten existentielle Erkrankung sowie tiefe Zäsur im Leben der Betroffenen und ihres Umfelds. Insofern bin ich froh, dass wir uns – letztendlich gemeinsam – explizit für dieses Leitmotiv entschieden haben.

Was genau verstehen Sie unter Fürsorge?

Fürsorge ist meines Erachtens ein zentraler Bestandteil der Onkologie. Die Krebstherapie selbst basiert natürlich auf Studien und wissenschaftlichen Erkenntnissen – sie hat einen hochtechnologischen Anteil. Darüber hinaus ganz wichtig ist allerdings die menschliche Komponente: die Beziehung zwischen Arzt und Patient.

Können Sie das näher erläutern?

Die Diagnose Krebs geht bei den Betroffenen verständlicherweise mit vielen Ängsten und Unsicherheiten einher. Beim Erstkontakt nehme ich mir dementsprechend viel Zeit für die Patient:innen. Ich treffe sie in meinem Büro, einer bewusst wenig medizinischen Atmosphäre, und versuche zu erfühlen: Wer sitzt da eigentlich vor mir? Was ist der Person besonders wichtig? Natürlich profitiere ich dabei von meiner langjährigen Erfahrung. Wichtig ist, auf jede und jeden individuell eingehen zu können.

Fürsorge ist meines Erachtens ein zentraler Bestandteil der Onkologie

Prof. Dr. Carolin TonusÄrztliche Direktorin und Chefärztin Allgemein- und Viszeralchirurgie, Asklepios Klinik St. Georg

Es geht also zunächst um Vertrauensbildung?

Genau. Letztlich müssen die Patient:innen das Gefühl haben: „Da ist jemand, der kümmert sich. Hier bin ich gut aufgehoben.“ Auch das ist ein Teil von Fürsorge. Erst wenn ich diese Ebene erreicht habe, erkläre ich den Behandlungsverlauf – Schritt für Schritt. Dabei folge ich meiner grundlegenden Philosophie und Überzeugung: Arzt und Patient gehen die Schritte gemeinsam, ich stehe an der Seite meiner Patient:innen. Und zwar auf Augenhöhe. Das ist mein Verständnis von Medizin, meine Passion. Und ich bin fest überzeugt: Fürsorge muss vor, während und auch nach einer Behandlung bestehen. In der Onkologie geht es nicht nur um den chirurgischen Part, den ich sehr liebe. Es geht darum, ganzheitlich zu begleiten. Selbst, wenn ein fachfremdes Problem auftritt, bleiben meine Abteilung und ich erste Ansprechpartner.

Wird das Thema Fürsorge in der Medizin zu häufig aus den Augen verloren?

Definitiv. Der Fokus liegt häufig auf Studien, Leitlinien, technischen Innovationen und Behandlungsoptionen. Da bleibt die Menschlichkeit mitunter auf der Strecke. Doch gerade in der Onkologie müssen wir Körper und Seele eines Menschen gemeinsam betrachten. Das hat auch die Pandemie belegt. Besuchsverbote haben Patient:innen teilweise vereinsamen lassen. Wir Krankenhausmitarbeiter:innen waren häufig die einzigen direkten Ansprechpartner:innen in dieser Zeit, und Sie glauben gar nicht, wie wichtig es ist, nahbar zu sein, Mitgefühl zu zeigen und einer älteren Patientin beispielsweise auch mal kurz über die Wange zu streicheln. So etwas zaubert den Menschen ein Lächeln ins Gesicht, und ich bin fest davon überzeugt: Wer viel gibt, bekommt auch viel zurück!

Wie kann man Fürsorge stärker in die Behandlung integrieren?

Zunächst einmal: Jede oder jeder, die bzw. der das onkologische Fach wählt, sollte ein gewisses Maß an Empathie mitbringen und dazu in der Lage sein, Herz zu zeigen. Das ist keine Schwäche, sondern eine Stärke und eine maßgebliche Stütze für die Patient:innen. Abgesehen davon ist Onkologie natürlich Teamarbeit! Wir brauchen multiprofessionelle Teams in diesem Bereich. In St. Georg beispielsweise haben wir einmal pro Woche eine Teambesprechung, in der sämtliche Vertreter:innen unterschiedlicher Disziplinen zugegen sind: Ernährungsberater:innen, Seelsorge, Stomatherapeut:innen, onkologische Fachpflege, Sozialdienst, Krankenschwestern und -pfleger, Ärzteschaft – wir alle tauschen uns aus, unterstützen uns gegenseitig. Das ist wichtig – auch im Sinne der Patient:innen. Denn man erkennt schnell: Manche Betroffene vertrauen sich der Physiotherapeutin an, andere wiederum der Seelsorge oder der behandelnden Ärztin. Dies ist sehr individuell – und die interne Kommunikation deshalb umso wichtiger.

Wird dies auch Thema des Kongresses sein?

Unter anderem. Beim Kongress werden wir das Thema Fürsorge von allen Seiten aus beleuchten: Es wird um Fürsorge für die uns anvertrauten Patient:innen gehen. Um Fürsorge für deren soziales Umfeld, das wir ebenfalls informieren und begleiten müssen. Um Fürsorge für die Therapeut:innen aller Fachrichtungen – interdisziplinär und multiprofessionell –, denn Onkologie ist für alle Beteiligten mental herausfordernd. Und natürlich wird auch die Fürsorge der Gesundheitspolitik für Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen thematisiert werden. Im Zentrum steht die Frage: Wie viel ist Deutschland sein Gesundheitssystem wert? Sie sehen: Der Begriff Fürsorge umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte und ist von großer Relevanz.

Bild: Frau am Mikroskop

© iStock/1330728771

Welche Highlights erwarten die Kongress-Teilnehmer:innen außerdem?

Wissenschaftlich betrachtet steht die Molekulare Tumordiagnostik im Fokus, denn daraus ergibt sich eine individualisierte Krebstherapie – bis hin zu der Vision und Zielsetzung, gegen bestimmte Tumorerkrankungen impfen zu können. Ein weiteres Highlight ist die Keynote-Lecture von Prof. Charles Swanton, der eine internationale Kapazität auf dem Gebiet der Krebsforschung ist und auf Betreiben von Prof. Dr. Dirk Arnold, Medizinischer Vorstand des Asklepios Tumorzentrums Hamburg (ATZHH), für den Kongress gewonnen werden konnte. Und, wer mich kennt, weiß: Ich mag es bunt! Frau PD Dr. Georgia Schilling, Chefärztin onkologische Rehabilitation an der Asklepios Nordseeklinik auf Sylt, hat einen Tanzkurs im Rahmen des Patientenaktionstags organisiert, der das Programm wunderbar abrundet und auf ihre Studie zum Thema „Tanzen nach Darmkrebs“ verweist.

Apropos ATZHH: Welche Rolle spielt das Asklepios Tumorzentrum im Hinblick auf die Behandlung von Krebs? Welche Entwicklungspotenziale sehen Sie?

Mit seinen vielseitigen Angeboten, Einrichtungen und Spezialisierungen spielt das ATZHH definitiv in der Champions League der Tumormedizin, um es bildhaft zu formulieren. In Hamburg, wo Asklepios das größte Klinik-Cluster an einem Standort in Europa bietet, behandeln wir jede:n zweiten Erkrankte:n. Hinzu kommen Patient:innen aus dem Umland sowie aus überregionalen Gebieten. Die Vielzahl der Fälle und die damit verbundene hohe Qualität und Expertise in der Behandlung sind sicherlich die Schlüssel des Erfolgs. Hinzu kommt, dass das verschiedene Exzellenzzentren beinhaltende ATZHH angesichts zahlreicher Forschungsprojekte als Innovationsträger agiert und unter anderem auch im Bereich der modernen mRNA-Technologie forscht. Und: Mit der Asklepios Medical School (AMS) unter Leitung von Dr. Thorsten Thiel und dem Institut für Klinische Forschung (IKF) als Campus Hamburg der Semmelweis-Universität Budapest besitzen wir zusätzlich Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen, die ein Aushängeschild sind. Darauf können wir stolz sein. Richtig ist jedoch auch: Wir werden und müssen uns weiter spezialisieren, um auch in Zukunft auf allerhöchstem Niveau agieren zu können. Die Entwicklung ist längst nicht abgeschlossen.

Letzteres gilt auch im Hinblick auf die Bekämpfung von Krebs. Werden wir die Krankheit jemals besiegen können?

In den 50er-Jahren hat mein Großvater, der kein Mediziner war, stets gesagt: Im Jahr 2000 wird der Krebs heilbar sein. Dieses Ziel haben wir leider noch nicht pauschal erreicht. Aber: Die Zahl der Menschen, die an Krebs sterben, nimmt ab. Die Überlebenschancen steigen kontinuierlich. Erhebungen zufolge ist die Überlebensrate in den USA – alle Krebstypen inbegriffen – in den letzten Jahrzehnten von 50 auf 67 Prozent gestiegen. Ein Trend, der auch für Europa gilt. Wir sind noch nicht bei der Heilung angekommen, aber auf einem guten Weg dorthin.

Hier dürfte kurioserweise auch die Pandemie weiterhelfen: Die von Ihnen bereits angesprochene mRNA-Technologie verspricht mittelfristig Impfstoffe gegen Krebs.

In der Tat basieren die mRNA-Impfstoffe, die bei der Bekämpfung von Covid-19 zum Einsatz kommen, auf onkologischer Forschung. Das Prinzip wurde nun weltweit millionenfach angewandt. Und dadurch generieren wir natürlich Wissen und Weiterentwicklungspotenziale für den Einsatz in der Krebstherapie. Das ist das einzig Gute, das ich der Pandemie abgewinnen kann. Ich erhoffe mir, dass wir die Erkenntnisse als gezieltes individualisiertes Vorgehen in die Tumorbehandlung übertragen können. Ziel muss es letztlich immer sein, der richtigen Person zum richtigen Zeitpunkt die richtige Krebstherapie anzubieten. Daran arbeiten wir.

Frau Prof. Dr. Tonus, herzlichen Dank für das Gespräch.

Unsere Expertin

Kompetenz im Bereich Onkologie und Chirurgie

Bild: Prof. Dr. Tonus

© Asklepios Kliniken

Prof. Dr. Carolin Tonus
Ärztliche Direktorin und Chefärztin Allgemein- und Viszeralchirurgie, Asklepios Klinik St. Georg

Asklepios Krebskongress

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