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Krebs. mRNA. Impfstoff.
Während der Coronapandemie waren sie die Rettung: mRNA-Impfstoffe. Nun wird weiter an einem Impfstoff gegen Krebs gearbeitet.
Noch wird die neue mRNA-Technologie im Kampf gegen den Krebs getestet. Belastbare Ergebnisse werden in vier bis fünf Jahren erwartet. Doch wer weiß: Bei der Entwicklung des mRNA-gestützten Corona-Wirkstoffes ging es auch sehr viel schneller.
Die Technik soll eine bereits ausgebrochene Krebserkrankung eindämmen – oder sogar heilen. Ein ermutigendes Gespräch mit Professor Dr. Dirk Arnold, medizinischer Vorstand des Asklepios Tumorzentrums Hamburg.
Professor Dr. Dirk Arnold: Von der Zielsetzung her erst einmal nichts: Wie bei allen immuntherapeutischen Ansätzen geht es darum, das Immunsystem so zu stimulieren, dass es sich aus sich selbst heraus wehren kann. Entweder gegen einen Erreger von außen – zumeist Viren wie Grippe- oder Corona-Viren – oder von innen: ehemals gesunde Zellen, die zu Tumor-Zellen mutiert sind.
Ja! Weil sie so einzigartig sind. Bei der Virenschutz-Impfung haben Sie immer nur einen Gegner, einen Erreger, der sich nur langsam verändert, beispielsweise das Grippevirus. Ein einmal entwickelter Impfstoff kann über Monate bis Jahre hinweg und vor allem unterschiedslos für alle Patientinnen und Patienten eingesetzt werden. Tumore hingegen sind hochindividuell. Sie sind so einzigartig wie der Mensch, zu dem sie gehören. Jede Zelle, ob gesund oder krank, trägt das gesamte Erbgut des Menschen in sich, und viele Veränderungen daran können Krebs bedeuten. Wenn das Immunsystem in der Lage sein soll, diesen einzigartigen Krebs zu erkennen und zu bekämpfen, muss es exakt wissen, wer der Feind ist – und nicht nur so ungefähr. Sonst übersieht es ihn.
Bei der Schutzimpfung werden nicht lebende oder abgetötete Krankheitserreger injiziert. Das Immunsystem entwickelt daraufhin Abwehrmechanismen, die ihn künftig gegen reale Infektionen schützen. Die mRNA-Methode hingegen transportiert lediglich genetische Informationen. Und zwar über den Bauplan krankhaft veränderter Tumorzellen. Mit dieser Erbinformation ertüchtigen wir das Immunsystem, künftig Tumorzellen dieser Art zu erkennen. Wir erweitern also sein Wissen – und seine Fähigkeit, aus sich selbst heraus entsprechende Antikörper zu bilden. Mit dieser Erbinformation über das kranke Gewebe wird zugleich die Anleitung zu seiner Bekämpfung mitgeliefert: Es handelt sich quasi um einen Geheimcode, der aktiviert und als Antikörper materialisiert wird, sobald das Immunsystem eine neue Tumorzelle entdeckt.
Indem man den genetischen Bauplan der krankhaft veränderten Zellen analysiert. Dazu entnimmt man dem betroffenen Patienten, der betroffenen Patientin Tumorzellen und untersucht sie auf bestimmte Merkmale. Das sind sogenannte Neoantigene, die die Krebszelle von einer gesunden Zelle unterscheiden. Diese Neoantigene werden in eine mRNA übersetzt und dem Patienten als Impfung verabreicht. Und zwar ausschließlich diesem einen Menschen, aus dessen Tumorzellen die Information gewonnen wurde. Daher wird innerhalb weniger Tage für jeden Menschen ein personalisierter Impfstoff hergestellt. Dadurch ist das Potenzial dieser Technik unerschöpflich: Jeder Mensch erhält den Impfstoff, der auf die spezifischen biologischen Merkmale seiner Erkrankung zugeschnitten ist und sein Immunsystem lehrt, nur die Zellen anzugreifen, die erkrankt sind.
Das ist richtig. Die mRNA-Methode setzt ein gut funktionierendes Immunsystem voraus. Bei einer Krebserkrankung ist der Gleichgewichtsprozess zwischen Zellabbau und -aufbau außer Kontrolle geraten. Tumorzellen können sich immerfort teilen, sie wachsen in gesundes Gewebe hinein, wandern in andere Körperteile aus. Sie sind sehr erfinderisch, wenn es darum geht, im menschlichen Körper zu überleben: Sie tarnen sich, verstecken sich, geben sich als ungefährlich aus. Das Immunsystem muss in der Lage sein, mit der Wandlungsfähigkeit und Anpassungsgeschwindigkeit der Tumore Schritt zu halten und stark genug sein, krankes Gewebe zu bekämpfen.
Da wir zur Kenntnis der speziellen Erbinformation der Tumorzellen diese benötigen, eignet sich diese spezielle Impfung nur für Menschen, die aktuell an Krebs erkrankt sind. Eine weitere Patientengruppe sind diejenigen, die von einer Krebserkrankung scheinbar geheilt sind, bei denen aber die DNA der Tumorzellen in ihrem Blut noch nachweisbar ist. Das heißt: mRNA-Impfstoffe können heilend (kurativ) und im begrenzten Sinnen vorbeugend (präventiv) eingesetzt werden – bei Patientinnen und Patienten, bei denen ein hohes Risiko für ein Rezidiv besteht. Sie eignen sich nicht zum Schutz gesunder Menschen vor Krebs.
Der dreitägige Asklepios Krebskongress 2023 „Krebs und Fürsorge“ findet vom 09. bis 11. Februar 2023 im Georgie und den Räumlichkeiten der Asklepios Medical School, Standort Asklepios Klinik St. Georg („Georgie“), Lohmühlenstraße 5 / Haus W, 20099 Hamburg, statt. Der Kongress ist eine Hybridveranstaltung und die Onlineteilnahme ist ebenfalls möglich. Er wird alle zwei Jahre vom Asklepios Tumorzentrum Hamburg (ATZHH) veranstaltet, nationale und internationale Top-Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis nehmen teil.
>> Alle Informationen zum Asklepios Krebskongress
Eingebettet in den Kongress ist der Patientenaktionstag am Samstag, 11. Februar 2023 von 13:30 bis 17:00 Uhr, ebenfalls als Hybridveranstaltung. Alle Interessierten, betroffene Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen sind willkommen. Die Teilnahme ist kostenlos und auch online möglich, Anmeldungen unter aerzteakademie@asklepios.com
>> Alle Informationen zum Patientenaktionstag
>>Zur Onlineveranstaltung
Ja! Betroffene Krebspatientinnen und -patienten sollten zunächst mit ihrem behandelnden Arzt oder ihrer behandelnden Ärztin sprechen. Wenn sie die Voraussetzungen erfüllen, sollten sie sich an ein Tumorzentrum wenden, das die Wirkung des mRNA-basierten Impfstoffes auf ihre Krebserkrankung in einer klinischen Studie testet, also beispielsweise für das Krankheitsbild Schwarzer Hautkrebs, Brust- oder Lungenkrebs. Auskunft, welche Zenten an welchen Forschungen teilnehmen, erteilt das Deutsche Krebsforschungszentrum.
Die Studie läuft seit gut einem Jahr. Gemeinsam mit dem Biotechnologieunternehmen Biontech sowie weiteren Tumorzentren weltweit bieten wir allen Darmkrebs-Patientinnen und Patienten an, den Impfstoff zu testen. Voraussetzung ist, dass sie zu der Gruppe der Patientinnen und Patienten gehören, bei denen nach erfolgreicher Operation weiterhin Tumor-DNA im Blut nachgewiesen werden kann. Es liegen erste Ergebnisse vor, die darauf hindeuten, dass die Impfung gegen Krebs wirksam sein kann.
Dass er eine gut verträgliche, schonende, und auf den einzelnen Menschen zugeschnittene hoch wirksame Behandlung ermöglicht. Ein großer Vorteil der mRNA-Methode ist, dass der Wirkstoff so schnell produziert und flexibel auf die Erfordernisse des Patienten ausgerichtet werden kann. Jeder Patient, jede Patientin erhält einen einzigartigen Wirkstoff, der auf den Bauplänen ihrer jeweils spezifischen Krebserkrankung basiert. Darüber hinaus hoffe ich, dass die Behandlungen ähnlich nachhaltig wirken wie Schutzimpfungen, die zum Teil nur alle zehn Jahre aufgefrischt werden müssen. Dann würde das Immunsystem wiederkehrende Krebszellen einfach abtöten, ohne dass der betroffene Mensch etwas davon merkt – das wäre ein wahrer Durchbruch in der Krebstherapie.
Kompetenz im Bereich Hämatologie und internistische Onkologie, Innere Medizin, Zusatzbezeichnung Palliativmedizin