Asklepios Klinik Wandsbek
Neurologie
Alphonsstraße 14
22043 Hamburg
Schädel-Hirn-Traumata. Fahrradhelm.
Fahrradhelme retten Leben – trotzdem cruisen drei von vier Radfahrern und Radfahrerinnen ohne Schutz durch die Gegend. Professor Lars Marquardt, Chefarzt für Neurologie, appelliert eindringlich an unseren Verstand – so lange wir ihn noch haben!
Eindeutig ja! Studien belegen, dass der Fahrradhelm das Risiko einer schweren Kopfverletzung um bis zu 75 Prozent reduziert. Mehr als die Hälfte aller Opfer von Verkehrsunfällen werden am Kopf verletzt: Ohne Helm erleiden drei von vier betroffenen Personen ein Schädel-Hirn-Trauma. Mit Helm nur eine.
Trotzdem tun sich Fahrradfahrer schwer. Die einen fürchten um ihre Frisur, die anderen, dass der Helm sie zu übermütigen Fahrmanövern verleiten könnte. Argumente, die Professor Dr. Dr. Lars Marquardt, Notfallmediziner, Chefarzt für Neurologie und Neurogeriatrie an der Asklepios Klinik Wandsbek, allesamt für Unsinn und vor dem Hintergrund seiner täglichen Erfahrungen für grob fahrlässig hält.
Als passionierter Radfahrer und Vater von vier schulpflichtigen Kindern hat Professor Lars Marquardt zur Helmpflicht eine eindeutige Meinung: „Wer mit dem Zweirad am Straßenverkehr teilnimmt, zieht einen Helm auf. Punkt“, so der Chefarzt an der Hamburger Asklepios Klinik Wandsbek. „Je schneller das Gefährt – E-Bike, E-Scooter, Rennrad, Pedelec – desto überlebensnotwendiger der Fahrradhelm.“ Geschwindigkeit potenziere die Aufprallstärke: „Je stärker die Kräfte, die auf den Kopf einwirken, desto gefährdeter ist das darin eingebettete Gehirn“, so der gebürtige Hammenser aus dem Ruhrpott. „Es ist das komplizierteste Organ, das die Natur je hervorgebracht hat. Und das empfindlichste: Wird es schwer verletzt, kann aus einem kerngesunden Menschen innerhalb von Sekunden ein auf Hilfe angewiesener Kranker werden, der seine geistigen und körperlichen Fähigkeiten nie wieder erlangt. Will das jemand? Nein!“
Auslöser eines Schädel-Hirn Traumas ist immer eine äußere Gewalteinwirkung, meist infolge eines Unfalls: ein Schlag auf den Kopf, ein schwerer Sturz oder Aufprall. „Wir unterscheiden drei unterschiedlich schwere Arten: die Gehirnerschütterung, die -prellung und die -quetschung“, erklärt Professor Marquardt. „Die Bezeichnungen sind sprechend: Sie beschreiben, was im Kopf eines Patienten oder einer Patientin passiert.“ Am häufigsten und harmlosesten sei die Gehirnerschütterung, auch als Schädel-Hirn-Trauma Grad I bezeichnet. Die Symptome sind leicht, es bleiben keine Langzeitschäden zurück. „Man fühlt sich kurz benommen, leidet eventuell unter Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Das geht von alleine wieder weg: Erwachsene sollten sich schonen, gegen die Kopfschmerzen und die Übelkeit helfen Medikamente. Eine Beobachtung für 24 Stunden in der Klinik sollte erfolgen. Bei Kindern ist das besonders wichtig, da sie sich noch nicht spezifisch genug äußern können.“
Im Gegensatz dazu sind die Diagnosen „Prellung Grad II“ und „Quetschung Grad III“ schwerwiegend: Zellen und Nerven sind in der Regel geschädigt oder abgestorben. Es kommt zu Blutungen, Wasser lagert sich im Gehirn ein. Hirnschwellungen (Hirnödeme) üben Druck auf das Gehirn aus, schädigen weitere Areale. Der Schädelknochen kann gebrochen sein und das von ihm geschützte, darunter liegende weiche Gehirngewebe verletzen.
Für die Prognose gilt als grobe Faustregel: Je länger die Bewusstlosigkeit anhält und je älter der Betroffene ist, desto ungünstiger ist der Krankheitsverlauf. Der Schweregrad des Traumas (Grad I bis III) wird auch mit der Glasgow-Koma-Skalaermittelt: Dabei werden drei Bewusstseinsreaktionen – Augen öffnen, sprechen, Gliedmaßen bewegen – getestet und bewertet. Der geringste Wert beträgt drei, der höchste fünfzehn Punkte. Menschen, die auf nichts mehr reagieren, erreichen die untere Punktzahl.
Welche gesundheitlichen Beschwerden ein Schädel-Hirn-Traumas nach sich zieht, hängt von der Schwere der Verletzung und der geschädigten Region ab. Unser Gehirn arbeitet arbeitsteilig: Unterschiedliche Areale sind für unterschiedliche Aufgaben zuständig. So speichert etwa das Frontalhirn hinter der Stirn unsere Erinnerungen. Das Sprachzentrum sitzt seitlich, das Zentrum für Feinmotorik hinten am Kopf im Kleinhirn. „Je nachdem, welches Areal geschädigt wird, kann es – wie bei einem Schlagfanfall – zu schweren Behinderungen kommen: halbseitige Lähmungen, Einschränkung der kognitiven und verbalen Fähigkeiten, Gedächtnisverlust“, erklärt Professor Lars Marquardt. Viele Patientinnen und Patienten erwachen gar nicht mehr aus ihrer Bewusstlosigkeit, andere sterben. „Das Schädel-Hirn-Trauma ist in Deutschland die häufigste Todesursache vor dem 45. Lebensjahr.“
Plötzliche Stürze können wir unter Umständen noch instinktiv mit unseren Händen abfedern, vor plötzlichen Schlägen auf den Kopf kann uns nur der Helm wirksam schützen.
Umso wichtiger ist der Fahrradhelm! „Fahrradunfälle sind entweder Kollisionen mit einer Person, einem Auto, dem Straßenmobiliar wie Poller, Laternen, Geländer oder Stürze mit einem Aufprall auf dem Asphalt“, konstatiert Professor Marquardt. „Plötzliche Stürze können wir unter Umständen noch instinktiv mit unseren Händen abfedern, vor plötzlichen Schlägen auf den Kopf kann uns nur der Helm wirksam schützen.“ Der sei im Grunde nichts anderes als eine persönliche Schutzausrüstung, die dem Gefahrenpotenzial der Tätigkeit – Fahrradfahren im zunehmend dichter werdenden Straßenverkehr – angemessen ist. „Solche Schutzmaßnahmen werden ja auch sonst nicht großartig diskutiert“, wundert sich der 47-Jährige. „Beim Klettern etwa. Oder Skifahren. Reiten. Motorradfahren! Nur die Fahrradfahrer tun sich schwer.“ Warum eigentlich?
„Ein immer wiederkehrendes Argument ist die Eitelkeit“, weiß Professor Marquardt aus Gesprächen mit seinem Umfeld. „‘Der Helm zerstört meine Frisur!‘“ Andere behaupten, die Helmpflicht schrecke potenzielle Fahrradfahrer ab. Oder verleite dazu, besonders rasant zu fahren. Viele überschätzen sich nach dem Motto: ‚Mir passiert schon nichts! Ich passe auf mich auf.‘ „Alles Quatsch“, tadelt Professor Marquardt. „Neben Fußgängern sind Radfahrer die schwächsten Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr. Sie rennen und fahren selten jemanden um, sie werden angefahren und in Unfälle verwickelt. Das Fahrverhalten der anderen, insbesondere der Autofahrer, ist, was sie gefährdet.“ Er sei immer wieder fassungslos, wie leichtsinnig mit dem Unfallrisiko umgegangen wird. „Es ist einfach erwiesen, dass der Helm einen unfassbar großen Effekt darauf hat, ob ich eine leichte oder schwere Kopfverletzung davontrage. Er macht Unfälle nicht unwahrscheinlicher, aber schwerwiegende Verletzungen überlebbarer.“
Allen, die keinen Fahrradhelm aufsetzen, müsse klar sein: „Unfälle zerstören Leben. Nicht nur das eigene, auch das der Angehörigen und Liebsten. Menschen sterben daran oder sind für immer auf Pflege angewiesen. Jeder kann sich ausmalen, was das für ihn, seine Familie, berufliche Tätigkeit bedeutet. Wer keinen Helm trägt, handelt egoistisch.“ Am Ende entscheide ein Stück Hartschaumstoff über das verbleibende Maß an Lebensqualität.
Weil es mit der Freiwilligkeit nicht so richtig klappt, spricht sich der leidenschaftliche Neurologe für eine Helmpflicht aus. Die aktuelle Debatte um das Für und Wider erinnert ihn an die aus heutiger Sicht absurde Diskussion um die Gurtpflicht in PKW: Die wurde 1976 eingeführt – und da ständig gegen sie verstoßen wurde, ab 1984 mit Bußgeldern in Höhe von 40 D-Mark durchgesetzt. Auch damals wurden aufgeregte, zum Teil irrationale Argumente ausgetauscht: Es ging um individuelle Freiheit und staatliche Bevormundung, um kühnes Fahrverhalten und lästiges Vernünftigsein. Befürworterinnen und Befürworter der Gurtpflicht galten als spießig und missionarisch, Verweigerinnen und Verweigerer als verantwortungslos und arrogant. Klingt alles sehr vertraut.
Menschen sterben daran oder sind für immer auf Pflege angewiesen. Jeder kann sich ausmalen, was das für ihn, seine Familie, berufliche Tätigkeit bedeutet. Wer keinen Helm trägt, handelt egoistisch.
„Heute stellt niemand mehr die Anschnallpflicht in Frage“, resümiert Professor Lars Marquardt. „Das Verhalten ist automatisiert: Beim Einsteigen greifen wir automatisch zum Gurt. Das ist so selbstverständlich wie das Auto zu starten.“ Genau dieses Verhalten wünscht er sich für alle Zweiradfahrer: dass ihnen auf dem unbehelmten Kopf was fehlt, und dieses Gefühl so lange stört, bis er eben behelmt ist. Erwachsene sollen mit gutem Beispiel vorangehen, suboptimal sei, wenn zwar das dreijährige Kind einen Helm trage, die Eltern aber nicht. Und: „Bitte setzt den Helm richtig auf: Fest muss er sitzen, gerade muss er sitzen, der Klemmverschluss unter dem Kinn straffgezogen sein. Was nutzt ein Helm, der beim Aufprall vom Kopf fliegt? Nichts!“
Er selbst fahre häufig mit dem Rad zur Arbeit: Dreizehn Kilometer seien das vom Hamburger Zuhause in Volksdorf bis zur Klinik in Wandsbek. „Selbstverständlich habe ich dabei immer einen Fahrradhelm auf! Und zwar einen besonders schönen. Den haben meine Kinder mir ausgesucht: mit Palmen und Surfbrettern drauf.“
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