Handball-Nationalmannschaft – Ehre und Extrabelastung
Handball-Nationalmannschaft – Ehre und Extrabelastung
- Autor:in
- Janina Darm & Prof. Dr. Michael Hoffmann
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Durchatmen für die HSV-Handballer: Vom 11. bis zum 29. Januar findet in Polen und Schweden die Handball-Weltmeisterschaft statt – mit Ausnahme des Niederländers Dani Baijens ohne Beteiligung der Hamburger Akteure. Für den HSVH sicherlich kein Nachteil.
Es ist zweifelsohne ein straffes Pensum: Die deutsche Handball-Nationalmannschaft von Trainer Alfred Gislason bestreitet in der Gruppenphase der Weltmeisterschaft ab dem 13. Januar zunächst alle zwei Tage ein Spiel. Gegen Katar (13.1., live im ZDF), Serbien (15.1., live in der ARD) und Algerien (17.1., live im ZDF) werden Höchstleistungen erwartet, damit sich das Team sicher für die Hauptrunde qualifiziert, in der drei weitere Duelle anstehen. Insgesamt 32 Mannschaften kämpfen um den WM-Titel, ganze 112 Spiele stehen auf dem Programm.
Wer eine Partie der Handball-Bundesliga oder eines internationalen Wettbewerbs einmal live und aus nächster Nähe gesehen hat, kann erahnen, welch körperliche Belastung die Spitzensportler im Rahmen der WM erwartet. Handball ist ein Vollkontaktsport, der den gesamten Organismus fordert und bei dem es über die gesamte Spielzeit von 60 Minuten kaum Verschnaufpausen gibt. Aus der Presse kennen wir Berichte zum Thema der prophylaktischen Schmerzmitteleinnahme, um die hohen Dauerbelastungen an den Körper zu kompensieren. Es sind alarmierende Hinweise. Und als Sportmediziner kann ich bestätigen: Zusatzwettbewerbe wie Europa- und Weltmeisterschaften, Pokal- sowie Champions-League-Spiele bringen viele Bundesliga-Profis an den Rand ihrer Kräfte und erhöhen signifikant das Verletzungsrisiko. Der Grund: Den Athleth:innen fehlt schlichtweg die Zeit zur Regeneration.
Wundermittel gibt es nicht
In der Vergangenheit hatten wir des Öfteren Spitzensportler:innen, auch aus der Handball-Bundesliga, in unserer Klinik in St. Georg zu Gast, die sich mit Überlastungsschäden bei uns vorgestellt haben. Als Mediziner:innen geben wir unter Berücksichtigung der Anti-Doping-Vorgaben von NADA und WADA dann unser Möglichstes, um die Athlet:innen aufzupäppeln – etwa durch die Gabe entzündungshemmender Schmerzmittel oder mithilfe von Spitzen, die Blutbestandteile enthalten und die Regeneration des Körpers fördern. Es sind minimal kurative Maßnahmen. Doch der vermehrte Verschleiß und die belastungsinduzierte Verletzungsgefahr bleiben – Dinge, die man medizinisch nicht regulieren und auffangen kann.
HSVH-Keeper Johannes Bitter hat schon vor über zehn Jahren auf dieses Problem hingewiesen und 2010 die Spielerorganisation GOAL Deutschland e.V. mitgegründet. Das erklärte Ziel des Vereins: mehr Mitbestimmung bei der Spielplangestaltung. Etwas, über das ich bereits häufig mit Bitter gesprochen habe – das jedoch leider nur in Ansätzen erfolgreich war. Immerhin: All-Star-Games gehören inzwischen der Vergangenheit an. Doch eine echte Entzerrung der Wettbewerbe gab und gibt es nicht.
Gemischte Gefühle
Insofern blickt der HSVH sicherlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge in Richtung Weltmeisterschaft. Bis auf den Niederländer Dani Baijens ist kein Spieler aus den eigenen Reihen für die Nationalteams nominiert. Schade für die Fans, die in besonderer Weise mit Kader-Athleten mitfiebern. Doch das Ganze hat auch etwas Poritives: Dem HSVH bleibt eine Vielzahl ausgelaugter Spieler erspart, die zwangsläufig kaum an das Leistungsniveau anknüpfen können, das sie vor dem Wettbewerb hatten und die Mehrbelastung bestmöglich kompensieren müssen – physisch wie mental.
Nichtsdestoweniger: Eine Weltmeisterschaft, ganz gleich in welcher Disziplin, ist magisch – und ein Einsatz als Athlet:in eine ganz besondere Ehre. Und sie wird die Handballprofis auch dieses Mal dazu bringen, Kräfte zu mobilisieren, die überirdisch erscheinen. Auch das ist das Faszinierende an dieser Sportart und ihren Topathlet:innen, vor denen ich einmal mehr meinen Hut ziehe.
Herzlichst Ihr