Kreuzbandverletzung – muss ich wirklich unters Messer?

Kreuzbandverletzung – muss ich wirklich unters Messer?

Autor:inJanina Darm & Prof. Dr. Michael Hoffmann
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Diese Frage stellen sich viele Betroffene. Die Antwort ist sehr individuell. Wann eine Operation angezeigt ist und worauf man achten sollte – hier erfahren Sie wertvolle Details.

Nicht jede Kreuzbandverletzung muss operiert werden.

Es ist schon etwas kurios. Bis dato gibt es keine einzige Studie, die belegt, dass Patient:innen, deren vorderes Kreuzband gerissen ist, vom Einsetzen einer Kreuzband-Plastik profitieren. Das heißt nicht, dass alle Operationen nutzlos sind. Doch es bedeutet: Als Ärztin oder Arzt muss man sehr genau schauen, ob eine OP tatsächlich indiziert ist und stets individuell auf Betroffene eingehen. 

Im Volksmund wird gern behauptet: Lässt man einen Kreuzbandriss nicht operieren, führt dies zu einer Knieinstabilität und daraus resultierend zu einer frühen Arthrose, die die Bewegung weiter einschränkt. Ich kann Ihnen allerdings versichern: Dieses Szenario ist eher die Ausnahme als die Regel. 

Coper und Non-Coper

Als behandelnde Ärztinnen und Ärzte unterscheiden wir zunächst einmal zwei verschiedene Gruppen von Betroffenen: sogenannte „Coper“ (vom Englischen to cope with: mit etwas umgehen/zurechtkommen) und die sogenannten „Non-Coper“. Ziehen sich Freizeitsportler:innen oder normal aktive Menschen einen Kreuzbandriss zu, bestellen wir sie in der Regel sechs bis acht Wochen nach der Verletzung wieder in die Praxis und erheben den Status quo. Sogenannte Coper berichten dann, dass sie keinerlei Instabilitätsgefühl haben und prinzipiell alle Bewegungen (Treppensteigen etc.) durchführen können – sie kommen mit der Verletzung zurecht. Unter diesen Voraussetzungen ist keine Operation nötig. Der Grund: Die Muskulatur der Coper ist stark genug, um die Kreuzbandverletzung zu kompensieren, und das Knie funktioniert prinzipiell auch ohne Kreuzband. Das Resultat: Die Verletzung wird konservativ behandelt, zudem besteht kein erhöhtes Arthroserisiko. 

Non-Coper hingegen berichten in der Regel davon, zwar keine Schmerzen, aber ein Gefühl der Instabilität zu haben. Sie neigen dazu, Kollateralschäden zu entwickeln – etwa in Form von Meniskusrissen und/oder Knorpelschäden, da sich ihr Knie stärker bewegt und von der Muskulatur unzureichend gestützt wird. Knorpelschäden wiederum führen mittelfristig zu Arthrose. In diesen Fällen würde man sehr wahrscheinlich operieren. Dennoch ist es wichtig, genau zu prüfen, ob eine Operation tatsächlich angezeigt ist. Denn wie erwähnt: Belege für einen positiven Effekt von Kreuzband-Plastiken bei Mono-Verletzungen gibt es nicht. 

Schwere Entscheidung für Leistungssportler:innen

Bei Profisportler:innen ist die Lage etwas anders. Viele haben keine Zeit für eine sechs- bis achtwöchige Pause, um einen Status quo zu erheben und eine Entwicklung der Kreuzbandverletzung abzuwarten. Insbesondere, wenn dann doch die Entscheidung für eine OP fällt, werten viele die Zwangspause als „verlorene Zeit“. Hinzu kommt, dass die Rate der sogenannten Non-Coper bei Leistungssportler:innen im Vergleich zu Breitensportler:innen und „normalen“ Menschen deutlich höher ist. Gemeinsam mit der Ärztin bzw. dem Arzt werden dementsprechend Für und Wider einer OP besprochen – häufig mit dem Ergebnis, dass kurz nach der Verletzung operiert wird. 

Letzteres gilt in jedem Fall, sofern Kreuzbandverletzungen gemeinsam mit OP-relevanten Begleitverletzungen wie beispielsweise einem Korbhenkelriss im Meniskus auftreten. In diesem Fall würde man das Kreuzband direkt mitoperieren, um zwei separate Operationen zu vermeiden.

Sie sehen: Das Thema ist komplex – und eine Operation nicht immer notwendig. Besprechen Sie Kreuzbandverletzungen deshalb ausführlich mit Ihrer behandelnden Ärztin bzw. Ihrem behandelnden Arzt und achten Sie auf Ihren Körper und das Gefühl der Stabilität bzw. Instabilität. Es ist entscheidend für den Behandlungsweg. 

Herzlichst Ihr 

Michael Hoffmann

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