Faszination Handball

Faszination Handball – wenn David Goliath schlägt

Autor:inJanina Darm & Prof. Dr. Michael Hoffmann
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Sport hat immer wieder eine fesselnde Wirkung auf mich. Das gilt insbesondere auch für Handball, eine Mannschaftssportart, die es wie kaum eine andere versteht, die Energie, mit der die Aktiven auf dem Spielfeld agieren, direkt und unmittelbar auf das Publikum zu übertragen. All jene, die am Sonntag beim Duell des HSV Hamburg (HSVH) gegen die favorisierten Rhein-Neckar-Löwen dabei waren, wissen, wovon ich rede…

Bild: HSVH-Spiel

© HSVH/Thore Huter

HSVH-Rechtsaußen Frederik Bo Andersen (r.) in Aktion gegen die Rhein-Neckar Löwen.

Auf dem Papier war die Bundesliga-Partie des 10. Spieltags eine relativ klare Angelegenheit. Der Tabellendritte, die traditionell starken und auf europäischer Ebene erfahrenen Rhein-Neckar Löwen, gastierte beim Tabellenneunten, dem stets engagierten, im Hinblick auf den Kader allerdings unterlegenen HSVH. Wieder einmal hieß es „David gegen Goliath“. Doch das Schöne am Handball ist: Diese Konstellation ist kein Garant für einen Favoritensieg. Und so war es auch beim Duell am Sonntag. 

Sensation in Reichweite

Schon früh spürten die Zuschauer und auch wir Betreuer:innen: Hier liegt eine ganz besondere Spannung in der Luft. Der HSVH präsentierte sich extrem motiviert, trat den physisch beeindruckenden Löwen mit großem Selbstbewusstsein entgegen. Die Mannschaft von Trainer Torsten Jansen kam hervorragend in die Partie, ging vor heimischem Publikum in den ersten Minuten mit 3:0 in Führung. Ein Einstand nach Maß, der die 5702 Fans in der Halle tosend jubeln ließ – und ein Weckruf für die etwas müde wirkenden Löwen. Das Team von Trainer Sebastian Hinze fand schließlich besser ins Spiel, erzielte beim Stand von 7:7 erstmals den Ausgleich und ging wenig später mit 9:8 in Führung. Man hätte annehmen können, dies sei der Moment, ab welchem die favorisierten Löwen ihre Dominanz zeigen und den HSVH in seine Schranken weisen. Doch es kam anders: Die restlichen Minuten der ersten Hälfte blieben ein Duell auf Augenhöhe. Es war ein Hin und Her, dynamisch, schnell, gespickt von tollen Paraden von HSVH-Keeper Johannes Bitter, brillanten Kreis-Anspielen von Rhein-Neckar-Spielmacher Juri Knorr und einem stets fairen Kampf der Kontrahenten. 

Fairplay ist Trumpf

Apropos: Fairness, das wurde in dem Duell einmal mehr deutlich, wird im Handballsport besonders großgeschrieben. Da wird eine Rangelei zwischen HSVH-Kapitän Niklas Weller und Nationalspieler Jannik Kohlbacher mit einem breiten Lächeln der Duellanten und dem anschließenden Handshake quittiert. Eine übereifrige, den Emotionen geschuldete Beschwerde von Keeper Johannes Bitter fängt dieser eigenständig wieder ein, entschuldigt sich bei den Schiedsrichtern. Und ein nach einem Foul am Boden liegender Juri Knorr wird mithilfe der HSVH-Akteure wiederaufgerichtet. Es sind diese kleinen Gesten, die respektvollen Blicke zwischen den Spielern, die Begrüßung im gemeinsamen Mannschaftskreis kurz vor dem Anpfiff der Partie und die faire Gratulation danach, die beweisen: Handball liebt und lebt Fairplay! Auch das macht diese Sportart so reizvoll und besonders. 

Geschockte Löwen

Doch das heißt nicht, dass nicht auch mit harten Bandagen gekämpft wird. Handball ist und bleibt ein körperbetonter Sport. Eine Disziplin, bei der sich die Akteure nichts schenken und bis zur letzten Minute kämpfen. So war es auch am Sonntag, als die Hamburger die Partie in den letzten Minuten vor der Pause zu ihren Gunsten drehten: 21:18 lautete der Halbzeitstand – ein beachtliches Ergebnis, das für die zweite Hälfte jede Menge Spannung versprach. Und die Aktiven wurden der Erwartung gerecht. Mehr noch: Sie übertrafen sie sogar. Die Hamburger demonstrierten eine Spielraffinesse, die man gegen den Titelaspiranten Rhein-Neckar so nicht erwarten konnte. Kempa-Tricks und Tore aus schier unmöglichen Winkeln brachten die Hamburger beim Spielstand von 27:21 sogar erstmals mit sechs Toren in Führung. Die Löwen: ungläubig und geschockt. Die Halle: am beben – Standing Ovations und La Ola inklusive. Der HSVH: euphorisch, aber fokussiert – und gewillt die in der Luft der Barclays Arena liegende Sensation Realität werden zu lassen. 

Und tatsächlich: Der Mannschaft von Trainer Torsten Jansen gelang, was vor Anpfiff der Partie kaum jemand vermutet hätte. Der HSVH bezwang die Löwen 40:37. Ein besonderer, ein berauschender Moment, dem sich niemand in der Halle entziehen konnte – und den auch die Rhein-Neckar Löwen mit aufrichtiger Gratulation honorierten. 

Ein packender Sport

Es war die allerbeste Werbung für den Handballballsport. Und der Beweis: Diese Disziplin ist mitreißend, emotional und dadurch geprägt, dass ein Spiel – fast bis zum Schluss – jederzeit kippen und der Underdog den haushohen Favoriten bezwingen kann. Auch deshalb bin ich froh, diese Sportart und das Team des HSVH in dieser Saison als Mannschaftsarzt begleiten und den Zauber der Disziplin live miterleben zu dürfen. Unser medizinisches Können ist – zum Glück – meist erst nach den Duellen gefragt. Doch wie heißt es im Sport so schön: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.  

Herzlichst Ihr

Michael Hoffmann

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