Die letzte Reise der Sternenkinder
Ehrenamt. Engagement.
Die letzte Reise der Sternenkinder
Manche Babys müssen die Erde bereits nach kurzer Zeit wieder verlassen, oder erblicken sogar nie das Licht der Welt. Für sie und gegen das Vergessen setzt sich ein ehrenamtliches Team ein.
Wenn Leben enden, bevor sie begonnen haben
In der Asklepios Klinik Hamburg Altona engagiert sich ein Team um Chefarztsekretärin Sanja Paunov und Nicole Stapelfeldt, Gesundheits-und Krankenpflegerin Anästhesie, ehrenamtlich für Früh- und Neugeborene, aber auch für all jene Babys, die unsere Erde kurz vor, während oder nach der Geburt wieder verlassen müssen: die Sternenkinder.
Sanja Paunovs Büro steckt voller Erinnerungen. Unzählige Fotos hängen an der Wand vor ihrem Schreibtisch. Bilder von winzigen Neugeborenen, die mit großen Augen in die Kamera blicken. Karten von überglücklichen Familien, die Dankesworte und herzliche Grüße hinterlassen haben. Es ist ein Meer aus Wärme und Wohlgefühl, das einem entgegenströmt, wenn man auf diese Wand blickt.
Auf der gegenüberliegenden Seite findet man ebenfalls Fotos. Es sind weitaus weniger, einige sind gerahmt, neben ihnen steht eine kleine LED-Kerze samt Kunstblumen, in welche etwas Engelshaar-Deko eingewoben ist. „Hier habe ich meine kleinen Sternenkinder versammelt“, sagt Paunov, Chefarztsekretärin an der Frauenklinik – Geburtshilfe mit Perinatalzentrum Level 1 an der Asklepios Klinik Altona. „Sie gehören genauso zu diesem Haus wie die anderen kleinen Mäuschen, die die Klinik gesund verlassen – doch das wird in der Gesellschaft häufig verdrängt.“
Das Wunder der Geburt sei in der Bevölkerung stets mit Freude und purem Glückassoziiert. „Das ist auch richtig und wichtig“, sagt Paunov. „Der Moment, in dem man sein eigenes Kind in den Armen hält, ist einzigartig und man spürt sofort diese tiefe Verbundenheit und weiß: Ich werde alles für dieses Kind tun und es niemals im Stich lassen“, so die zweifache Mutter. Doch es gebe eben auch Schwangerschaften und Geburten, die anders verliefen. Momente, in denen die Herzen der Un- und Neugeborenen urplötzlich aufhören zu schlagenoder unheilbare Krankheiten diagnostiziert werden und das neue Leben endet, bevor es richtig begonnen hat. „Diese Kinder hinterlassen Spuren bei uns allen – und das, ohne dass sie ein einziges Mal den Boden dieser Welt berühren“, sagt Sanja Paunov und hält einen Moment lang inne. Die 45-Jährige hat bereits zahlreiche Sternenkinder und ihre Familien begleitet. War da in schweren Stunden, tröstete, hielt unheilbar kranke Babys in ihren Armen, wenn die Eltern keine Kraft mehr dazu hatten. „Jedes Kind ist einzigartig und etwas ganz Besonderes“, sagt Paunov, „und es ist wichtig, die Kleinen bis zum Schluss liebevoll zu begleiten und ihnen trotz der Trauer in Liebe und Dankbarkeit einen schönen Abschied zu bereiten. Davon bin ich und sind wir alle hier im Team tief überzeugt.“
Kleidchen und Decken für die letzte Reise
Seit rund vier Jahren organisiert und koordiniert die Chefarztsekretärin ehrenamtlich ein wohl einzigartiges Projekt: Mit Unterstützung von engagierten Kolleg:innen wie Gesundheits- und Krankenpflegerin und Nähtalent Nicole Stapelfeldt sowie externen Vereinen und Gruppen wie den „Strick-Omis“ aus Harburg, werden für die Sternenkinder Kleidung, Mützchen, Decken sowie kleine Strick- und Stofftiere hergestellt, die die verstorbenen Kinder auf ihrer letzten Reise begleiten. „Es ist die einzige Kleidung, die sie jemals tragen werden“, sagt Sanja Paunov, „und wir erleben, wie dankbar die Eltern und Angehörigen für unsere Unterstützung auf diesem Gebiet sind – auch weil sie selbst häufig neben sich stehen und nicht in der Lage sind, entsprechende Vorbereitungen zu treffen.“
Diese liebevolle Zuwendung ist zweifelsohne etwas Besonderes und keine Selbstverständlichkeit. „Wir verbringen viele Stunden unserer Freizeit damit, Stoff- und Wollspenden zu sammeln, die Stücke zu nähen und das Projekt zu koordinieren“, berichtet Paunov. Doch das sei das Mindeste, was man für die verstorbenen Babys und ihre Familien tun könne.
„Der Tod darf nicht umsonst sein“
Angesprochen auf ihre Motivation lächelt die 45-Jährige sanft. „Ich bin einfach dankbar für alles und möchte ein Stück weit etwas zurückgeben“, sagt die gebürtige Hamburgerin mit kroatischen Wurzeln. Sie lebe wahnsinnig gern, freue sich über jeden neuen Morgen. Sicher – auch sie habe manchmal schlechte Tage. „Doch an jedem noch so schlechten Tag gibt es etwas, das schön ist – das darf man nie vergessen.“ Trotzdem stellt sich die Frage, woher sie die Kraft nimmt, für alles und jeden – auch nach Dienstschluss – ein offenes Ohr zu haben. Ein sterbendes Baby zu halten, wenn die Eltern dies nicht können. „Ich weiß es nicht“, sagt Paunov, „ich habe einfach das Gefühl: Das ist meine Aufgabe. Es ist wie ein innerer Antrieb: Menschen sind für mich ganz wichtig. Und, ja, auch ich weine manchmal. Jeder Verlust prägt. Doch ich sage immer: Der Tod eines Menschen darf nicht umsonst sein. Manchmal ruft er uns einfach nur ins Gedächtnis, wie kurz das Leben sein kann. Umso mehr lernt man, jeden einzelnen Tag und jede Begegnung zu schätzen.“
Schluss mit dem Schweigen
Sanja Paunov und ihre Kolleg:innen versuchen so gut es geht, das Tabuthema Tod aus der dunklen Ecke des gesellschaftlichen Schweigens herauszuholen und dafür zu sensibilisieren, dass der Verlust nichts ist, wofür man sich schämen oder was man verstecken muss. Wie zum Beweis trägt Paunov an ihrem Asklepios-Schlüsselband einen kleinen Schutzengel aus Metall. „Er steht für all die Sternenkinder, die wir hier in unserem Haus kennenlernen durften“, sagt sie. Auf die Hülle ihres Mitarbeiterausweises hat Paunov derweil ein paar blaue und rote Fußabdruck- Sticker geklebt. „Sie symbolisieren die gesunden Neugeborenen, die uns durch diese Welt begleiten. Auf diese Weise trage ich alle Kinder bei mir.“ Es ist eine Perspektive, die die Arbeit und das Handeln der Mitarbeiter:innen in der Frauenklinik in Altona nachhaltig prägt. Hier reichen sich Glück und Freude, Trauer, Abschied und Dankbarkeit die Hand. „All das gehört nun einmal zum Leben dazu“, sagt Sanja Paunov. Und doch ist das liebevolle Engagement des Klinikteams ganz gewiss etwas Besonderes.
Stoff- und Wollspenden gesucht
Das Engagement des Teams aus Altona endet nicht mit dem besonderen Einsatz für die Sternenkinder des Hauses: Es werden auch Mützchen für Früh- und Neugeborene kreiert und verteilt. Seit Kurzem arbeitet die Frauenklinik zudem mit dem ehrenamtlichen Verein „Onko-Mützen“ aus Chemnitz zusammen, der Mützen für Onkologie-Patient:innen herstellt. Vor diesem Hintergrund freut sich das Klinikteam auch weiterhin über Stoff- und Wollspenden.
Unsere Expertin
Engagement für die Kleinsten
Woll- und Stoffspenden Gesucht
Haben auch Sie Woll- und Stoffreste, die Sie nicht mehr benötigen? Bevor Sie etwas wegwerfen, spende Sie es gerne an die Kolleg:innen der GEBURTSHILFE in der ASKLEPIOS KLINIK ALTONA, die Ihnen natürlich auch bei allen Fragen Rund um das Thema Geburtshilfe mit Rat und Tat zur Seite stehen.