Von Mexiko nach Wiesbaden - Wie ausländische Ärztinnen und Ärzte erfolgreich ankommen
Kann die Integration vielerorts benötigter ausländischer Ärztinnen und Ärzte in das deutsche Gesundheitssystem gelingen? Wie dies geht, zeigt das Beispiel des 32 jährigen mexikanischen Arztes Mariano Montes. 2015 trat Montes eine Weiterbildungsstelle in der Chirurgie der Asklepios Paulinen Klinik in Wiesbaden an. Seitdem ist er auch Mitglied des Versorgungswerkes und zahlt Beiträge für seine berufsständische Altersversorgung ein.
Das Gespräch in der Asklepios Paulinen Klinik in Wiesbaden zeigt: Für die Integration einer ausländischen Ärztin oder eines ausländischen Arztes in eine deutsche Klinik wird ein Team gebraucht: Neben eigenständig handelnden Bewerbern gehören dazu engagierte Chefs, ein fester Mentor unter den Kolleginnen und Kollegen sowie eine Personalabteilung, die für die zusätzlichen Behördengänge und administrativen Vorgänge fundierte Informationen parat hat. Im Wiesbadener Fall waren dies der Direktor des Chirurgischen Zentrums Professor Karl-Heinrich Link, der junge mexikanische Arzt Mariano Montes Camacho, sein Mentor PD Dr. Thomas Weber und Personalleiter Thomas Siebenhaar. Selbst wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, nennen Chefarzt Link und Personalleiter Siebenhaar den Eingliederungsprozess „mühsam für alle Beteiligten“. Soll daraus wie im Fall von Montes innerhalb von zwei Jahren eine „Erfolgsstory“ werden, müssen alle an einem Strang ziehen. Aber noch einmal einen Schritt zurück: Ausländische Ärztinnen und Ärzte in den medizinischen Alltag deutscher Krankenhäuser zu integrieren, ist kein Hobby und auch kein Selbstzweck. An der Paulinen Klinik sind rund 100 Ärztinnen und Ärzte beschäftigt. Etwa 20 Prozent - also ein Fünftel von ihnen - sind Ausländer. Von den Jahrestreffen mit rund 40 chirurgischen Kollegen und Kolleginnen der „Ulmer Schule“ weiß Chefarzt Link: „Früher gab es vielleicht einige Spontanbewerbungen aus deutschen Unis. Heute haben alle das gleiche Problem.“ Laut Personalleiter Siebenhaar versucht die Klinik deshalb auch, Assistenzärztinnen und –ärzte dauerhaft zu halten: „Es ist eine enorme Erfahrung, die man da heranzieht.“ Montes’ Heimat Mexiko nennt er ein „eher exotisches Land“. Viele Bewerber seien EU-Ausländer oder stammten aus den Ländern rund um das Mittelmeer oder das Schwarze Meer. „Während der Syrien-Krise konnte man am Wochenende an den Berichten der Zeitung ablesen, welche Bewerbungen montags eingehen,“ sagt Siebenhaar.
Schon als Schüler Deutsch gelernt
Bei Mariano Montes waren die Voraussetzungen günstiger. Bereits als Schüler hatte er ein Austauschjahr des Rotary Clubs in Deutschland verbracht und Deutsch gelernt. Nach dem Medizinstudium in Mexiko arbeitete er bis Ende 2013 ein Jahr lang in der Allgemeinmedizin der Robledo Klinik in Mexicali. Neben Präventivmedizin, Notaufnahme, Schwangerschaftsbetreuung und Geburtshilfe war er dort bereits als Assistent in der Allgemeinchirurgie im Einsatz. Wie bereits sein Vater will Montes jedoch Chirurg werden. Von seiner Schwester, die als Ärztin im Saarland arbeitet, bekam er den Tipp mit Wiesbaden. Ein Kriterium seiner Stellensuche war die Frage „Was macht der Chef?“ Dabei stieß er auf Professor Link, der unter anderem ein deutschlandweit ausgewiesener Experte für die Behandlung von Tumoren des Verdauungstraktes ist. Beim Einstellungsgespräch überprüfte Professor Link anhand eines strukturierten Fragenkatalogs die medizinische Qualifikationen des mexikanischen Bewerbers sowie seine Kenntnisse in der medizinischen deutschen Sprache.
Außerdem überlegte Link, der selbst mehrere Jahre im Ausland gearbeitet hat, welcher seiner Oberärzte den angehenden Kollegen unter seine Fittiche nehmen könnte. Die Bedeutung systematischen Vorgehens unterstreicht auch Personalleiter Siebenhaar: „Ein strukturiertes Einarbeitungskonzept muss sein.“ Vorteil für Montes: Die Paulinen Klinik hat ein breites OP-Spektrum und kann die volle Weiterbildung für Allgemein- und Viszeralchirurgie sowie zum Teil für weitere Spezialisierungen abdecken.
Der Papierkrieg dauert Monate
Nachdem die Zusammenarbeit beschlossen war, begann sowohl für den Bewerber als auch für die Klinik der Papierkrieg. Was folgte, nennt Montes „einen Teufelskreis“. Viele Arbeitgeber verlangen die deutsche Approbation als Voraussetzung für die Einstellung. Diese Approbation erhält aber nur, wer die sogenannte Kenntnisprüfung vor der Landesärztekammer abgelegt hat. Nach Erfahrung der Klinik dauert die Wartezeit hierfür vier bis sechs Monate oder auch länger. Die Mindestvoraussetzung für eine Stelle ist für Nicht-EU-Bürger eine Berufserlaubnis, die das Landesprüfungsamt Hessen in Frankfurt erteilt. Diese mit nur drei Mitarbeitern besetzte Stelle gilt als Flaschenhals, dessen Überwindung ebenfalls drei bis sechs Monate dauern kann. Selbst wenn alle Beteiligten willens sind, ist während der Wartezeit nicht einmal ein Praktikum möglich. Denn laut Definition dient dies entweder der Berufsfindung oder ist Teil des Studiums - was bei ausländischen Bewerbern beides nicht zutrifft. Für Personalleiter Siebenhaar ist die nicht planbare Wartezeit „manchmal zum in die Tischplatte beißen“. Um die Zusammenarbeit zu besiegeln, werden Verträge deshalb zum Beispiel mit dem Zusatz „vorbehaltlich Berufserlaubnis“ geschlossen. Daneben benötigt die Personalabteilung vom Bewerber eine Steuernummer, den Befreiungsbescheid von der Deutschen Rentenversicherung sowie die Mitgliedsbestätigung des Versorgungswerkes.
Approbation mit Coaching des Chefs
Mario Montes hatte Glück. Nach zwei Monaten lag mit Unterstützung der Personalabteilung seine Berufserlaubnis vor. Am 1. April 2015 begann er die Weiterbildung zum Allgemein- und dann zum Viszeralchirurgen an der Paulinen Klinik. Als nächstes folgte neben der Tätigkeit in der Klinik das Büffeln für den Erwerb der deutschen Approbation. Glück hatte er, dass sein Chef Professor Link als Prüfer in Mainz entsprechende Fragenbeispiele benennen konnte. „Wir haben klinische Fälle durchgesprochen. Das hat mir sehr geholfen.“ Nach bestandener Kenntnisprüfung vor der Landesärztekammer Hessen besitzt Mariano Montes seit August 2017 seine Approbation als Arzt. Ende gut, alles gut? In der Zwischenzeit hat Mariano Montes einen weiteren Intensivkurs Deutsch absolviert, weil es in der Klinik Stimmen gab, sein Deutsch sei nicht gut genug. Unterstützung bekam er auch hier von seinem Chef, der dieses Hindernis für überwindbar hielt. Dieser wiederum lächelt, wenn der junge Kollege in Hessen einen erfolgreichen Berufsweg als Arzt absolviert – er weiß, dass Mariano Montes als Mitglied das ärztliche Versorgungswerk, in dem er selbst Mitglied ist, stärkt.
Quelle: Mitgliederinformation 2018, Versorgungswerk der Landesärztekammer Hessen