Krankenhausreform zerschlägt kleinere Krankenhäuser und die Versorgung im ländlichen Raum in Sachsen-Anhalt
• Aktuelle Analyse: Bewirkt eine Einschränkung des Versorgungsangebotes im Bereich der Geburtshilfe und Kardiologie an 31 Standorten
• Reihenweise Klinikpleiten durch Lauterbachs „Entökonomisierung“
• Mehr Bürokratie statt Lösungen gegen Unterfinanzierung und Fachkräftemangel
Die Umsetzung der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplanten Krankenhausreform in ihrer jetzigen Form bedroht zahlreiche Kliniken in ihrer Existenz und gefährdet massiv die Gesundheitsversorgung in Sachsen-Anhalt. Dies zeigt eine aktuelle Auswirkungsanalyse (Link: https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/1_DKG/1.7_Presse/Kurzversion_DKG_Auswirkungsanalyse_Basisszenario_von_Vebeto_und_hcb.pdf) die am 13.02.2023 von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) vorgestellt wurde. Deren Analyse deckt sich mit der aktuellen Auswirkungsanalyse des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK) und Schätzungen des Klinikkonzerns Asklepios. Statt Lösungen für die drängenden Probleme wie die Unterfinanzierung und den Fachkräftemangel zu bieten, wird kleinen Kliniken der wirtschaftliche Boden unter den Füßen weggezogen und die Bürokratie ausgebaut. Asklepios fordert deshalb eine erneute kritische Auseinandersetzung mit den Reformvorschlägen. Zudem darf der Dialog darüber die Vertreterinnen und Vertreter der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen nicht ausschließen.
Patrick Hilbrenner, Regionalgeschäftsführer der Asklepios Kliniken Sachsen/Sachsen-Anhalt: „Die Reform in ihrer jetzigen Fassung wird ein Massaker für die ländliche Gesundheitsversorgung. Mit einer schweren Keule aus Leveln und Leistungsgruppen wird die Existenzgrundlage kleinerer Kliniken, die insbesondere im ländlichen Bereich bislang eine feste Säule der Versorgung waren, durch die Lauterbach-Reform brutal niedergeknüppelt. Alle Auswirkungsanalysen belegen, dass von den bisherigen Versorgungsstrukturen nicht mehr viel übrigbleiben wird, wenn die Reform so kommt.
Konkret könnte sich in Sachsen-Anhalt durch die Reform die Zahl der Klinikstandorte, die eine Geburtshilfe betreiben, von 18 auf 5 reduzieren, die der Standorte mit einem kardiologischen Angebot für Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkt von 22 auf 4. Das Reformvorhaben führt damit zu einer massiven Verschlechterung der Versorgung für die Menschen im Land. Würde man im Rahmen der Reform die Standorte erhalten wollen, wären immense Investitionen nötig. Unzählige Krankenhäuser werden damit an den Rand der Insolvenz getrieben und regionale Besonderheiten werden komplett ignoriert.“
Grund für die drohende Entwicklung: Der aktuelle Entwurf der Reform teilt Krankenhäuser über das gesamte Bundesgebiet hinweg in drei verschiedene Versorgungsstufen ein. Entscheidend sind dabei nicht regionale Begebenheiten, sondern einzig das im Krankenhaus existierende Leistungsangebot. Der DKG-Analyse zufolge fallen in Sachsen-Anhalt 40 Krankenhäuser in Level 1i und 1n (nur mit Grund- und Notfallversorgung), 2 Krankenhäuser in Level 2 (Regel- und Schwerpunktversorgung) und 3 Krankenhäuser in Level 3 (Maximalversorgung). Bei 7 Standorten ist eine Zuordnung bislang nichtmöglich gewesen.
Diese Einteilung hat dramatische Folgen für das Versorgungsangebot in Deutschland. Beispiel Geburtshilfe: 2020 gab es noch 593 Standorte mit einer Geburtshilfe, nachdem deren Zahl in den vergangenen Jahren bereits deutlich abgenommen hatte. Der Reformkommission zufolge soll dieses Angebot künftig aber nur noch an Standorten mit Level 2 oder 3 betrieben werden. Da die Mehrheit der bisherigen Standorte allerdings in Level 1 eingestuft würde, müssten diese ihre Stationen aufgeben. Die DKG-Auswirkungsanalyse zeigt: Damit verblieben in Deutschland nur noch 227 Standorte – 52 % aller Patientinnen in der Geburtshilfe müssten sich einen neuen Versorger suchen.
Durch diese reformbedingte Aufteilung haben kleinere Kliniken im ländlichen Raum das Nachsehen: Level-1-Häuser werden in einen Wettlauf um die Einordnung in eine höhere Versorgungsstufe gedrängt, wobei sie sich die Investitionen dafür nicht leisten können. Das generelle Problem der Unterfinanzierung des deutschen Gesundheitssystems wird in der Reform nicht angegangen. Vielmehr werden die ohnehin knappen Mittel nicht aufgestockt, sondern zu Gunsten der großen Häuser und Unikliniken anders verteilt. Die Einteilung hat somit weitreichende Konsequenzen: Kleinere Kliniken, die in Level 1 für die Grundversorgung eingeteilt werden, geraten wirtschaftlich in Schieflage.
Patrick Hilbrenner, Regionalgeschäftsführer der Asklepios Kliniken Sachsen/Sachsen-Anhalt: „In Sachsen-Anhalt stehen wir auch noch vor einem weiteren Problem: Zu den ohnehin durch die Reform ins Abseits geschobenen Kliniken addieren sich gemäß den Reformvorschlägen noch die Fachkliniken hinzu. Der Reform zufolge sollen Fachkliniken künftig in Level 2 (Schwerpunktversorgung) und Level 3 (Maximalversorger) integriert werden und in ihrer bisherigen Form nicht mehr existieren. Eine bauliche und inhaltliche Integration der Häuser wäre äußerst aufwendig und komplex und würde erneute Investitionen erfordern. Zu diesen reichen die aktuellen finanziellen Ressourcen der Krankenhäuser jedoch nicht aus.“
Auch das schon lange währende Problem des Fachkräftemangels wird in der Reform nicht angegangen. Die Facharztausbildung wird durch die unkontrollierte Konsolidierung an Kliniken sogar erschwert bzw. immer unattraktiver, wovon vor allem ländliche Regionen betroffen wären. Zudem müsste das Pflegepersonal geschlossener Kliniken oft einen erheblich weiteren Arbeitsweg in Kauf nehmen, um zur nächsten noch existierenden Klinik zu kommen. Dadurch würde das Berufsbild unzweifelhaft noch weiter an Attraktivität einbüßen – ein Umstand, der angesichts des gravierenden Fachkräftemangels nicht ignoriert werden darf.
Weit über den Pflegesektor hinaus erfüllen Krankenhäuser als große, regionale Arbeitgeber eine zentrale Rolle im Wirtschafts- und Sozialgefüge vieler Landkreise. Nicht selten sind die Kliniken an ihren Standorten die größten Arbeitgeber. Eine Schließung der Kliniken hätte entsprechende irreversible Folgen weit über den Gesundheitssektor hinaus.
Kai Hankeln, Vorstandsvorsitzender der Asklepios Kliniken Gruppe: „Es ist unumstritten, dass das deutsche Gesundheitssystem eine Reform nötig hat. Doch Minister Lauterbach scheut eine offene Diskussion über Klinikschließungen, stattdessen entzieht er vielen Häusern die wirtschaftliche Grundlage und jagt sie so in einen brutalen, darwinistischen Verdrängungswettbewerb. Ich sehe die Gefahr, dass Probleme wie die chronische Unterfinanzierung der Krankenhauslandschaft, der Fachkräftemangel und die Bürokratisierung sogar noch verschärft werden. Als Klinikgruppe, die in 14 Bundesländern tätig ist, haben wir einen guten Überblick über die Lage in Deutschland. Gleichzeitig kennen wir auf Grund unserer dezentralen Struktur die örtlichen Bedürfnisse unserer Patientinnen und Patienten sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Asklepios bringt dieses Wissen gerne im Diskurs ein, damit die Reform zweckdienlich und praxistauglich wird. Bislang sind Vertreterinnen und Vertreter von Fachverbänden, Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen in der Reformkommission jedoch nicht vertreten. Das ist nicht weiter akzeptabel.“