Krankenhausreform bedroht kleinere Krankenhäuser und die Versorgung im ländlichen Raum
Pläne würden Gesundheitsleistungen auch auf Sylt einschränken
Die Umsetzung der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplanten Krankenhausreform in ihrer jetzigen Form bedroht zahlreiche Kliniken in ihrer Existenz und gefährdet massiv die Gesundheitsversorgung insbesondere im ländlichen Raum. Dies zeigt eine aktuelle Auswirkungsanalyse, die in dieser Woche von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) vorgestellt wurde (hier nachzulesen). Deren Analyse deckt sich mit der aktuellen Auswirkungsanalyse des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken (BDPK) und Schätzungen des Klinikkonzerns Asklepios. Statt Lösungen für die drängenden Probleme wie die Unterfinanzierung und den Fachkräftemangel zu bieten, wird kleinen Kliniken der wirtschaftliche Boden unter den Füßen weggezogen und die Bürokratie ausgebaut. Asklepios fordert deshalb eine erneute kritische Auseinandersetzung mit den Reformvorschlägen.
Thomas Piefke, Geschäftsführer der Asklepios Nordseeklinik Westerland/Sylt: „Die Reform in ihrer jetzigen Fassung ist ein schwerer Schlag für die ländliche Gesundheitsversorgung. Mit der Einteilung in Versorgungslevel und Leistungsgruppen nach Schema F wird die Existenzgrundlage kleinerer Kliniken, die insbesondere im ländlichen Bereich bislang eine feste Säule der Versorgung waren, zerschlagen. Alle Auswirkungsanalysen belegen, dass von den bisherigen Versorgungsstrukturen nicht mehr viel übrigbleiben wird, wenn die Reform so kommt. Unzählige Krankenhäuser werden an den Rand der Insolvenz getrieben und regionale Besonderheiten werden komplett ignoriert, so auch auf der Insel Sylt."
Grund für die drohende Entwicklung: Der aktuelle Entwurf der Reform teilt Krankenhäuser über das gesamte Bundesgebiet hinweg in drei verschiedene Versorgungsstufen ein. Entscheidend sind dabei nicht regionale Begebenheiten, sondern einzig das im Krankenhaus existierende Leistungsangebot. Der DKG-Analyse zufolge fallen in Schleswig-Holstein 42 Krankenhäuser in Stufe 1 (nur mit Grund- und Notfallversorgung). Zu diesen gehört auch das Akutkrankenhaus der Asklepios Nordseeklinik. 5 Krankenhäuser fallen in Stufe 2 (Regel- und Schwerpunktversorgung) und 5 Krankenhäuser in Stufe 3 (Maximalversorgung), 14 Standorte sind ohne Zuordnung.
„Welche Auswirkungen die Pläne womöglich für uns als Nordseeklinik – und damit für die Gesundheitsversorgung der Insulaner sowie der vielen Sylter Urlaubsgäste – haben würden, können wir noch gar nicht im Detail abschätzen", sagt Alexander Steinmetz, Ärztlicher Direktor der Nordseeklinik. „In jedem Fall steht sie unseren Bestrebungen, das medizinische Angebot für die Insel sowohl in der Breite als auch in der Qualität auszuweiten, völlig entgegen." Denn als Krankenhaus mit der Versorgungsstufe 1 würde die Nordseeklinik nach den Reform-Plänen bestimmter Leistungen beraubt, die sie derzeit erbringt und auch künftig gerne weiter anbieten möchte – und die von den Patienten auch in Anspruch genommen werden. „Wir dürften diese Leistungen nicht mehr erbringen und die Insulaner wären gezwungen, dafür aufs Festland zu fahren, obwohl die Behandlung auch bei uns möglich wäre."
Stufe-1-Häuser gerade im ländlichen Raum würden in einen Wettlauf um die Einordnung in eine höhere Versorgungsstufe gedrängt, wofür immense Investitionen nötig wären, unterstreicht Piefke. „Das generelle Problem der Unterfinanzierung des deutschen Gesundheitssystems wird in der Reform nicht angegangen. Die knappen Mittel werden nicht aufgestockt, sondern zu Gunsten der großen Häuser und Unikliniken anders verteilt. Kleinere Kliniken, die in Stufe 1 für die Grundversorgung eingeteilt werden, geraten wirtschaftlich in Schieflage."
Auch das schon lange währende Problem des Fachkräftemangels werde in der Reform nicht angegangen, bedauert der Sylter Geschäftsführer. Die Facharztausbildung werde sogar erschwert bzw. immer unattraktiver, wovon ebenfalls vor allem ländliche Regionen betroffen wären. Auch das Berufsbild der Pflege würde weiter an Attraktivität einbüßen.
Weit über den Pflegesektor hinaus erfüllten Krankenhäuser zudem eine zentrale Rolle im Wirtschafts- und Sozialgefüge vieler Regionen. Oft sind die Kliniken an ihren Standorten die größten Arbeitgeber. Eine Schließung von Kliniken hätte entsprechende Folgen weit über den Gesundheitssektor hinaus.
Kai Hankeln, Vorstandsvorsitzender der Asklepios Kliniken Gruppe: „Es ist unumstritten, dass das deutsche Gesundheitssystem eine Reform nötig hat. Doch Minister Lauterbach scheut eine offene Diskussion über Klinikschließungen, stattdessen entzieht er vielen Häusern die wirtschaftliche Grundlage und jagt sie so in einen brutalen, darwinistischen Verdrängungswettbewerb. Ich sehe die Gefahr, dass Probleme wie die chronische Unterfinanzierung der Krankenhauslandschaft, der Fachkräftemangel und die Bürokratisierung sogar noch verschärft werden. Als Klinikgruppe, die in 14 Bundesländern tätig ist, haben wir einen guten Überblick über die Lage in Deutschland. Gleichzeitig kennen wir auf Grund unserer dezentralen Struktur die örtlichen Bedürfnisse unserer Patient:innen und Mitarbeiter:innen. Asklepios bringt dieses Wissen gerne im Diskurs ein, damit die Reform zweckdienlich und praxistauglich wird. Bislang sind Vertreter:innen von Fachverbänden, Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen in der Reformkommission jedoch nicht vertreten. Das ist nicht weiter akzeptabel."
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Katrin Götz
Kommunikation/Marketing & Pressesprecherin