Abschluss als Krankenpflegehelferin – mit 52 Jahren
Kerstin Wächter ist eine, die gern für andere Menschen da ist. Als Quereinsteigerin arbeitete sie bereits in der Sebnitzer Klinik und wagte einen besonderen Schritt.
Ein spannendes Jahr mit vielen neuen Erfahrungen liegt hinter Kerstin Wächter. Sie nahm zwölf Monate noch einmal auf der Schulbank Platz - mit 52 Jahren. Nach erfolgreicher Prüfung arbeitet sie nun als Krankenpflegehelferin in der Asklepios Sächsische Schweiz Klinik Sebnitz. Dort war sie schon vorher tätig – allerdings als Quereinsteigerin und Stationsassistentin. „Jetzt fühle ich mich beruflich und auch im Krankenhaus selbst rundum angekommen“, sagt sie heute. Bei der Entscheidung für die Weiterqualifizierung bekam sie viel Unterstützung vom Klinik-Team.
Kerstin Wächter ist keine, die die Hände in den Schoß legt. Sie will anpacken, helfen, für andere da sein. Als sie vor fast sechs Jahren die Ausschreibung für die Stelle als Stationsassistentin im Internet findet, weiß sie sofort: Das ist etwas für sie. Hier brauchen Menschen ihre Hilfe. Ihr berufliches Leben war bis dato abwechslungsreich. Als die gelernte Kunstblumenfacharbeiterin in ihrem eigentlichen Job nicht mehr arbeiten kann, wird sie zunächst Bürohilfe im Getränkegroßhandel. Später arbeitet sie auch auf einem Campingplatz oder im Verkauf. „Ich kann nicht zu Hause sitzen, wenn es irgendwo etwas für mich zu tun gibt“, erklärt sie.
Nach dem Vorstellungsgespräch in der Sebnitzer Klinik beginnt sie damals zur Probe auf der Station 2. Schon von dieser Tätigkeit ist sie begeistert. „Das Pflegeteam hat mich super aufgenommen“, erinnert sie sich. Dass sie eine Quereinsteigerin ist, damit hatte niemand ein Problem. „Alle haben gesehen, dass ich sie unterstützen will.“ Auch die Ärzteschaft ist freundlich zu der Stationsassistentin und geduldig, wenn die Neue anfangs nicht gleich alles versteht und weiß. Sie kümmert sich unter anderem um Reinigungsaufgaben, hilft beim Transport der Patienten und ist helfende Hand bei organisatorischen Dingen auf Station. Aber Kerstin Wächter möchte mehr tun.
Zurück in die Schule
Bestimmte Aufgaben darf sie in ihrer Funktion als Stationsassistentin nicht übernehmen. Gerade die Arbeit am Patienten, wie etwa das Messen der Vitalwerte, ist den Pflegekräften vorbehalten. „Anfang 2021 fragte man mich, ob ich eine Ausbildung zur staatlich geprüften Krankenpflegehelferin machen möchte“, erinnert sich Kerstin Wächter. „Das hat mich erst einmal überfordert“, fügt sie mit einem entschuldigendem Lächeln hinzu. Mit über 50 noch mal in die Schule gehen? Für Klausuren lernen und Prüfungen schreiben? „Ich war unsicher, ob ich mir das zutrauen kann.“ Doch die Kolleginnen und Kollegen reden ihr gut zu und überzeugen sie durch ihre aufmunternden Worte. „Sie meinten nur: ‚Kerstin, das schaffst du!‘‘
Neben Kerstin Wächter beginnen im Frühjahr 2021 drei weitere Mitarbeiter der Sebnitzer Klinik die Ausbildung zur Krankenpflegehelferin oder -helfer. Neben den Pflegefächern, in denen sie schon einiges Wissen aus der Praxis einbringen kann, gehören zum Unterricht auch Englisch, Sport oder Ethik – völlig neue Fächer für sie. „Ich bin ja mit einigem Abstand die Älteste in der Klasse gewesen“, erzählt sie von der Schulzeit. Viele der Mitschüler waren noch nicht einmal 20 Jahre alt. „Die waren aber ganz lieb zu mir und haben mir geholfen.“ Sie hätte das alles unbedingt schaffen wollen. Für Praktika arbeitet sie im Pflegeheim und in einem ambulanten Pflegedienst. Ihr sei es wichtig gewesen, dass sie auch mal die Arbeit in anderen Einrichtungen kennenlernt.
Eine Bereicherung für die Klinik
Für Katrin Richter, kommissarische Zentrumsleiterin Pflege in der Klinik Sebnitz, ist das Engagement von Kerstin Wächter nicht selbstverständlich. „Gerade in Zeiten, in denen Pflegekräfte überall gesucht werden, ist die Entscheidung für solch eine Ausbildung natürlich ein Glücksfall für unsere Klinik“, sagt sie. Die neuen Krankenpflegehelfer könnten im Haus nun umfassender eingesetzt werden, weil sie auch direkt am und mit den Patienten arbeiten dürfen. Normalerweise dauert die Ausbildung zwei Jahre. Weil Kerstin Wächter schon mehr als drei Jahre als Stationsassistentin arbeitete, war ein Verkürzen auf ein Jahr möglich.
Für Quereinsteiger sei die Möglichkeit dieser Qualifizierung auch aus einem anderen Grund interessant, fügt Katrin Richter hinzu. „Der Abschluss berechtigt zum Einstieg in die Ausbildung zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann.“ Die dauert eigentlich drei Jahre. Es ist aber möglich, sich bisherige Ausbildungszeiten für eine Verkürzung anerkennen zu lassen.
Mutigen Schritt nie bereut
Dass sie nun näher am Patienten ist, freut Kerstin Wächter sehr. „Obwohl der Beruf manchmal natürlich nicht einfach ist“, sagt sie nachdenklich. Leid und Sterben gehörten ebenso dazu wie Freude und Glück nach Therapiefortschritten und Heilung. Dank ihrer Ausbildung hat sie nun ein besseren Verständnis für die Diagnosen, kann noch intensiver auf die Patienten eingehen. Auf verschiedenen Stationen hat sie seit ihrer Prüfung im Sommer 2022 schon gearbeitet. Chirurgie, Innere Medizin oder Corona-Station – die Arbeit in der Klinik bringt immer wieder Abwechslung mit sich.
Aktuell arbeiten keine Quereinsteiger in der Sebnitzer Klinik. Kerstin Wächter ist jedoch der beste Beweis dafür, dass sich der mutige Schritt in diese neuen Aufgabenfelder lohnt. „Ich bin heute noch froh, dass ich mir das damals alles zugetraut habe“, sagt sie. Gerade an junge Menschen appelliert sie, dem Pflegeberuf eine Chance zu geben. „Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, hier im Team einen Beitrag leisten zu können, damit es den Patienten bald wieder besser geht.“ Dass sich ihr nach dem Abschluss mit 52 Jahren noch einmal neue Wege eröffnet haben, sei spannend. „Das geschafft zu haben, macht mich auch ein bisschen stolz.“