Schwalmstäder Ärzteteam trainierte für Einsätze bei Terroranschlägen
Herausforderung für Sicherheits- und Rettungskräfte
Die latent steigende Terrorgefahr und die islamistisch motivierten Attentate von Paris, Nizza, Brüssel, München, Ansbach, Hannover, Würzburg und in Berlin sind zu einer Herausforderung für internationale und deutsche Sicherheitsbehörden geworden. Auch Hessens Innenminister Peter Beuth sieht das Land nach wie vor im Fadenkreuz gewaltbereiter Islamisten. Seine Einschätzung teilt Notfallmediziner Dr. Andreas Hettel. Er sagt nach der Teilnahme an einem speziellen Lehrgang in München: „Es kann immer und überall zu Anschlägen, Amokläufen oder Selbstmordattentaten kommen. Selbst in unserer überwiegend ländlich geprägten Region sind wir potentiell gefährdet.“
Gemeinsam mit Patrick Müller-Nolte, dem ärztlichen Leiter der zentralen Notaufnahme am Asklepios Klinikum Schwalmstadt, und Jens Steltner, Assistenzarzt der Unfallchirurgie, nahm Dr. Hettel an einem Training für Notfallversorgung in Terrorlagen teil. „Dabei handelt es sich um ein zertifiziertes Kursformat, welches vom US Militär entwickelt wurde“, berichtet der Chefarzt der Schwalmstädter Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin. Das militärische Kurskonzept wurde auf zivile taktische Lagen zugeschnitten. Zu den Zielgruppen zählen Personal ziviler Rettungsdienste, der Polizei, Feuerwehr und Personenschützer.
Ein Unterschied zwischen auf Gefechtsfeldern anzutreffenden Verletzungen bestünde nach Terroranschlägen oder vergleichbaren Gewalthandlungen nicht, gibt Patrick Müller-Nolte zu bedenken. Sicherheits- und Rettungskräfte müssten sich daher verstärkt auch mental auf Ausnahmesituationen unter kriegsähnlichen Zuständen einstellen und jederzeit darauf vorbereiten sein. „Das ist der entscheidende Unterschied zu klinischen Notlagen. Denn im Ernstfall würden wir mit abgerissenen Extremitäten, Brand-, Schuss- oder anderen sehr schweren Verletzungen konfrontiert.“ Oft seien es diese Verwundungen, an denen Menschen infolge Verblutung binnen weniger Minuten versterben.
Das Ärzteteam aus Nordhessen wurde von Experten der Polizei, Militär- und Spezialeinsatz-Kommandos für diese spezielle Art von Rettungseinsätzen in Krisenfällen trainiert. „Das primäre Ziel aller Hilfskräfte an einem Anschlagsort muss sein, verletzte Personen so schnell wie möglich aus Gefahrensituationen zu holen und sie gegebenenfalls mit einfachsten medizinischen Hilfsmitteln zu versorgen.“ Selbst unter widrigsten äußeren Einflüssen, wie etwa einem möglichen Beschuss. „Darum wurde uns auch der Umgang und Einsatz spezieller medizintechnischer Ausrüstungsgegenstände aus dem militärischen Bereich in Theorie und Praxis beigebracht“, erklärt Dr. Hettel.
An Schweinemodellen übten die Kursteilnehmer beispielsweise das stoppen stark blutender Wunden, notfallmäßige Luftröhrenschnitte, und das Abbinden von Gliedmaßen. Auch beim Durchlaufen eines Trainingsparcours wurde ihnen einiges abverlangt. „Da ging es richtig zur Sache. Schließlich müssen wir auch unter körperlicher Belastung und unter schwierigsten Bedingungen dazu in der Lage sein Menschenleben zu retten.“ Es gab sehr viel Neues, was ihnen beigebracht worden sei. „Besonders die enge Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften war uns in diesem komplexen Umfang nicht bekannt“, berichtet Patrick Müller-Nolte. Sie seien wertfrei und vorbehaltslos in das Lehrgangsprogramm gestartet, erklären die drei Mediziner übereinstimmend. Ihr gemeinsames Resümee lautet: „Jetzt wissen und können wir sehr viel mehr.“