Notfalltraining im Kreißsaal - Mehr Sicherheit für Mutter und Kind unter der Geburt
Am Mittwoch, den 02. November fand im Kreißsaal des Asklepios Klinikums Schwalmstadt ein simulationsbasiertes Teamtraining zur Erhöhung der Sicherheit von Mutter und Kind bei Notfällen unter der Geburt statt.
Geburtshilfliche Notfälle sind seltene, aber hochdramatische Ereignisse. In kürzester Zeit müssen Entscheidungen getroffen und unter hohem emotionalen Stress und zeitlichem Druck umgesetzt werden. Das Kind kann eine echte Notsituation nur wenige Minuten unbeschadet tolerieren, es geht ganz konkret um Leben oder Tod. „In diesen Situationen bringen die werdenden Eltern unseren Geburtshelfern großes Vertrauen entgegen“, sagt Nicola Scharf, Fachanwältin für Medizinrecht im Konzernbereich Medizinrecht, Versicherungen und Compliance bei Asklepios. Die Juristin leitet das Projekt S.A.V.E., das zum Ziel hat, alle im Kreißsaal tätigen Ärzte, Pflegekräfte und Hebammen durch ein gezieltes Training optimal auf Notfallsituationen während der Geburt vorzubereiten. Sie weiß aus Erfahrung: In einem minimalen Zeitraum kann maximaler Schaden entstehen. In Deutschland kommen pro Jahr etwa 750.000 Kinder zur Welt, etwa bei jeder 150. Geburt tritt eine kritische Situation für das Kind und bei etwa jeder 55. Geburt für die Mutter ein. Ziel von S.A.V.E. ist es, alle Mitarbeitenden optimal auf diese unvorhersehbaren Notfälle vorzubereiten.
Miriam Schuchhardt, Chefärztin der Gynäkologie und Geburtshilfe am Asklepios Klinikum Schwalmstadt unterstreicht die Wichtigkeit des Teamtrainings: „Das interprofessionelle geburtshilfliche Notfalltraining gibt unserem Team mehr Sicherheit und bereitet uns auf die adäquate Versorgung von Mutter und Kind bei einer Gefahrensituation unter der Geburt vor.“ Die Ärztin ergänzt: „Ganz wichtig ist die richtige Kommunikation, um Notfallsituationen im Kreißsaal entsprechend zu meistern. Während des Trainings haben wir nicht nur handwerkliche Fähigkeiten und empfohlene Abläufe geübt, sondern vor allem auch, wie wir so miteinander kommunizieren, dass jeder der Beteiligten genau im Bilde ist und weiß, was er zu tun hat. So können wir im Ernstfall professionell handeln und unnötige Hektik vermeiden."
Wenn im Training Notfälle simuliert werden, steht das Team unter genauso hohem Stress wie in der realen Situation. Um einen optimalen Lerneffekt zu erzielen, wurden alle Notfallszenarios auf Video aufgezeichnet und anschließend mit dem Kreißsaal-Team analysiert, um Verbesserungspotential herauszuarbeiten. „Wir sensibilisieren die Beteiligten für Fragen wie: Weiß jeder, was er wann und wie zu tun hat? Ist allen klar, wer in der Notfallsituation die Teamleitung übernimmt?“, erläutert Dr. Jochen Thiele, ärztlicher Leiter des Asklepios Instituts für Notfallmedizin, der die Trainings gemeinsam mit seiner Kollegin Hebamme Antje Düvel individuell konzipiert.
Fakt ist, um im Notfall optimal agieren zu können, müssen alle Beschäftigten im Kreißsaal in der Lage sein, eine Gefährdung von Mutter oder Kind zu erkennen und sicher zu beherrschen. Bei den inhouse durchgeführten S.A.V.E. Teamtraining werden geburtshilfliche Notfälle wie z.B. eine Blutungskomplikation oder eine Neugeborenenreanimation mit den bestehenden Teams in realer Arbeitsumgebung simuliert und deren Management trainiert. Die Trainings erfolgen – wie in der Luftfahrt – mit besonderem Fokus auf der interdisziplinären Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb der Teams (Crew Ressource Managements). Dahinter steht der Anspruch, im Notfall sicher zu kommunizieren und sicherzustellen, dass auch nachts um vier im Kreißsaal ein Neugeborenes leitliniengerecht und nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft reanimiert werden kann.
Auch das Team der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin des Klinikums Schwalmstadt war bei dem Training dabei. Denn für den Fall der Fälle müssen sowohl das Kreißsaalteam als auch Notfallmediziner, Anästhesisten und Pflegekräfte Hand in Hand arbeiten. „Das Training bietet uns allen die Möglichkeit, das Zusammenspiel der verschiedenen Berufsgruppen abteilungsübergreifend für den Ernstfall zu üben und unsere Fachkenntnisse in der Notfallversorgung von Mutter und Kind aufzufrischen“, erklärt Dr. Andreas Hettel, Chefarzt für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin am Klinikum Schwalmstadt. „Zum Glück tritt der Ernstfall aber nicht oft ein. Nur bei sehr wenigen Geburten im Jahr wird das Reanimationsteam in den Kreißsaal gerufen“, ergänzt Miriam Schuchhardt.
Hohe Relevanz kommt im Zuge stetig zunehmender rechtlicher Anforderungen der Aufklärung der werdenden Mutter vor und während der Geburt zu. Es werden daher bei jedem Training juristische Workshops zur Aufklärung durchgeführt. „Es ist enorm wichtig, mit der werdenden Mutter klar sowie in verständlicher Form zu kommunizieren und sie über alle Schritte aufzuklären, ohne bei ihr Angst oder Unsicherheit zu erzeugen“, weiß Chefärztin Schuchhardt aus Erfahrung. Zudem durchlaufen alle Kreißsaalmitarbeiter das zentral am Institut für Notfallmedizin in Hamburg organisierte S.A.V.E. Skillstraining. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Vermittlung von theoretischem Wissen und handwerklichen Fertigkeiten.
Sophie Bauer, leitende Hebamme der Frauenklinik in Schwalmstadt resümiert: „Das Training ist essentiell, weil es Sicherheit gibt und gleichzeitig das Team stärkt. Alle Beteiligten lernen die Regeln, nach denen zu handeln ist und können auf Augenhöhe agieren, wenn eine Notsituation eintreten sollte.“
Insgesamt ist Resonanz der Teilnehmer überwältigend positiv. Sie zeigt, dass S.A.V.E. die Handlungssicherheit der Mitarbeiter im Umgang mit geburtshilflichen Notfällen deutlich verbessert und das Potential hat, Leben zu retten.
*Sämtliche Bezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter.