Jede Minute zählt - Praxisnaher Intensivkurs für Rettungs- und Notfallmedizin in Gudensberg
Seit rund 20 Jahren bietet das Team „Rettungsmedizin Nordhessen“ zweimal pro Jahr den Lehrgang „Zusatzweiterbildung Notfallmedizin“ an – der 80-stündige Kurs fand kürzlich bei der Freiwilligen Feuerwehr Gudensberg statt.
Ein LKW ist vor einen Brückenpfeiler geprallt, die Fahrerin ist verletzt und muss notärztlich versorgt werden - das Problem ist allerdings, dass sie bei diesem modernen Fernverkehr-Fahrerhaus in etwa zwei Metern Höhe sitzt. Dieses Szenario war zum Glück nur eine Übung, doch für die eingesetzten Rettungskräfte und Feuerwehrleute eine echte Herausforderung. Diese und weitere Einsatzlagen, bei denen unter anderem die Rettung mittels Drehleiter oder ein Unfall mit gleich mehreren Schwerverletzten praktisch geübt wurden, bildeten den schweißtreibenden Abschluss des einwöchigen Kurses, der zum zweiten Mal auf dem Feuerwehrgelände in Gudensberg durchgeführt wurde.
Angesprochen waren unter anderem Ärzt:innen, die künftig einen Rettungswagen, ein Notarzt-Einsatz-Fahrzeug oder einen Rettungshubschrauber besetzen werden, aber auch Mitarbeitende des Rettungsdienstes. Die Leitung hatte Dr. Andreas Hettel, der erfahrene Mediziner ist Chefarzt der Abteilung Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin am Asklepios Klinikum Schwalmstadt, seit vielen Jahren aktiver Notarzt und zudem als Leitender Notarzt des Schwalm-Eder-Kreises bestellt. Unterstützt wurde er wieder von Patrick Müller-Nolte, ärztlicher Leiter der zentralen Notaufnahme der Asklepios Stadtklinik Bad Wildungen, und Kathrin Häfele, Fachärztin für Innere Medizin und NEF-Leitung im Kasseler Elisabeth Krankenhaus, sowie Jochen Radtke von „Crash-Art Unfalldarstellung“ aus Zierenberg, der für die Organisation verantwortlich zeichnete.
Für die knapp 30 Teilnehmenden stand am Anfang die Vermittlung wichtiger theoretischer Kenntnisse auf dem Lehrplan, wie beispielsweise Einsatzorganisation, Zusammenarbeit mit der Feuerwehr und anderen Hilfsdiensten, Vorstellung verschiedener technischer Rettungsmittel sowie weiterer medizinischer Notwendigkeiten. Dazu zählten unter anderem das sogenannte „Airwaymanagement“, kardiologische Notfälle, Reanimation bei Trauma und Schwangeren, Respiratorische Notfälle mit nichtinvasiver Beatmung, die Versorgung verletzter Kinder oder Polytrauma-Management und Schock. Dabei legten die Ausbilder ihren Fokus immer auf Praxisnähe, also reale Situationen, die meistens nicht in irgendeinem Handbuch stehen – nach der Theorie wurden die Fallbeispiele regelmäßig im praktischen Training vertieft. „Wir hatten Referenten aus ganz Nordhessen“, sagte der Seminarleiter beim Blick auf den umfangreichen Stundenplan, von dem sich einiges in den Abschlussübungen des letzten Ausbildungstages wiederfand. „Bei kritischen Patienten müsst ihr schnell sein, das geht vielleicht nicht immer schön und schonend“, lautete nach einem Rettungseinsatz die unmittelbare Manöverkritik, dabei blieb der Tonfall aber immer kameradschaftlich. „Wir setzen bewusst auch Lehrgangsteilnehmende zur Verletztendarstellung ein, damit sie das Geschehen mal aus dieser Perspektive wahrnehmen können“, betont Dr. Hettel den ganzheitlichen Ansatz. „Ihr müsst lernen zu delegieren“, forderte ein Ausbilder an anderer Stelle zu mehr Führungsverantwortung auf, „eine Notarzt hält niemals die Infusionsflasche, der muss die Hände freihaben“.
In den jeweiligen Einsatzszenarien konnten die Kursteilnehmer:innen unter realen Bedingungen das Zusammenspiel von Notarzt, Rettungsdienst und Feuerwehr üben, um fit für den Ernstfall zu sein – eventuelle Fehler wurden direkt angesprochen und abgestellt. „Der Rahmen für diese Ausbildung ist vorgegeben, die Szenarien werden von uns darauf abgestimmt“, beschrieb der Seminarleiter das Konzept, „um letztendlich die Zulassung als Notarzt zu erhalten, müssen die Anwärter nach diesem erfolgreich absolvierten Kurs noch 50 Einsätze unter Anleitung eines verantwortlichen Notarztes auf einem Notarzteinsatzfahrzeug mitmachen“.
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