Immer hoch hinaus – Nur der Mount Everest ist Tabu
Mediziner unternimmt Abenteuertouren in entlegenen Winkeln der Erde
Während seiner Dienstzeiten steht Dr. Andreas Hettel oft stundenlang im Operationssaal oder er ist als Notarzt im süd-westlichen Schwalm-Eder-Kreis unterwegs, um auch dort in Lebensgefahr geratenen Menschen zu helfen. Sein anstrengender und verantwortungsvoller Job als Chefarzt der Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin im Asklepios-Klinikum Schwalmstadt, verlangt ihm mitunter alles ab. Als Ausgleich dazu suchte er schon oft das Abenteuer. Auf verschiedenen Kontinenten wurde und wird Dr. Hettel immer wieder fündig. Dem Mediziner ist bei seinen Trekkingtouren mit Ausnahme des Mount Everest kein Berg zu hoch, keine Wüste zu sandig.
Gemeinsam mit einem Freund bestieg der Fritzlarer den mit 5895 Meter höchsten Berg Afrikas in Tansania, den Kilimandscharo. Er durchquerte mit dem Auto auf dem afrikanischen Kontinent die Sahara zwischen Algerien und Mali, der Elfenbeinküste und Niger. Und er bezwang den 5642 Meter hohen Elbrus im Kaukasus, den höchsten Berg Europas in Russland. Dr. Hettel schwärmt aber von einen Binnenstaat in Südost-Asien: „Von Nepal kann man nie genug bekommen, wenngleich die Gebirgskette der Anden auf der Liste meiner Wunsch-Fernziele ganz oben steht.“
Seit jeher lösen Reisen eine gewisse Faszination bei ihm aus, besonders wenn es dabei um Abenteuer in fernen Ländern geht. Dem höchsten Berg der Erde, den Mount Everest, begegnete Dr. Hettel aber mit einer gehörigen Portion Respekt. „Sein Anblick ist wirklich atemberaubend. Das ist sicher auch der Grund dafür, dass zahlreiche Menschen in ihm eine magische Herausforderung sehen, die es unter allen Umständen zu bestehen gilt. Aber es sind schon zu viele dort oben geblieben. Darum ist er für mich kein Thema.“ Ein weiterer Grund für seine rationale Einstellung und ablehnende Haltung sind die enorm hohen Kosten für die Teilnahme an organisierten Gipfelexpeditionen. Nicht zuletzt deswegen seien ihm die umliegenden Berge im Himalaya sehr viel lieber als das Dach der Welt.
Bei aller Euphorie für Trekkingtouren im Hochgebirge gelte es sich immer wieder gut und vor allem akribisch darauf vorzubereiten. „Man braucht vor Ort grundsätzlich Zeit, bis sich der Körper akklimatisiert und an die Höhen gewöhnt hat. Zuhause trainiert man sich am besten mit Laufen und bei Bergwandertouren eine solide Kondition an, die angesichts der sauerstoffarmen Luft in großen Höhen dringend nötig ist.“ Ein hohes Maß an körperlicher Fitness ist wichtig. Von nicht minderer Bedeutung ist die Ausrüstung. „Man muss vorher sehr genau überlegen, was tatsächlich gebraucht wird. Jedes Gramm zu viel bedeutet ein mehr an Belastung und Anstrengung, die eine Höhenkrankheit oder andere bergmedizinische Probleme auslösen können“, gibt der Arzt zu bedenken, der im Januar 2014 die Anästhesie-Leitung im Asklepios-Klinikum Schwalmstadt übernahm.
Wie überlebenswichtig eine optimale physische und psychische Fitness im hochalpinen Gelände ist, bekam der gebürtige Karlsruher beim Besteigen des Elbrus im Kaukasus am eigenen Leib zu spüren. „Es war mit minus 27 Grad bitter kalt.“ Gesichert an im Fels und Eis verankerten Fixseilen, mit Steigeisen unter den Schuhsohlen und Eispickel in der Hand, machten die extremen Temperaturen den ohnehin schon anstrengenden Aufstieg über Geröll-, Schnee- und Gletscherfelder bis zum Gipfel auf 5642 Meter ungemein schwierig. Angesichts der Widrigkeiten und Strapazen kamen bei Dr. Hettel und den anderen Teilnehmern der Expedition keine Glücksgefühle auf. Im Gegenteil: „Auf dem Gipfel gefror uns ein mögliches lächeln, wir wollten nur noch runter. Doch schon während des Abstiegs und am Fuße des Elbrus setzten unsere Körper unendlich große Mengen Endorphine frei. Das steigerte sich mit jedem Schritt. Die positiven Gefühle übernahmen schließlich die Regie über unser Bewusstsein. Wir alle waren nach dieser Tortur sehr glücklich und überaus stolz auf das, was wir geleistet hatten.“ Zurückblickend gesteht aber der verheiratete Familienvater: „Die Tour im Kaukasus kratzte an meiner Belastungsgrenze. Es war einfach nur hart.“
Ihn zieht es aber weiterhin in entlegene Winkel der Erde, sofern es seine knapp bemessene Zeit und die Kosten zulassen. „Die Trekkingtouren helfen mir ganz schnell das Tagesgeschäft hinter mir zu lassen. Denn das Weiterlaufen im unwegsamen Gelände erfordert neben Willenskraft höchste Konzentration. Jeder Schritt wird bestimmt von Gefühlen und natürlich vom Wetter, denn der Weg bestimmt das Ziel.“ Einen Berggipfel zu erklimmen sei zwar „ganz toll, aber nicht wichtig“, räumt der 51-Jährige ein. Aus unterschiedlichen Ereignissen, mit denen er während seiner Touren konfrontiert wurde, schöpft er immer wieder neue Kraft für das Bewältigen anstehender Aufgaben und Herausforderungen im Privat- wie auch im Berufsleben. Darum ist sich Dr. Hettel sicher: „Die Abenteuerlust wird mich auch weiterhin packen und in die Ferne ziehen.“