Wenn die Realität abhanden kommt
Im Jahre 2024 wurde der Cannabiskonsum legalisiert. Alle medizinischen Fachgesellschaften warnen nun davor, dass es zu einem Anstieg von Psychosen bzw. Schizophrenien kommen könnte. Aber was sind eigentlich Psychosen? Als Psychosen werden psychische Störungen bezeichnet, bei denen das Erleben des Erkrankten sich schleichend verändert. Was anfänglich als Beschäftigung mit abseitigen Ideen erscheint, entwickelt sich zur eigenen Wahnideen. Der Patient gleitet zunehmend in eine eigene Realität ab. Hinzu kommen weitere Symptome wie Halluzinationen, generalisiertes Misstrauen, Ängste aber auch Euphorie. Antriebsarmut, desorganisiertes Verhalten und sozialer Rückzug mit ernsthaften sozialen Problemen sind häufig. Den Menschen fällt es im Alltag immer schwerer zu funktionieren. Zusammenfassend handelt es sich um eine schwere seelische Krise mit Veränderung von Denken, Fühlen, Wollen und Handeln des Menschen. Ohne Hilfe von außen kommt man dann meist nicht mehr heraus.
Die häufigste Form der Psychose ist die Schizophrenie. Schizophrenie hat multifaktorielle Ursachen: Genetik, Schwangerschaftskomplikatinen, kindliche Entwicklung, durchgemachte Erkrankungen, Traumata, aber auch Drogen können jeweils ein Beitrag zum Ausbruch einer schizophrenen Psychose leisten.
Unbehandelt führt eine Schizophrenie oft zu schwerem, langjährigen Leid. Neben dem unmittelbaren seelischen Leiden drohten Verlust sozialer Bindungen und sozialer Abstieg mit Arbeitslosigkeit bis hin zu Obdachlosigkeit. Schizophrenien treten bevorzugt im jungen Erwachsenenalter auf und nehmen unbehandelt oft einen langjährigen, leidvollen Verlauf.
Bis in den 1950er Jahre galt Schizophrenie als praktisch unbehandelbar. Viele Patienten fristeten über Jahre ein Leben in einer „Anstalt“. Erst die sogenannte „neuroleptische Revolution“ mit Entwicklung der Antipsychotika ermöglichte eine erfolgversprechende Behandlung. Moderne Antipsychotika vermeiden viele der unangenehmen Nebenwirkungen der ersten Substanzen. Die durchschnittliche stationäre Behandlungsdauer konnte von früher drei Jahren (!) auf drei Wochen verkürzt werden.
Medikamente gelten auch heute noch als unverzichtbarer Bestandteil einer erfolgreichen Therapie von Psychosen, aber wir verfolgen heute einen multimodalen Ansatz: Medikamente, Psychoedukation, phasengerechte Psychotherapie, Ergotherapie und psychosoziale Hilfen gehören zusammen!
Eine riesige Hürde bei der Behandlung von Psychosen bleibt aber weiterhin: die veränderte Realitätswahrnehmung der Patienten führt dazu, dass diese zwar großes Leid spüren, aber ihre Symptome nicht auf eine Krankheit beziehen können. (Der Fachbegriff dazu heißt „Anosognosie“ = Unfähigkeit eigene Krankheitssymptome an sich selbst zu erkennen) Deshalb sind Psychosepatienten gerade zu Beginn der Erkrankung auf Hilfe ihrer Mitmenschen angewiesen. Familie, Freunde oder Kollegen beobachten oft sehr früh eine Persönlichkeitsveränderung. Sie machen sich Sorgen, sind aber hilflos. Hier ist es sinnvoll und angebracht sich möglichst früh professionelle Hilfe zu holen. Wenn es ihr Angehöriger zulässt suchen Sie mit ihm einen niedergelassenen Psychiater oder die Notaufnahme eines psychiatrischen Krankenhauses auf. Oft wird sich ihr Angehöriger aber weigern einen Arzt aufzusuchen. Dann lassen Sie sich selbst beraten. Die sozialpsychiatrischen Dienste der Kommunen (SPDI) oder die Psychosoziale Kontakt- und Beratungsstellen sind vor Ort verfügbar, um auch Angehörige professionell zu beraten und gemeinsam die nächsten Schritte zu planen. Mittlerweile steht mit OBEON sogar eine bundesweite Onlineberatung zur Verfügung (www. obeon.de). Je früher ein Patient in Behandlung kommt, desto besser die Prognose!
Was hat das alles mit Cannabis zu tun? Nach aktueller Studienlage erhöht Cannabiskonsum das Risiko für Psychosen deutlich, vor allem bei Konsum im Jugendalter. Mit gesellschaftlich zunehmender Akzeptanz für Cannabis-Konsum ist es umso wichtiger, dass die breite Öffentlichkeit die Erkrankung Psychosen kennt.