Skoliose bei Kindern: Aufrecht durchs Leben gehen
„Da wirst du noch krumm und schief“. Diesen Satz müssen sich Kinder häufig von ihren Eltern anhören, wenn sie am Esstisch oder vor dem Fernseher lümmeln. Von einer falschen Sitzposition kann man zwar eine schlechte Haltung bekommen, jedoch keine verformte Wirbelsäule. So eine Veränderung ist krankhaft und heißt im Fachjargon Skoliose. Knapp eine halbe Million Menschen in Deutschland leiden an der Krankheit. Je eher sie erkannt wird, desto besser ist sie zu behandeln.
Ein wenig schief ist fast jeder. Leichte Abweichungen an der Krümmung des Rückgrades machen deshalb auch selten Probleme. „Von einer Skoliose sprechen Mediziner erst, wenn die Wirbelsäule seitlich verbogen und die Wirbelkörper verdreht sind“, erklärt Privatdozent Dr. Konstantinos Kafchitsas, Chefarzt der Abteilung für Wirbelsäulenerkrankungen an der Asklepios Orthopädische Klinik Lindenlohe. „Anzeichen dafür sind, dass das Becken verschoben ist, die Schultern nicht auf gleicher Höhe sind oder der Kopf weiter links oder rechts steht als üblich.“ Diese Verschiebungen können neben der Haltung und Beweglichkeit sogar die inneren Organe oder die Lungenfunktion in Mitleidenschaft ziehen. Weil die Kinder am Anfang aber keine Schmerzen spüren, bemerken viele Eltern die Erkrankung erst spät. „Eine Skoliose entsteht aber schon relativ früh, im Zuge von Wachstumsschüben“, so Dr. Kafchitsas. Ein Teil der Wirbelkörper wachse stärker, drehe sich aus ihrer ursprünglichen Ausrichtung hinaus und verbiege die Wirbelsäule. Nur bei etwa zehn Prozent der jungen Patienten sind muskuläre oder neurologische Krankheiten verantwortlich. In den anderen Fällen deuten aktuelle Studien auf genetische Ursachen hin. Denn: zum einen leiden häufig auch Familienangehörige an Skoliose, zum anderen sind Mädchen rund fünf Mal häufiger betroffen als Jungen. Eines haben aber alle Fälle gemeinsam: Je eher die Erkrankung entdeckt wird, umso besser kann sie behandelt werden.
„Eltern sollten deshalb gerade im wachstumsstarken Alter zwischen zehn und zwölf Jahren immer wieder den Rücken ihrer Kinder kontrollieren“, rät der Wirbelsäulenexperte. Auch als Laien können sie mit dem Vorbeugetest eine Verformung der Wirbelsäule leicht erkennen. Dabei beugt sich das Kind nach vorne, der Erwachsene stellt sich davor und überprüft, ob der Rücken auf beiden Seiten gleich steht. Zeigen sich an den Rippen Auswölbungen, sollte man rasch einen Orthopäden aufsuchen. Wenn der den Verdacht auf Skoliose bestätigt, kann er mit weiterführenden Untersuchungen eine sichere Diagnose stellen. „Röntgenaufnahmen zeigen, wo und wie stark die Wirbelsäule verformt ist.“ Nach dem Schweregrad richtet sich dann auch die Behandlung. „Bei einer leichten Form reicht oft schon regelmäßige Physiotherapie, um die Wirbelsäule wieder zu begradigen.“ Ist die Krümmung stärker, unterstützt ein für jeden Patienten individuell angefertigtes Korsett den Prozess. Damit der Stützapparat voll wirken kann, müssen Kinder das Korsett mindestens 22 Stunden am Tag tragen – auch wenn das schwerfällt.
Ist die Skoliose aber schon zu stark fortgeschritten, bleibt als letzter Ausweg nur eine Operation, um die Form zu korrigieren. Der Eingriff gehört zu den schwierigsten in der Orthopädie und wird nur von Spezialisten vorgenommen. Dr. Kafchitsas ist einer von rund 25 Wirbelsäulenchirurgen in Deutschland, der Kinder mit Skoliosen operiert. Die Besonderheit in Lindenlohe: Hier kommt eine minimalinvasive Methode mit kleinsten Schnitten zum Einsatz. Das Risiko einer Infektion und die Belastung für die Patienten sind damit viel geringer. Um dem Stützorgan selbst Halt zu geben, werden Wachstumsstäbe an Brust- und Lendenwirbelsäule befestigt. Sie sollen die verkrümmten Stellen so gut wie möglich wieder in ihre angedachte Form bringen. Weil das Kind weiterwächst, muss man die Implantate alle sechs Monate verlängern. Einen stundenlangen Eingriff braucht dabei aber niemand zu fürchten: „Die erste OP dauert normalerweise eine Stunde, jede nachfolgende nur rund 20 Minuten.“ Am Ende der oft jahrelangen Behandlung können die meisten Patienten als Erwachsene wieder mit geradem Rücken durchs Leben gehen.