Weltseniorentag – Vortrag zum Thema Demenz
Lich, September 2017 - Seit einem Beschluss der Vereinten Nationen vom 19. Dezember 1990, wird alljährlich am 01. Oktober der Welttag der älteren Menschen begangen.
Udo Jürgens wusste bereits 1977, dass „mit 66 Jahren da fängt das Leben an…“ und forderte schon damals mit seinem berühmten Schlager jeden auf, das Alter anders zu betrachten. In den 13 Jahren zwischen dem Hit von Udo Jürgens und dem Beschluss der Vereinten Nationen, wuchs der Anteil der 80 jährigen und älteren Menschen in Deutschland um 1,8 % und um weitere 3,6% bis 2014 (Statistisches Bundesamt).
Demgegenüber, hinkt unser Gesundheitssystem dieser Entwicklung hinterher.
Zurzeit gibt es nur 13 Lehrstühle an deutschen Universitäten und Medizinstudenten werden nicht systematisch in der Geriatrie ausgebildet. Viele ältere und auch jüngere Menschen kennen den Begriff Geriatrie meist nicht.
Ältere Menschen unterscheiden sich von Jüngeren jedoch in mehr als nur dem Alter. Krankheiten präsentieren sich sehr unterschiedlich bei älteren Patienten. Eine Lungenentzündung muss nicht unbedingt mit Fieber und Luftnot einhergehen. Ältere Patienten haben meist viele chronische Erkrankungen, eine sogenannte Multimorbidität. Erkrankungen führen schnell zu Einschränkungen in den Aktivitäten des alltäglichen Lebens und somit zu einem Verlust der Selbständigkeit. Darüber hinaus sind ältere Menschen sehr unterschiedlich. Manche spielen noch Golf oder Joggen mehrmals die Woche, während andere eine Rollator gebrauchen müssen, um zum Postkasten gehen zu können. Besondere Krankheiten die im Alter vermehrt auftreten, wie etwa Stürze, Gangunsicherheit und verschiedene Demenzerkrankungen, sind eine Herausforderung für den Geriater und benötigen ein Team von Experten, dass sowohl aus Pflegekräfte, als auch Physiotherapeuten und Sozialarbeiter besteht.
Insbesondere das Thema Demenz ist sehr präsent und geht mit einer großen Belastung für Betroffene und Angehörige einher.
Dr. med. Jürgen Bludau, Leitender Arzt der neueingerichteten geriatrischen Station der Asklepios Klinik Lich sprach kürzlich in Langgöns vor zahlreichen Zuhörern zum Thema „ Demenz-Wann muss ich mir Sorgen zum Vergessen machen?“.
Im Fokus standen dabei der Unterschied zwischen „normalem“ Vergessen und den ersten Anzeichen einer möglichen Demenzerkrankung sowie die entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten.
Demenzielle Erkrankungen, unter denen die Alzheimer-Demenz die häufigste Demenzform darstellt, sind eine der größten Herausforderungen für unser Gesundheitssystem in 21. Jahrhundert. Gut 110 Jahre nachdem Dr. Alois Alzheimer das „eigenartige Krankheitsbild“ seiner Patientin Auguste D. vor Psychiatern und Nervenärzten beschrieben hat, sind ca. 1,5 Million Menschen in Deutschland von dieser Krankheit betroffen und jährlich werden es etwa 300.000 mehr.
Demenz ist ein Syndrom als Folge einer langsam fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störungen höherer Gehirnfunktionen. Unter anderem betroffen sind vor allem das Gedächtnis, die Orientierung, die Lernfähigkeit, die Sprache sowie das Urteilsvermögen und die Fähigkeit zur Entscheidung. Diese Veränderungen führen dann zum Verlust der Alltagskompetenzen und zu Störrungen im Sozialverhalten und der emotionalen Kontrolle.
Diese Veränderungen entstehen über einen langen Zeitraum, was häufig dazu führt, dass frühe Warnzeichen einer möglichen Demenzerkrankung sowohl von dem Patient, als auch von Angehörigen leicht übersehen werden können.
Die Alzheimer Krankheit beginnt mit einem Verlust des Kurzzeitgedächtnisses. Termine werden verpasst und Betroffene stellen immer wieder dieselben Fragen. Das Namensgedächtnis lässt nach und selbst die Namen der engsten Freunde und von Verwandten werden vergessen und verwechselt. Der Betroffene beginnt sich unsicher zu fühlen, manchmal kommt es zu einer depressiven Verstimmung, vor allem wenn Angehörige und Freunde Bemerkungen machen. Natürlich vergessen wir schon mal den Namen eines Nachbarn, verlegen unseren Hausschlüssel und vergessen warum wir in den Keller gegangen sind. Wir können aber in der Regel mit einiger Konzentration “zurückdenken“ und den Schüssel finden und schließlich die Kartoffeln aus dem Keller holen.
Ein weiteres Merkmal einer beginnenden Demenzerkrankung ist, dass Betroffene schnell überwältigt sind von alltäglichen Aufgaben, die zuvor mit Leichtigkeit verrichtet wurden. Eine häufige Bemerkung von Betroffenen ist, dass ihnen Vieles einfach zu viel wird. Auch das Interesse an vielen Dingen lässt nach und man zieht sich aus dem Alltag zurück.
Obwohl wir von einer Heilung der Alzheimer Krankheit noch weit entfernt sind, kann eine frühzeitige Diagnose einige der oben beschriebenen Merkmale zum Teil verhindern oder wenigstens lindern. Um diesen Punkt ging es Dr. Bludau besonders in seinem Vortrag. Mit der Bitte an die Zuhörer anfangs unbedenklich erscheinende Veränderungen bei Angehörigen wie etwa wiederholte Anrufe und Fragen, unsicheres Autofahren, Konzentrationsschwäche, depressive Verstimmung, Schwierigkeiten den Haushalt zu führen und Veränderungen der Persönlichkeit nicht zu ignorieren und den Hausarzt darüber zu informieren. Ebenso, sollte man persönlich den Hausarzt um Hilfe bitten, wenn man sich Sorgen um sein Gedächtnis macht.
Wenn dann eine Demenz Erkrankung vorliegt, ist es sinnvoll so genannte Antidementiva Medikationen wenigstens Probeweise einzunehmen. Studien haben eindeutig gezeigt, dass Patienten mit unterschiedlichen dementiellen Erkrankungen von diesen Medikamenten profitieren. Hier sollte ein Nihilismus vermieden werden und dem Patient alles geboten werden.
Die Behandlung einer an Demenz erkrankter Person muss auch immer die Angehörigen miteinbeziehen. Der richtige Umgang mit und vor allem die richtige Kommunikationsstrategie mit an Demenz Erkrankten ist für die Lebensqualität beider Personengruppen wichtig.
Selbsthilfegruppen helfen Angehörigen bei individuellen Problemlösungen, Tagesstätten erlauben Angehörigen etwas Ruhe und Erholung und eine frühzeitige Planung bei den Finanzen und der Vorsorgevollmacht sind unentbehrlich.
Sollte der Pflegeaufwand zum Ende der Krankheit stark zunehmen, dann darf ein notwendiger Umzug in ein Pflegeheim nicht unnötig verschoben werden. Eine gute 24 Stunden Pflege ist zu Hause häufig nicht mehr möglich.
„So lange wir auf eine bessere Diagnostik und Therapie warten, müssen an Demenz Erkrankte und deren Angehörige kompetent behandelt und unterstützt werden“, so das Plädoyer von Dr. Jürgen Bludau.
Anschließend stand der Referent für die Beantwortung zahlreicher Fragen aus dem Auditorium zur Verfügung.
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