Adipositas-Selbsthilfegruppen und neue Wege während der Corona-Pandemie
Selbsthilfegruppen sind eine wichtige Unterstützung für Menschen mit zahlreichen Erkrankungen. Sie informieren Patienten, die frisch erkrankt sind, leisten Aufklärungs- und Lobbyarbeit, vernetzen Betroffene und machen auf die Situation Erkrankter in der Öffentlichkeit aufmerksam.
Adipositas kämpft noch immer um die Anerkennung als Erkrankung, wenngleich der Bundestag ganz aktuell in seiner Sitzung am 3.7.2020 Adipositas als Krankheit anerkannt hat. Selbsthilfegruppen spielen im Zusammenhang mit Adipositas eine zentrale Rolle, insbesondere, wenn eine operative Therapie der Adipositas erwogen bzw. konkret geplant wird oder bereits durchgeführt wurde.
Studien während der Corona-Pandemie haben gezeigt, dass adipöse Menschen aufgrund ihrer Begleiterkrankungen nicht selten zur Risiko- oder sogar Hochrisikogruppe zählen, schwer an Corona zu erkranken. Aus diesem Grund sind hier Schutz- und Isolationsmaßnahmen von besonderer Bedeutung. Diese Tatsache erschwert die Arbeit der Adipositas-Selbsthilfegruppen erheblich.
Mark Alexander, 39 Jahre, aus Gießen wurde 2012 selbst an einem Magenbypass operiert und konnte durch diesen Schritt sein Gewicht auf ein nun gesundes Maß halbieren. Seit 2016 leitet er mit Unterstützung von Frau Diana Dietrich eine Selbsthilfegruppe in Gießen und hat in 2020 eine neue Selbsthilfegruppe, die an das Adipositaszentrum Hessen-Mitte in Lich angegliedert ist, gegründet. Dem selbständigen Finanzmakler war schnell klar, dass der Lockdown die Treffen der Selbsthilfegruppe auf absehbare Zeit unmöglich macht und er hat nach Alternativen gesucht. Bereits seit einigen Jahren ist Mark sehr aktiv in den sozialen Medien unterwegs und vernetzt sich und seine Selbsthilfegruppe mit Betroffenen, Ärzten und Verbänden. So war es fast eine Selbstverständlichkeit, dass die Adipositas-SHG Hessen-Mitte eine der ersten war, die sich online über das Medium „Zoom“ getroffen und ausgetauscht hat.
„Zu einem der ersten Treffen haben wir den Adipositaschirurgen Dr. Jens Albrecht aus Lich eingeladen. Er hat sich dazugeschaltet und uns Fragen über das Coronavirus in Zusammenhang mit Adipositas beantwortet,“ berichtet Mark Alexander.
Heute sind Online-Veranstaltungen der Selbsthilfegruppen an der Tagesordnung, weil man sich noch immer schwer damit tut, Treffen mit vielen Leuten aus Risikogruppen auf engem Raum durchzuführen. Selbst die regelmäßig stattfindenden Informationsveranstaltungen des Adipositaszentrums werden aktuell über Zoom abgehalten (Infos unter www.azhm.de).
„Trotz aller Vorteile, die neue Medien, das Internet und Online-Konferenzen bieten, fehlt uns der direkte Kontakt, das direkte Gespräch“, schildert Mark die aktuelle Situation. „Wir gewinnen aber auch Teilnehmer, die sich sonst vielleicht nicht in eine Selbsthilfegruppe getraut hätten. Die Hemmschwelle, an einer Videokonferenz teilzunehmen, ist deutlich niedriger, als sich tatsächlich dort vorzustellen. Es besteht aber auch die Gefahr, dass Menschen, die ohnehin zur Isolation neigen und für die die SHG eine Gelegenheit war, sich unter Gleichgesinnten sicher bewegen zu können, sich dank der Möglichkeit, dies online erledigen zu können gar nicht mehr vor die Tür wagen. Aufgrund der Stigmatisierung von uns Adipositas-Betroffenen sind wir leider eher scheu und sprechen nicht gern offen über unsere Probleme. Das ist sehr schade, könnten doch andere Betroffene sehr von unseren Erfahrungen profitieren. „
Deshalb hat Mark sich vor kurzem entschlossen, seinen persönlichen Weg mit der Erkrankung Adipositas auch öffentlich über Instagram(#fromfat2fitlife) zu teilen. Dort schreibt er ganz offen und persönlich über seine Erfahrungen und teilt Tipps und Tricks rund um das gesamte Thema Adipositas und Ernährung. Er möchte damit Mut machen, sich mit dieser Erkrankung ehrlich auseinander zu setzen und hofft, den einen oder anderen Follower dazu zu ermutigen, endlich zu handeln oder eine Selbsthilfegruppe Online oder Offline zu besuchen.
„Die Selbsthilfegruppe ist ein wichtiges Rückgrat des Adipositaszentrums und wir sind froh, mit Mark Alexander einen so regen Partner gefunden zu haben,“ freut sich Dr. Jens Albrecht, Leiter der Adipositaschirurgie am Krankenhaus in Lich.
Wie so viele andere Menschen sehnen auch die Mitglieder der SHG-Hessen-Mitte das Ende der Corona-bedingten Einschränkungen herbei. „Aber auch wenn persönliche Treffen wieder erlaubt sind, werden Online-Veranstaltungen und die sozialen Medien weiter eine Rolle spielen“, prognostiziert Mark Alexander. „Nicht alles, was während der Coronazeit entwickelt wurde, wird wieder verschwinden. Über welche Kanäle ein Betroffener sich nun mit seiner Problematik auseinandersetzt ist ja effektiv egal, solange er am Ende den Mut findet sich Hilfe zu suchen.“
BUS: Dr. Jens Albrecht, Mark Alexander, Barbara Schmidt (Ernährungsexpertin Asklepios Klinik Lich)
Kontakt:
Dr. med. Jens Uwe Albrecht
Sektionsleiter Adipositaschirurgie
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie
Asklepios Klinik Lich GmbH
Goethestraße 4
35423 Lich
Tel.: 06404 / 81-292