Nordseeklinik schlägt Gesundheitsministerin Kristin Alheit Fachabteilung Geburtshilfe vor

Sylter Gesundheitsausschuss fordert zudem pädiatrische Versorgung

Es ist breiter gesellschaftlicher wie politischer Konsens, ein geburtshilfliches Angebot auf Sylt zu erhalten und die Versorgung sogar auszubauen. Hierzu bedarf es eines konkreten Umsetzungsvorschlags, der bislang fehlt. Die Nordseeklinik stellt heute der schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerin Kristin Altheit eine konkrete und zukunftssichere Lösung vor. Er beinhaltet den Ausbau der klinischen und ambulanten Versorgung auf der Insel, um bestehende Risiken und Gefahren für Mütter und Kinder zu verringern. In den beiden vergangenen Jahren gab es zwei tragische Todesfälle.

 

Die Nordseeklinik auf Sylt beherbergt seit vielen Jahren eine Geburtshilfe als Belegabteilung. Das bedeutet: Die Klinik stellt die Infrastruktur für die niedergelassenen externen Gynäkologen und die Hebammen, die mit ihren Patientinnen zur Entbindung kommen. Nicht die Klinik, sondern die externen Ärzte und Hebammen führen die Geburten durch. Diese rechnen sie auch direkt mit der Krankenkasse ab. Der Versorgungsauftrag des Landes Schleswig-Holstein ist auf eine Belegabteilung gemünzt, aus einer solchen Belegabteilung besteht die Geburtshilfe seit vielen Jahren und wurde vom Ministerium immer so akzeptiert.
 
Im Lauf des Jahres  stellte sich heraus, dass einer der beiden Belegärzte ab 2014 nur noch als Urlaubsvertretung zur Verfügung stehen würde. Zuletzt war er lediglich bereit, als „gynäkologischer Belegarzt“ in der Klinik zu wirken. Somit hätte der letzte verbliebene Geburtsmediziner an mehr als 300 Tagen im Jahr eine 24-Stunden-Rufbereitschaft allein abdecken müssen. Fällt er aus, etwa wegen Krankheit, gibt es keine geregelte Versorgung. Der verbleibende Arzt muss damit nicht nur elf Monate im Jahr auf der Insel bleiben. Er darf sich in dieser Zeit auch nicht weiter als zehn Minuten von der Nordseeklinik entfernen. Dieses ungelöste Problem hat nichts damit zu tun, wer die Haftpflichtversicherung für die Belegärzte bezahlt und welchen Versorgungsauftrag das Gesundheitsministerium wem erteilt hat.
Randnotiz: In der letzten Version der Belegarzt-Vereinbarung hatte auch dieser Mediziner die Geburtshilfe gestrichen und war nur noch bereit, die Gynäkologie abzudecken.


Für klinische Fachabteilung fehlen sechs Gynäkologen
 

Politik und große Teile der Bevölkerung verlangen, keine Kompromisse bei der medizinischen Qualität zu machen und begehren inzwischen ein Leistungsangebot, das eine echte Fachabteilung Geburtshilfe mit pädiatrischer Versorgung für Sylt erfordert. Dafür sind allein aus rechtlichen Gründen (Arbeitszeitgesetz) rechnerisch mindestens sechs Gynäkologen nur für die Geburtshilfe erforderlich. Eine solche Zahl wird man für Sylt allein nicht gewinnen können, wenn sich diese sechs Ärzte die wenigen Geburten auf der Insel (80-100 pro Jahr) teilen müssen. Jeder könnte dann im Schnitt nur ein bis zwei Geburten pro Monat betreuen. Das wäre beruflich unbefriedigend und abschreckend.
 
Aus diesen strukturellen Rahmenbedingungen ergibt sich: Die Gynäkologen müssen in einen größeren medizinischen Versorgungskontext eingebunden sein als den der Insel Sylt. Hierfür bieten sich das Diako Flensburg sowie das landeseigene UKSH an. Eine solche Lösung hätte qualitativ den Vorteil, dass die Ärzte durch eine Rotation in ihr Stammhaus die Routine aus einer angemessenen Mindestfallzahl erhalten. Sowohl das Diako als auch das landeseigene UKSH könnten eine solche Geburtshilfe leisten, wenn das Land den Versorgungsauftrag erteilt. Diako wie UKSH verfügen über eine Geburtshilfe mit Perinatalzentrum. Vom Stammhaus könnten Fachärzte im rotierenden Schichtbetrieb einpendeln und jeweils eine bestimmte Zeit (etwa eine Woche, um die Belastung für den Einzelnen überschaubar zu halten) den Dienst auf Sylt abdecken.


Sicherheit für Schwangere und Ungeborene vor der Geburt muss verbessert werden
 

Für die Ärzte müssen während der Inselphase zusätzliche Kassenarztsitze auf Sylt geschaffen werden. Ziel ist es, die Sicherheit für die Mütter und die ungeborenen Kinder erhöhen: Denn jetzt könnten Risiko-Schwangerschaften von den erfahrenen Geburtsmedizinern des Diako oder des UKSH frühzeitig erkannt und bei Bedarf aufs Festland verlegt werden. Für das Stammhaus ergibt sich so zudem die Chance auf eine gewisse Fallzahlsteigerung. Die zusätzlichen KV-Sitze werden durch einen Mindestumsatz abgesichert.
 
Für eine den medizinischen Leitlinien entsprechende Versorgung ist darüber hinaus ein Anwesenheitsdienst der Anästhesie und OP Pflege erforderlich. Zudem muss 24h/7 Tage die Woche eine Kinderkrankenschwester präsent sein. Die Vorhaltung der Kinderkrankenschwestern und der OP/Anästhesiebereitschaft wird über einen separaten Sicherstellungszuschlag geregelt.


Mehr Sicherheit nach der Geburt
 

Bislang fehlt auf Sylt ein Versorgungsauftrag für die klinische pädiatrische Versorgung der Kinder unmittelbar nach der Geburt. Die Nordseeklinik hat daher keine Pädiatrie. Auf der Insel befindet sich jedoch eine Fachklinik der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Die DRV Klinik könnte daher die pädiatrische Versorgung auf der Insel abdecken. Die Klinik verfügt als Fachklinik für Kinder und Jugendliche bereits über Kinderärzte, so dass hier eine Grundauslastung und fachliche Routine der Mediziner gewährleistet ist.
 
Im Zuge der Landeskrankenhausplanung kann das Gesundheitsministerium der DRV Klinik pädiatrische Akut-Betten zuweisen. Das Land sorgt für einen Ausbau der neonatologischen Grundversorgung in der DRV Klinik durch die Beschaffung entsprechender Medizintechnik und die Schulung der Rettungsdienstmitarbeiter für den Transport. Dadurch könnte das Ministerium sicherstellen, dass ein krankes Kind nach der Geburt nicht mehr von seinen Eltern durch eine Verlegung auf das Festland getrennt wird.


Stabile und zukunftsfähige Struktur
 

Die oben skizzierte Lösung erfordert den Einsatz von deutlich mehr Mitteln als bislang von der öffentlichen Hand´zur Verfügung gestellt werden. Die Nordseeklinik erhebt aber keinen Anspruch auf zusätzliche Gelder. Sie schlägt vielmehr vor, das neue Angebot in einer gemeinnützigen Geburtshilfe Sylt GmbH („3G Sylt“) umzusetzen. Hauptgesellschafter sind die Gemeinde Sylt, der Kreis sowie das Land, damit die gemeinnützige GmbH („gGmbH“) über den kommunalen Schadensausgleich abgesichert werden kann. Die gGmbH wird nach dem Selbstkostendeckungsprinzip finanziert.
 
Eine Alternative zur „3G Sylt“ wäre der alleinige Betrieb einer Geburtshilfe mit pädiatrischer Versorgung durch das landeseigene Universitätsklinikum UKSH. Die Asklepios Nordseeklinik wird jedenfalls Kreißsaal, Betten und Infrastruktur zur Verfügung stellen.  Ein Problem bei der Gewinnung der zusätzlich benötigten Fachkräfte ist bezahlbarer Wohnraum auf Sylt. Hier ist die Gemeinde Sylt gefragt, familiengerechte Lösungen für Ärzte und Kinderkrankenschwestern zu entwickeln.



Fakten zur Geburtshilfe auf Sylt
 

Die Nordseeklinik hat eine Geburtshilfe als Belegabteilung. Das bedeutet: Die Klinik stellt die Infrastruktur für die niedergelassenen externen Gynäkologen und die Hebammen, die mit ihren Patientinnen zur Entbindung kommen. Nicht die Klinik, sondern die externen Ärzte und Hebammen führen die Geburten durch. Diese rechnen sie auch direkt mit der Krankenkasse ab.
• Die Belegabteilung Geburtshilfe bedeutet für die Nordseeklinik keine wirtschaftlichen Verluste.
• Es gibt in der Medizin generell einen Zusammenhang zwischen der Höhe der Fallzahlen, der Erfahrung und Übung des Personals und damit der Sicherheit der Patienten. Dieser Zusammenhang wurde vielfach auch in der Geburtshilfe gefunden. Die Mindestanforderungen, die Justiz und Fachgesellschaften an Geburtshilfen stellen, sind hoch. Die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sagt dazu sogar: „Wo dies nicht gewährleistet werden kann, bleibt als Ausweg die Regionalisierung, konkret: die rechtzeitige Verlegung der Patientin oder die Schließung der Abteilung.“
• Andere Klinken auf dem Festland stellen deshalb ihre Geburtshilfe dann ein, wenn sie diese Vorgaben nicht mehr erfüllen können. So gab jüngst das Kreiskrankenhaus Wolfhagen die Schließung der Abteilung bekannt. „Begründung: In der Geburtshilfe wurden nach Auskunft der Gynäkologen die Leitlinien in den vergangenen Jahren stetig verschärft. Beispielsweise ist eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung der Neugeborenen durch Kinderkrankenpfleger oder entsprechend geschultes und erfahrenes Pflegepersonal vorgesehen. Die Ärzte sehen diese Anforderung auf Dauer im Wolfhager Krankenhaus nicht mehr gesichert, da es nicht möglich gewesen sei, offene Stellen im Bereich der Kinderkrankenpflege nachzubesetzen. (www.wlz-fz.de/Lokales/Waldeck/Bad-Arolsen/Kreiskrankenhaus-Wolfhagen-stellt-Geburtshilfe-ein)
• In den vergangenen beiden Jahren kam es in der Geburtshilfe auf Sylt zu zwei Todesfällen.
• Legt man die Daten der WHO zugrunde (siehe Tabelle unten), lag das Sterblichkeitsrisiko der Geburtshilfe auf Sylt in den vergangenen beiden Jahren auf dem Niveau von Armenien oder Kasachstan. Das entsprechende Risiko der Geburtshilfe auf Sylt war höher als in Costa Rica, Mexiko oder Albanien. Und dabei hatten  Risikoschwangerschaften die Sylter Einrichtung bereits vermieden, während sie in den Vergleichszahlen dieser Länder enthalten sind.
• Im Lauf des Jahres  stellte sich heraus, dass einer der beiden Belegärzte ab 2014 nur noch als Urlaubsvertretung zur Verfügung stehen würde. Zuletzt war er lediglich bereit, als „gynäkologischer Belegarzt“ in der Klinik zu wirken. Somit hätte der letzte verbliebene Geburtsmediziner an mehr als 300 Tagen im Jahr eine 24-Stunden-Rufbereitschaft allein abdecken müssen. Fällt er aus, etwa wegen Krankheit, gibt es keine geregelte Versorgung. Der verbleibende Arzt muss damit nicht nur elf Monate im Jahr auf der Insel bleiben. Er darf sich in dieser Zeit auch nicht weiter als zehn Minuten von der Nordseeklinik entfernen. Dieses ungelöste Problem hat nichts damit zu tun, wer die Haftpflichtversicherung für die Belegärzte bezahlt und welchen Versorgungsauftrag das Gesundheitsministerium wem erteilt hat. In der letzten Version der Belegarzt-Vereinbarung hatte auch dieser Mediziner die Geburtshilfe gestrichen und war nur noch bereit, die Gynäkologie abzudecken.
• Früher war die Arbeit der externen Frauenärzte über die Haftpflichtversicherung der Klinik mit abgedeckt. Inzwischen hat sich die Rechtslage geändert. Nun untersagen mehrere Bestimmungen zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitssystem, dass die Klinik die Haftpflicht für die externen Belegärzte weiterhin dauerhaft übernimmt.
• Würde die Klinik dennoch die Haftpflicht für die externen Belegärzte übernehmen, würden diese Gefahr laufen, ihre Approbation und ihre Zulassung zu verlieren. Dann gäbe es weder Geburtshilfe noch niedergelassene Frauenärzte auf Sylt. Auch wenn man damit argumentiert, dass andernorts noch die alte Praxis existiert, so ist damit noch lange nicht gesagt, dass dies auch rechtens ist. Sollten sich die Kliniken, die diese Praxis betreiben, aber in ihrer Rechtsauffassung irren, haben alle Beteiligten erhebliche straf- und berufsrechtliche Schwierigkeiten.
• Abgesehen von der (neuen) Rechtslage: Der bisherige Klinik-Versicherer (Zürich) hat sich in der Bundesrepublik aus der Klinikversicherung zurückgezogen. Die Nordseeklinik steht in Kontakt mit allen einschlägigen Versicherungen und Maklern. Derzeit scheint es nach den Erkenntnissen der Nordseeklinik schwierig, eine angemessene Versicherung für den verbleibenden Gynäkologen zu finden,  erst recht nach den Todesfällen in 2011 und 2012.
• Vergleich der Neonatalen Sterblichkeit pro 1000 Geburten gemäß Angaben der WHO:

 

 

Land Tote Babys pro 1000 Geburten*
Deutschland 2
Costa Rica 7
Mexiko 7
Albanien 8
Bahamas 8
Rumänien 8
Türkei 9
Armenien 10
Barbados 10
Fidschi Inseln 10
Kasachstan 10
Sylt 10 (2011), 12,5 (2012) - ohne vorab bekannte Risikoschwangerschaften
Kolumbien 11
Algerien 12
Ägypten 12
   
   

*Zahlen inklusive Risikoschwangerschaften
 
Quelle: WHO (http://apps.who.int/gho/data/node.main.ChildMort-2?lang=en)
 

 

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