Seelische Gesundheit: Neue Psychotherapien gegen Volkskrankheit Depressionen
- Psychotherapie bei Depressionen immer differenzierter je nach Form der
Erkrankung
- Achtsamkeitstraining schützt vor Wiederauftreten von Depressionen und Burnout
- Konsum von Partydrogen vorwiegend in Clubs
- Manche legale Drogen gefährlicher als verbotene Substanzen
Depressionen sind eine Volkskrankheit und gemäß WHO die Krankheit, welche den höchsten Verlust an Lebensqualitätsjahren verursacht – das erklärte Dr. Hans-Peter Unger, Chefarzt des Zentrums für Seelische Gesundheit des Asklepios Klinikums Harburg in einem Pressegespräch. Die größten Fortschritte wurden in den letzten Jahren bei den Psychotherapien gemacht. Sie können heute maßgeschneidert für die jeweilige Form der Depression angeboten werden und sind neben Medikamenten die zweite Säule der Behandlung. Ein zweites Thema bei dem Pressegespräch waren sogenannte Partydrogen. Sie sind meistens Amphetaminabkömmlinge in hoher Qualität und Reinheit und werden vorwiegend in Clubs beim Feiern konsumiert. Das sagte Dr. Peter Strate, Chefarzt der Klinik für Abhängigkeitserkrankungen der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll bei der gleichen Veranstaltung. Immer neue Substanzen werden entwickelt und kommen auf den Markt. Diese sind, bis sie verboten werden, zunächst legal – können aber weitaus gefährlicher sein, als verbotene Wirkstoffe. Das gilt für Drogen auf Amphetaminbasis wie auch Cannabinoide, die ähnlich wie Haschisch wirken.
„Wir beobachten, dass der Reinheitsgrad und die Qualität der synthetischen Rauschmittel zugenommen haben“, sagte Dr. Strate. Da die Komplikationen nicht zunehmen, scheinen die Konsumenten bewusster damit umzugehen und bei stärkerer Wirkung weniger zu konsumieren. Situationen wie die Homöopathentagung in der Nordheide Anfang September, bei der 29 Teilnehmer nach einem Drogenrausch stationär behandelt werden mussten, sind nach der Erfahrung des Chefarztes die Ausnahme. „Unter den illegalen Substanzen bleibt Cannabis bei den jungen Menschen die Hauptdroge. Um juristische Probleme zu vermeiden, weichen manche Konsumenten auf synthetische Abkömmlinge wie ‚Spice‘ aus, die eine Zeitlang nicht verboten sind. Diese wirken aber oft erheblich stärker“, erläutert Dr. Strate. Abgesehen von einigen Abhängigen, die sich wahllos mit allem betäuben, das sie bekommen können, weil sie ihr Leben nüchtern nicht aushalten, scheinen nach Strates Erfahrung die Konsumenten Wirkstoffe je nach Anlass und Ziel einzusetzen. Cannabis soll der Entspannung dienen, Amphetamin Ausdauer und Ekstase beim Feiern steigern. Eine besonders problematische Droge ist Crystal Meth, das bisher in Hamburg noch keine große Rolle spielt, so Dr. Strate. Der Psychiater hofft, dass es - wie bei Crack vor ein paar Jahren - gar nicht erst zu einer großen Konsumwelle in der Hansestadt kommt.
Zahl der Depressionen nimmt nicht zu – die Erkrankung ist nur nicht mehr verborgen
„Die Zahl der Depressionen oder der Erkrankten nimmt nicht zu, sie sind seit Jahren stabil“, sagte Dr. Hans-Peter Unger. „17 Prozent der Bevölkerung wird einmal im Leben an einer Depression erkranken. Damit ist die Depression die Volkskrankheit unter den psychischen Erkrankungen.“ Dass die Verbreitung der Erkrankung in der öffentlichen Wahrnehmung scheinbar ansteigt, führt Unger darauf zurück, dass Depressionen aus dem Schatten getreten sei. Man habe sie früher nur nicht wahrgenommen oder wahrnehmen wollen. Als positiv bezeichnete er die seiner Erfahrung nach geringere Stigmatisierung. Erkrankte treffen heute auf mehr Verständnis als noch vor zehn Jahren.
Manager haben ein Burnout – Putzfrauen eine Depression
Unger berichtete über die Entwicklungen bei der Behandlung. Während sich bei den Medikamenten nicht viel getan habe, werden die Psychotherapien immer mehr auf die Form der Depression maßgeschneidert. Hier werden unterschiedliche Verfahren angewandt, je nachdem ob sich um eine akute oder chronische Depression handelt oder ob ihr ein Erschöpfungsprozess oder psychische Traumata vorausgegangen sind. Die Aufforderung, sich zusammenzureißen, helfe gar nicht, so Dr. Unger. „Das würden die Betroffenen gerne tun, können es aber nicht.“ Unger plädiert für mehr Aufmerksamkeit für andere. „Wenn Veränderungen der Stimmung, von Energie und Antrieb und der Fähigkeit sich zu freuen und Interesse zu empfinden konstant länger als zwei bis vier Wochen anhalten, dann sollte man den Hausarzt konsultieren.“ Unger trainiert diese Aufmerksamkeit für Veränderungen auch mit Führungskräften, wenn er Unternehmen bei der seelischen Gesundheit ihrer Mitarbeiter und bei der Burnout-Vorbeugung berät.
„Burnout ist ein unklarer Begriff, deshalb sind wir froh, dass der mediale Hype allmählich zurückgeht. Wir können jetzt wieder klarer zwischen der Behandlung von Stress, Depressionen und der Prävention von chronischem Stress und Erschöpfung unterscheiden“, sagte Dr. Unger. Achtsamkeit, eine Veränderung der Haltung gegenüber Stressoren und die Verteidigung des persönlichen Spielraums sind seiner Erfahrung nach wichtig. Dazu riet Dr. Unger den Betroffenen, jeden Tag 20 bis 30 Minuten für sich selbst freizuhalten und einen „heiligen Termin“ pro Woche zu haben, der auch unter Zeitdruck und Belastung nicht abgesagt wird. Außerdem empfahl er Hobbys und wies auf die Bedeutung der Partnerschaft und sozialer Kontakte in der Vorbeugung von Burnout. Wie groß die Verwirrung um Burnout und Depression in den letzten Jahren war, zeigt auch die Bedeutung des sozialen Status bei der Diagnosestellung: Während bei der Küchenhilfe oder Putzfrau schneller eine Depression festgestellt wird, bezeichne man die gleiche Symptomatik bei einem Manager oder Lehrer als Burnout.
Videointerview mit Dr. Unger über Depression und Burnout:
https://www.youtube.com/watch?v=vbYvkvxEt5Q&feature=youtu.be
Link zur Abteilung von Dr. Unger:
https://www.asklepios.de/hamburg/harburg/experten/psychiatrie/
Link zur Abteilung von Dr. Strate:
http://www.asklepios.com/nord_abhaengigkeitserkrankungen.Asklepios?ActiveID=12253
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