Gutachten der BGV bestätigt Fehler in der Medizinphysik als Ursache für zehn Unterbestrahlungen in St. Georg

- Gutachter kritisiert Prüfbericht der ärztlichen Stelle von November 2014 und benennt wesentliche Vorwürfe als nicht nachvollziehbar
- Auflagen der BGV zur weiteren Verbesserung der Dokumentationstransparenz im Hermann-Holthusen-Institut werden umgesetzt

Das heute von der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV) vorgelegte, unabhängige Gutachten zu Fehlbestrahlungen in der Brachytherapie des Hermann-Holthusen-Instituts für Strahlentherapie in St. Georg zwischen den Jahren 2010 bis 2013 entkräftet wesentliche Aussagen des Prüfberichts der ärztlichen Stelle vom 19. November 2014. Insbesondere die Vorwürfe einer Überbestrahlung von Patienten, einer Bestrahlung ohne rechtfertigende Indikation oder einer nicht leitlinienkonformen Bestrahlung konnten nicht nachvollzogen werden.

Zur Frage, wie es zur Unterbestrahlung von insgesamt zehn Patienten kommen konnte, kommt der Gutachter zu dem Schluss, dass ein Mitarbeiter aus der Medizinphysik die Dosisverteilung im Bestrahlungsplan ungewollt falsch kalkuliert hat und dieser Fehler trotz des üblichen Vier-Augen-Prinzips nicht bemerkt wurde. Damit bestätigt der Gutachter im Wesentlichen die bereits bekannte Auffassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte von Oktober 2014. Weiter hält das Gutachten fest: Für die Ärzte und Medizinisch-technischen Röntgenassistenten war die Unterdosierung nicht ohne weiteres erkennbar.
 
Als die Klinik die Vorfälle im März 2013 entdeckte, wurden die Aufsichtsbehörden und die Herstellerfirma der Bestrahlungssoftware unverzüglich informiert. Nach eingehender Prüfung hatte die Klinik in Abstimmung mit der BGV ein Maßnahmenpaket aufgesetzt, damit dieser Fehler sich nicht wiederholt. Danach ist das Problem nicht wieder aufgetreten. Zu den Maßnahmen zählten insbesondere erneute Mitarbeiterschulungen.
 
Verfasst wurde das Gutachten im Auftrag der BGV durch den Strahlenexperten Prof. Dr. Bernhard Kimmig, den emeritierten Inhaber des Lehrstuhls für Strahlentherapie an der Christian-Albrecht-Universität in Kiel und Leiter der ärztlichen Stelle Schleswig-Holstein. Untersucht wurden alle Brachytherapiebehandlungen im Hermann-Holthusen-Institut für Strahlentherapie aus den Jahren 2010 bis November 2014. Prof. Dr. Kimmig stellt weitergehend fest, dass die Unterdosierung in keinem Fall für den Tod eines Patienten oder einer Patientin verantwortlich war. Alle Patienten litten an weit fortgeschrittenen oder wieder aufgetretenen Krebserkrankungen. Bemängelt wird von dem Gutachter jedoch eine in Teilen nur mit hohem Aufwand nachvollziehbare Dokumentation der Therapieabläufe im Untersuchungszeitraum sowie der Nachbehandlung und Entscheidungswege. Hier fordert der Gutachter eine Nachbesserung der Dokumentationspraxis, die von der BGV mit entsprechenden Auflagen unterlegt wurde.
 
Das Gutachten kritisiert aber auch die Vorgehensweise der ärztlichen Stelle in Hamburg bei der Erstellung des Prüfberichts vom 19. November 2014 zu den Vorgängen im Hermann-Holthusen-Institut für Strahlentherapie. Hier sieht der Gutachter die Gefahr der Befangenheit der Autoren des Prüfberichts, da sich ein Mitglied der Prüfkommission zuvor vergeblich um eine Anstellung im Hermann-Holthusen-Institut für Strahlentherapie bemüht und dies nicht angezeigt hatten.
 
„Das heute vorgelegte Gutachten hat die bereits bekannten Ursachen, die in einigen Fällen zu Unterbestrahlungen in den Jahren 2010 bis 2013 im Hermann-Holthusen-Institut für Strahlentherapie geführt haben, im Kern bestätigt. Wichtig ist, dass die unverzüglich von der Klinik und der BGV eingeleiteten Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Fälle umfassend und wirksam waren. Wir werden die Feststellungen des Gutachtens nun sorgfältig prüfen und - sofern es sich bei den Ursachen um Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter handelt - klären, welche arbeitsrechtlichen Implikationen sich daraus für uns ergeben“, sagte Dr. Thomas Wolfram, Sprecher der Geschäftsführung der Asklepios Kliniken Hamburg GmbH. Zur Verbesserung der auch von der ärztlichen Stelle bemängelten, in Teilen schwer nachvollziehbaren, Dokumentation hat die Klinik bereits im Oktober 2014 zielführende Maßnahmen eingeleitet und auditieren lassen, um die Klarheit der Patientenunterlagen zu verbessern. „Darüber hinaus gehende Vorgaben der BGV werden wir selbstverständlich umsetzen“, erklärte Dr. Wolfram weiter. „Unabhängig von der Frage des Verschuldens bedauern wir die Fehlbehandlung der betroffenen Patienten außerordentlich und begrüßen die nun durch das Gutachten geschaffene Transparenz und Klarheit über die damaligen Vorgänge. Die bereits laufende Aufklärung der genauen Hintergründe durch die Staatsanwaltschaft Hamburg, insbesondere, ob die Patienten geschädigt worden sind, werden wir weiterhin uneingeschränkt unterstützen“, sagte Dr. Thomas Wolfram.
 

Seite teilen: