Bilanz des Asklepios-Krebskongresses 2021: „Die Digitalisierung ist unsere Zukunft!“

Unter dem Motto „Krebs und Digitalisierung“ fand Anfang Februar der 3. Asklepios Krebskongress statt – coronabedingt in Form einer Onlineveranstaltung. Im Interview zieht PD Dr. Silke Tribius, Kongresspräsidentin und Chefärztin des Hermann-Holthusen-Instituts für Strahlentherapie an der Asklepios Klinik St. Georg, Bilanz und spricht über Chancen und Risiken digitaler Technologien in der Tumormedizin

Frau Dr. Tribius, warum haben Sie das Kongressmotto „Krebs und Digitalisierung“ gewählt?

Wir haben dieses Thema in einem größeren Kreis beschlossen – wenn nicht jetzt, wann dann? 2020 haben wir in der Pandemie erlebt, dass die Digitalisierung nicht nur Chancen bietet, sondern auf vielen Ebenen essenziell ist – beispielsweise für die Vernetzung, Stichwort Homeoffice und Homeschooling, oder für die Behandlung von Patienten, die Angst haben, aufgrund der Pandemie in eine Sprechstunde zu kommen, Stichwort Videosprechstunde. Hinzu kommt, dass im Bereich Medizin künftig zunehmend Apps und Sensorik zur Datenübermittlung genutzt werden. Sowohl national als auch international haben wir angesichts dessen ein tolles Feedback für unser Kongressmotto erhalten und hervorragende Referenten gewonnen.

Inwiefern verändert die Digitalisierung Tumormedizin und Klinikalltag?

Aus meiner Sicht liegen drei Schwerpunkte in der Digitalisierung: Effektivität, Effizienz und neue Qualität. Elemente, die sich natürlich auch im Klinikalltag widerspiegeln. Im Asklepios Tumorzentrum Hamburg halten wir unsere Tumorkonferenzen inzwischen weitgehend digital ab und besprechen Fälle häuserübergreifend, was sich als äußerst effektiv erweist. Hier haben die Pandemie-Kontaktbeschränkungen sicherlich einen Extraschub gegeben – auch Kongresse und Fortbildungen betreffend, die immer häufiger digital stattfinden. Ein anderes Beispiel sind Sensorik und künstliche Intelligenz (KI), also das Erkennen von Mustern für bessere und schnellere Therapien. Solche digitalen Analysemöglichkeiten steigern die Effizienz – und das bedeutet für meine Kollegen und mich, kostbare Personalressourcen an den richtigen Stellen einsetzen und bestimmte Aufgaben wieder selbst übernehmen zu können. Last but not least bietet Digitalisierung die Chance, Wertschöpfungsketten neu zu denken: Dinge, die sich vorher nicht umsetzen ließen, weil sie zu teuer oder technisch nicht möglich waren, können nun verwirklicht werden. Das entspricht einer neuen Qualität in der Medizin.

Inwieweit können digitale Technologien dazu beitragen, den Krebs zu besiegen?

In Anbetracht der demografischen Entwicklung ergibt sich zwangsläufig das Muss zur Digitalisierung. Wir erleben einen Paradigmenwechsel und sehen, was mit Digitalisierung möglich ist, was Sensorik abbilden kann und was KI leistet. Bereiche wie die Radiologie und die Pathologie beispielsweise profitieren enorm von den neuen Technologien, denn dank Big Data können mittlerweile Millionen Bilder binnen kürzester Zeit miteinander verglichen und ausgewertet werden. Die KI-Programme erlernen bestimmte Muster, liefern zielsicher Diagnosen und Therapieansätze. Unabhängig davon erobert Digitalisierung immer mehr auch den Lifestyle-Bereich – etwa in Form von Smartwatches oder implantierbaren Chips. Davor dürfen wir uns nicht verschließen.

Kritiker betonen, Deutschland verschlafe die Digitalisierung – nicht nur im Gesundheitswesen. Teilen Sie diesen Eindruck?

Tatsächlich müssen wir extrem aufpassen, dass wir den Anschluss nicht verlieren. Unsere Kliniken und Praxen werden inzwischen verstärkt von der Generation 60+ aufgesucht, die wie selbstverständlich Smartphones und WhatsApp nutzt. Die Zehn- bis 40-Jährigen dagegen setzen eher auf Apps und Smartwatches, die im Rahmen der Früherkennung von Erkrankungen künftig sicherlich von Nutzen sein werden und möglicherweise auch zur Reduktion von Behandlungskosten führen. Unsere Aufgabe als Mediziner ist es nicht nur, Patienten zu behandeln und sie im besten Falle zu heilen, sondern auch, uns über die neuesten digitalen Innovationen zu informieren. Es darf keinesfalls dazu kommen, dass Patienten uns ihre Health-Tools erklären – so wie das beispielsweise an Schulen der Fall ist, wenn Kinder Lehrer über digitale Neuheiten aufklären.

Fungiert der in Deutschland recht strikt gehandhabte Datenschutz als Hemmschuh?

Datenschutz ist wichtig und sollte keinesfalls leichtfertig riskiert werden. Aber ich wünsche mir manchmal, dass man Patienten mehr Entscheidungsmöglichkeiten lässt, wie mit ihren Daten oder Bildern verfahren werden soll bzw. darf. Das würde vieles im klinischen Alltag erleichtern.

Gibt es besondere Digitalisierungsprojekte, die derzeit auf der Agenda des Tumorzentrums stehen?

Ja. Zum einen die sogenannte Onko-Akte. Diese digitale Akte wurde kürzlich in Hamburg eingeführt und ist häuserübergreifend einsehbar. Dadurch fällt die Neudokumentation weg, wenn Patienten standortübergreifend betreut werden. Das spart Ressourcen und ermöglicht, noch stärker auf die Patienten einzugehen. Zum anderen haben wir in den Hamburger Häusern ein Chemotherapie-Bestellsystem etabliert, das die Patientensicherheit erhöht und standardisierte Protokolle erstellt. Auch das macht das Arbeiten effektiver und effizienter.

Gibt es aus Ihrer Sicht Grenzen der digitalgestützten Versorgung?

Die Zukunft der digitalen Innovationen lässt sich schwer vorhersagen. Der Blick in die Vergangenheit lehrt jedoch, dass wir den Fortschritt gerne unterschätzen. Wichtig ist allerdings: Medizin heißt immer auch, dass es um Patienten, also um Menschen geht. Der persönliche Kontakt und das soziale Miteinander werden maßgeblich bleiben. Patienten zu betreuen, für sie und ansprechbar zu sein – das kann und wird die Digitalisierung sicher nicht ersetzen.

Digitalisierungsskeptiker fürchten, dass wir uns zu stark abhängig von der Technik machen. Tatsächlich gab es zuletzt mehrfach Hacker-Angriffe auf Kliniken …

Sicherlich ist das ein Punkt, den man im Auge behalten muss. Aus diesem Grund plädiere ich dafür, dass man den Bereich der Informationstechnik (IT) stärken und ideal aufstellen muss. Aus meiner Sicht ist die IT sogar das Fundament eines funktionierenden Unternehmens und damit auch eines Krankenhauses. IT-Mitarbeiter sind im Klinikbetrieb mindestens so wichtig wie Pflegende und Ärzte. Denn nicht nur die Technik – auch die Mitarbeiterzufriedenheit seitens des medizinischen Personals steht und fällt mit einer funktionierenden IT und entsprechenden Softwarelösungen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die IT konstruktiv an bestehende Probleme herangeht und als Unterstützer und nicht als „Verhinderer“ digitaler Innovationen wahrgenommen wird. Ich bin sicher, die Bereiche Medizin und IT können extrem voneinander profitieren.

Ist dies auch ein Fazit des Kongresses?

Ja, durchaus. Der Krebskongress hat natürlich nicht nur den Bereich Digitalisierung ins Visier genommen, sondern auch viele Fachfragen der Tumormedizin beleuchtet. Aber es wurde deutlich, dass man Digitalisierungsprozesse immer mitdenken muss. Wir haben viel Zuspruch für das Konzept erhalten, konnten bei jungen Menschen und Medizinern Interesse für das Themenfeld Onkologie wecken. Die Botschaft ist eindeutig: Die Digitalisierung ist unsere Zukunft! Und wenn wir dieses Credo konzernweit verinnerlichen, sind wir definitiv auf dem richtigen Weg!

Interview: Janina Darm

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