Zwischen Realität und Rausch: Komplexe Krankheitsbilder gemeinsam verstehen und behandeln

Die Zahlen sind alarmierend: In Deutschland leiden 1,6 Millionen Menschen an einer schweren psychischen Erkrankung (SMI), 70 Prozent davon an einer Psychose. Ihre Lebenserwartung ist um 20 Jahre verkürzt. 2023 gab es 1.990 Drogentote – ein Rekord. 1.200 Verkehrstote 2024 wurden mit Alkohol in Verbindung gebracht. Neue psychoaktive Substanzen und die steigende Zahl forensisch untergebrachter Patient:innen mit Doppeldiagnosen verschärfen die Lage. Diese Entwicklungen verdeutlichen den Bedarf an neuen Behandlungsstrategien und gesellschaftlicher Sensibilisierung. Zahlreiche Expert:innen aus Psychiatrie, Sozialarbeit und verwandten Fachdisziplinen kamen jetzt aus allen Teilen Deutschlands zusammen, um aktuelle Entwicklungen zu diskutieren und neue Konzepte voranzutreiben.

Foto: Referent:innen und Organisator:innen des Fachtags 2025
Referent:innen und Organisator:innen dies Fachtags „Psychose und Sucht“

Die komplexe Doppeldiagnose aus Psychose und Sucht tritt häufig mit weiteren Komorbiditäten wie posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) oder depressiven Störungen auf und erfordert interdisziplinäre Ansätze sowie innovative Behandlungsstrategien. Dies wurde beim Fachtag „Psychose und Sucht“ mit dem Schwerpunkt „Empowerment & innovative Behand-lungsansätze“ an der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll deutlich. Ein besonderes Augenmerk lag bei diesem Fachtag darauf, Vorurteile abzubauen und die Bedürfnisse dieser oft marginalisierten, stigmatisierten und benachteiligten Patientengruppe stärker in den Fokus zu rücken. 

„Die hohe Beteiligung zeigt, dass das Thema viele Fachleute bewegt“, resümierte Dr. Aljosha Deen, Oberarzt an der Klinik für Abhängigkeitserkrankungen und Koordinator der Veranstaltung.

Neue Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis

Der Fachtag lieferte wichtige Impulse für die Behandlung von Menschen mit der Doppeldiagnose Psychose und Sucht. Ein zentrales Ergebnis war die Erkenntnis, dass der Konsum von psychoaktiven Substanzen wie Cannabis oder Amphetaminen das Risiko für psychotische Episoden verstärken und bestehende psychische Erkrankungen verschärfen kann. Dieser Zusammenhang unterstreicht die Notwendigkeit, Substanzabstinenz als integralen Bestandteil der Therapie zu begreifen. Dabei zeigt sich auch, dass bei vielen Patient:innen mit psychischen Erkrankungen weitere Komorbiditäten wie Posttraumati-sche Belastungsstörungen (PTBS) häufig auftreten. Innovative Therapieansätze, wie die Traumafokussierte Psychotherapie (TFP), bieten hier vielversprechende Ansätze, um traumatische Erlebnisse zu verarbeiten, ohne die psychotischen Symptome zu verstärken.

Ein weiteres zentrales Thema war die besondere Herausforderung der Behandlung von schwangeren Frauen mit schweren Abhängigkeitserkrankungen und psychischen Störun-gen während der Peripartalzeit. Hierbei gilt es, die besonderen Bedürfnisse von Mutter und Kind zu berücksichtigen, um Rückfälle zu vermeiden und eine sichere Schwangerschaft und Mutterschaft zu gewährleisten.

Besonders beeindruckend war die Vorstellung des metakognitiven Trainings, das auf der Station O32B der Klinik für Abhängigkeitserkrankungen in der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll in Erprobung ist. Dieser innovative Ansatz soll Patient:innen mit Psychosen und Depressionen helfen, ihre Denkprozesse besser zu verstehen und zu steuern. Das Training bietet nicht nur eine wertvolle Unterstützung im therapeutischen Prozess, son-dern wird derzeit zudem erstmalig in Zusammenhang mit schweren Abhängigkeits-erkrankungen wissenschaftlich untersucht, um die Effektivität weiter zu belegen und neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Interdisziplinärer Austausch als Schlüssel zum Erfolg

Die Diskussionen während des Fachtags bestätigten einmal mehr die Bedeutung des interdisziplinären Austauschs in der Behandlung von Patient:innen mit komplexen Diagnosen. „Nur durch enge Zusammenarbeit zwischen Psychiater:innen, Therapeut:innen, Sozialarbeiter:innen und weiteren Fachkräften können wir nachhaltige Fortschritte erzielen“, so Dr. Peter Strate, Chefarzt der Klinik für Abhängigkeitserkran-kungen.

Abschließend betonte Dr. Aljosha Deen, Oberarzt und Koordinator des Fachtags, die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der Behandlungsansätze und einer stärkeren Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Herausforderungen dieser Patient:innen: „Wir müssen weiterhin gemeinsam daran arbeiten, diesen Patient:innen eine adäquate Behandlung zu ermöglichen und ihre Bedürfnisse stärker in den Fokus der öffentlichen Diskussion zu rücken.“

Dank an die Hauptorganisator:innen und Vortragenden

Ein besonderer Dank gilt neben dem Hauptorganisator des Fachtags, Dr. Aljosha Deen (OA O32B, Psychotische Störungen, Klinik für Abhängigkeitserkrankungen AKO) weiteren Verantwortlichen, darunter vor allem Jason Porsch (OA O30, Aufnahmestation, Klinik für Abhängigkeitserkrankungen AKO), Sarah Siebert (ärztliche Leiterin TPS – Therapiezen-trum Psychose und Sucht Hamburg), Wolfgang Hacke (Fachbereichsleitung TPS), Ulrike Redeker (Aufnahmeleitung TPS) und Dr. Marion Höfle (Psychologische Psychotherapeutin TPS). Ebenso danken wir den Vortragenden, die wertvolle wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse teilten und den interdisziplinären Austausch anregten, Dr. Deborah Scholz-Hehn (Agaplesion Markus Krankenhaus Frankfurt), Prof. Dr. Ingo Schäfer (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf), Prof. Dr. Sarah Kittel-Schneider (University College Cork, Irland), Dr. Ruth Veckenstedt (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf)

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Im interdisziplinären Austausch entwickeln die jeweiligen chirurgischen Abteilungen mit den die Spezialist:innen aus  Onkologie, Radiologie, Chirurgie und Strahlentherapie für jede:n Patient:in einen individuellen Therapieplan – von der Diagnose bis zur Nachsorge.

„Es ist uns besonders wichtig, dass unsere Patient:innen nicht nur während der Behandlung, sondern auch in der Nachsorge bestens betreut werden. Wir setzen auf eine kontinuierliche Betreuung und die enge Zusammenarbeit mit Hausärzten und anderen Fachärzten, um die bestmögliche Versorgung sicherzustellen“, betont Prof. Dr. Klaus Herrlinger, Ärztlicher Direktor der Asklepios Klinik Nord, Chefarzt der Inneren Medizin I und Stellvertretender Leiter des Darmkrebszentrums (DKZ).

Über die Asklepios Klinik Nord - Ochsenzoll

Die Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll gehört zu den größten Fachkliniken für Psychiatrie und Psychotherapie in Deutschland. Mit über 1.000 stationären und teilstationären Behandlungsplätzen sowie einem breiten ambulanten Angebot versorgt sie an insgesamt zehn Standorten Patient:innen mit psychischen Erkrankungen, einschließlich Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, Traumafolgestörungen und Suchterkrankungen. Durch die enge interdisziplinäreZusammenarbeit und den Einsatz innovativer Therapieansätze setzt die Klinik Maßstäbe in der psychischen Gesundheitsversorgung. Der Standort ist zudem eine der größten forensischen psychiatrischen Einrichtungen Norddeutschlands mit nahezu 400 Behandlungsplätzen für Männer und Frauen.

Instagram: @asklepioskliniknord

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