Gedenktag: 80 Jahre Deportation jüdischer Patienten aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn

Am 23. September 1940 wurden 136 jüdische Patientinnen und Patienten aus der Heil- und Pflegeanstalt Langenhorn, der heutigen Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll, abtransportiert. Dies war der erste Abtransport aus Hamburg im Rahmen der NS-Euthanasie und die erste Deportation jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Hamburg. Die Betroffenen wurden noch am selben Tag in der Gaskammer der zur Euthanasieanstalt umgebauten Haftanstalt in Brandenburg ermordet. Dieses Ereignis jährt sich in diesem Jahr zum 80sten Mal. Ein Grund, innezuhalten.

bild: gedenktafel

„Inklusion ist heute ein Menschenrecht. Das ist eine große zivilisatorische und demokratische Errungenschaft. Dass die Menschen nicht gleich, aber gleich viel wert sind, diese Erkenntnis hat sich allerdings erst allmählich durchgesetzt“, sagt  Dr. Melanie Leonhard,  Senatorin der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration in Hamburg.

 

„Heute wie damals geht den Taten ein bestimmtes Denken voraus, dem wir nicht gleichgültig gegenüber sein dürfen. Der Wert eines Menschen ist nicht messbar und nicht verhandelbar. Er richtet sich nicht nach seinen Fähigkeiten oder Eigenschaften. Das muss nicht nur in den Gesetzen, sondern auch in allen Köpfen ankommen. Es ist daher wichtig, dass es inzwischen eine Gedenkstätte nur für die Opfer der NS-Euthanasie in Hamburg gibt und dass wir der Opfer heute gemeinsam gedenken. Wichtig für die Angehörigen und für unsere Demokratie, die auf der Unantastbarkeit der menschlichen Würde beruht.“

 

Schätzungen gehen davon aus, dass insgesamt mindestens 5.000 bis 6.000 Menschen aller Glaubensrichtungen in unserer Stadt wegen einer Behinderung oder einer von NS-Ärzten diagnostizierten „geistigen Erkrankung“ getötet worden sind.

Jüdische Anstaltspatienten als erster „Versuch“ für Massentötungen

Die 136 jüdischen Anstaltspatientinnen und Anstaltspatienten waren die ersten, die aus Hamburg direkt in die Gaskammern deportiert wurden. Dieses frühe Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten sollte in gewisser Hinsicht wie ein „Erstversuch“ für das flächendeckende Vernichtungsprogramm an allen Juden funktionieren. Der erste zentral aus Berlin angeordnete „Euthanasie“-Transport aus Hamburg betraf die jüdischen Anstaltspatientinnen und -patienten. Eigentlich sollten Juden von der „Wohltat des Gnadentodes“, so der unmenschliche Sprech der Nationalsozialisten, ausgeschlossen bleiben. Durch einen Erlass des Reichsinnenministers vom 30. August 1940 wurden im Sinne der Nürnberger Gesetze als Juden geltende Psychiatriepatientinnen und -patienten und Heimbewohnerinnen und -bewohner jedoch in wenigen Sammelanstalten zusammengezogen. Für den norddeutschen Raum wurde Langenhorn als Sammelstelle vorgesehen.

Die Rolle der Psychiater

Bereits 1920 veröffentlichten  der Jurist Karl Binding und der Psychiater Alfred Hoche die Schrift "Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens". Das Werk prägte die Vorstellung, Menschen als "lebensunwert" einstufen zu können und menschliches Leben an wirtschaftlicher Rentabilität zu messen. Die Ermordung von kranken oder behinderten Menschen wurde so gerechtfertigt. Hoche und Binding lieferten die zentrale programmatische Grundlage für die NS-Euthanasie.

 

„Wenn wir ein bewegendes Gedenken aufrechterhalten wollen, dann müssen wir uns immer wieder aufs Neue an diesem Ort des Geschehens zusammenfinden und immer wieder aufs Neue von den grausamen Geschehnissen hören“, sagt Prof. Dr. Claas-Hinrich Lammers, Ärztlicher Direktor der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll. „Gerade die Zeit des Nationalsozialismus ist auch eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Psychiatrie. Der heutigen Psychiatrischen Klinik Ochsenzoll kommt daher eine besondere Bedeutung zu, wenn es darum geht, die Geschehnisse in der Geschichte der Klinik nicht vergessen zu lassen und gleichzeitig die Verantwortung für das Wohl der Patienten, die sich uns heute hier anvertrauen, umso aktiver wahrzunehmen und täglich zu leben.“

Erinnern und Innehalten

Mit der heutigen Gedenkveranstaltung möchten die Initiatoren, die Senatskanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg, die Jüdische Gemeinde Hamburg, die Evangelische Stiftung Alsterdorf  und die Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll, gemeinsam mit den Hamburgerinnen  und Hamburgern derer gedenken, die hier an diesem Ort Schutz suchten und stattdessen den Tod fanden.

 

„Für uns heute ist es wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern, dass es die jüdischen Anstaltspatientinnen und Anstaltspatienten waren, die als erste in die Gaskammern deportiert wurden. Die sogenannten nicht-jüdischen Anstaltspatienten folgten erst später, ebenso der Massenmord an den europäischen Juden, der auf dem Know How der frühen Gaskammern für die Anstaltspatienten aufbaute. Euthanasie und Holocaust hängen eng zusammen“, sagt Dr. Michael Wunder von der Evangelischen Stiftung Alsterdorf.

 

Unter Vorspiegelung falscher Verlegungsinformationen kamen an jenem 23. September vor genau 80 Jahren diese ersten Patientinnen und Patienten in einer Gaskammer ums Leben.

 

„Die Menschen, die von hier aus in die Ermordung geschickt wurden, haben keine Gräber. Deshalb legen wir einen Stein an der Erinnerungstafel hier an der Gedenkstätte der Asklepios Klinik Nord – Ochsenzoll ab und zeigen so,  dass wir heute hier waren, um ihrer zu gedenken, und jeden Einzelnen von Ihnen nicht vergessen haben“, schließt Philipp Stricharz von der Jüdischen Gemeinde Hamburg.

Kontakt

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