Aufwendige HIPEC-Operation erstmals in der Harzregion vorgenommen
Es ist eine bundesweit vergleichsweise mit anderen Eingriffen seltene, technisch und apparativ aufwendige Operation, die Rede ist von dem sogenannten „HIPEC“-Verfahren (Hypertherme Intraperitoneale Chemotherapie): In der Asklepios Harzklinik Goslar ist nun erstmals eine solche Operation durchgeführt worden, es ist zugleich die erste dieser Art in der gesamten Harzregion, unter dem Team von Privatdozent (PD) Dr. med. Dean Bogoevski, Chefarzt der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie.
Bundesweit gibt es vergleichsweise nur wenige solcher Behandlungen
Die aufwendige Operation in der Harzklinik stellt einen weiteren entscheidenden Schritt beim Ausbau der Abteilung von PD. Dr. med. Bogoevski dar: Denn die Asklepios Harzklinik Goslar will sich mittelfristig als ein umfassendes Darm- und Pankreas-Zentrum zur Behandlung von Tumorerkrankungen etablieren, das unter anderem auch die Leberchirurgie mit einschließt. Renate B., 61, eine frühere Altenpflegerin aus Gifhorn (Niedersachsen), jetzt im Ruhestand, ist die erste Patientin, die mit dem HIPEC-Verfahren im Harz behandelt wurde. Das erfolgreiche Ergebnis: Der Darmkrebs wurde entfernt und Renate B. ist jetzt tumorfrei.
„Die HIPEC-Operation in Verbindung mit der sogenannten cytoreduktiven Chirurgie, bei der es um die Entfernung des Bauchfells geht, ist in gut ausgewählten Fällen in früher ausweglos erscheinenden Situationen bei Bauchfellkrebserkrankungen eine neue, erfolgsversprechende Möglichkeit für einige Patienten“, erläutert der Chef-Operateur, PD Dr. med Bogoevski.Aus seiner früheren Tätigkeit im Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf hat der Chefarzt die Spezial-Erfahrung in diesem Verfahren.
Die Geschichte der Patientin Renate B. ist dramatisch: Im Notarztwagen war sie mit starken Bauchschmerzen in die Asklepios Harzklinik Goslar eingeliefert worden – in letzter Minute. Die Diagnose: Darmkrebs. Der Darm war schon durchgebrochen, es gab Leber- und Bauchfell-Metastasen. In drei Operationen (davon eine Notoperation) wurde sie von Spezialteams behandelt, davon in einem „HIPEC-Verfahren. „Ich dachte, bei der Diagnose Darmkrebs an das Schlimmste. Jetzt bin ich überglücklich, fühle mich wieder wohl“, sagt Renate B., die langsam wieder zu Kräften kommt. Es sei ein „Glücksfall“, dass sie sich gerade noch rechtzeitig in die Klinik begeben habe. Sie ist unendlich dankbar: „Die Medizin ist für mich wie ein Wunder. Ich habe eine zweite Chance im Leben bekommen und die will ich nutzen“, sagt sie. Bei ihr seien die Schmerzen urplötzlich gekommen, eine Darm-Vorsorgeuntersuchung hatte sie nicht gemacht. Ihre Botschaft an andere Menschen: „Ich kann nur jedem raten, solche Vorsorge-Untersuchungen zu machen.“ Ihre nächsten Pläne: ihr Hobby, die Gartenarbeit, und im Kreise ihrer Familie sein, Reisen. Ihre Tochter lebt und arbeitet in den USA.
In ganz Deutschland werden pro Jahr nach Angaben des Marktführers des HIPEC-Geräts schätzungsweise zwischen 1500 und 2000 solcher HIPEC-Operationen vorgenommen, nur in darauf eingerichteten, spezialisierten Kliniken. Wichtig ist große Facherfahrung des OP-Teams, dass die beteiligten Fachdisziplinen gut miteinander zusammenarbeiten und vor allem, dass der Patient und die Angehörigen gut über die Behandlung, deren Risiken und Chancen sowie alternative Behandlungswege informiert sind. Das Team besteht aus mehreren Ärzten der Chirurgie, der Anästhesie, der Gynäkologie, der Urologie und Pflegekräften der Operations-, Anästhesie- und Intensivpflege.
Hintergrund:
Es handelt sich um ein ganz spezielles Verfahren: Zunächst werden bei der auf das Bauchfell ausgedehnten Krebserkrankung sämtliche sichtbare Tumorbestandteile operativ entfernt. (Resektion). Dann wird der Bauchraum durch die Spülung des Bauchraumes mit erwärmter Chemotherapielösung behandelt. In einer ersten Operation wird der Bauchraum erkundet. Häufig findet im Rahmen dieser Operation die histologische Sicherung statt, also eine mikroskopische Analyse von Gewebe, um den Zustand der Zellen in bösartig oder gutartig einzuteilen. Und: Es wird die sogenannte Peritonealkarzinose-Index (PCI) erhoben, dabei geht es darum, wie intensiv der Befall des Bauchfells, des sogenannten Peritoneums, mit multiplen bösartigen Tumorzellen ist. Nur wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, die Art des Tumorgewebes auf die HIPEC anspricht und eine Entfernung aller sichtbaren Tumorzellen realistisch erscheint, macht ein solches Operationsverfahren. Wenn die Entscheidung nach ausführlichen Gesprächen mit dem Patienten dafür gefallen ist, wird alles Tumorgewebe operativ entfernt. Erst bei vollständiger Resektion kommt es zur letzten Operation. Hierbei werden im Bauchraum Schläuche (Drainagen) und Temperatursonden platziert und das Chemotherapeutikum über die speziellen Pumpe für 60 bis 120 Minuten durch den Bauchraum gespült. Chemotherapeutika wirken zumeist so, dass sie in die stattfindende Zellteilung der Tumore, aber auch der unveränderten Zellen des Körpers, eingreifen und zum Zelluntergang führen.
Während und nach dieser Operation sind die Anästhesisten, Intensivmediziner gefragt. Diese schützen den Patienten vor möglichen Nebenwirkungen und therapieren diese, wenn sie auftreten. Eine solch aufwendige Operation und die Wirkung der Chemotherapie belasten den Körper sehr. Komplikationen, Nebenwirkungen, sind eine Störung der blutbildenden Zellen im Knochenmark, Nierenfunktionsstörungen, Blutvergiftungen, Beeinträchtigung der Lungenfunktion und einige andere mehr. Häufig kommt es vor, dass sich ein Tumor nicht in Fernorgane und in den benachbarten Organsystemen, sondern nur auf das Bauchfell ausweitet. Zur Therapie solch ausgebreiteter Erkrankungen sind spezialisierte Verfahren notwendig. Das Team ist hierbei wichtig: Da hier trotz bestehender Leitlinien sehr individuell auf die Patienten eingegangen werden muss, werden solche Fälle vor Einleiten einer Therapie immer interdisziplinär in einer so genannten Tumorkonferenz diskutiert. Dabei entwickeln Onkologen, Gastroenterologen, Strahlentherapeuten, Gynäkologen, Radiologen, Pathologen und Chirurgen Behandlungspfade, die nach dem aktuellsten Stand der Wissenschaft die bestmöglichen Ergebnisse erwarten lassen. Hierzu gehört die Entfernung von Metastasen (Tochtergeschwulste), eine vorbereitende Strahlen- und/oder Chemotherapie und auch die Durchführung einer cytoreduktiven Chirurgie (Entfernung des Bauchfells) und HIPEC.