Bei der Ausbildungsplatzsuche erfolgreich: Junger Eritreer fühlt sich integriert.
Anhaltender Terror, Gewalt, Verfolgung, lebenslange Militärpflicht, willkürliche Folterungen und Perspektivlosigkeit in bitterer Armut sind für Hundertausende zumeist junge Eritreer triftige Gründe um aus ihrem Land zu fliehen. Einer von ihnen ist Yosief Debessay Araya. Getragen von der Hoffnung in Sicherheit, Frieden, Würde und Freiheit leben zu können, wählte er die Landroute durch die Republik Sudan, Libyen und über das Mittelmeer nach Europa. Am 29. Oktober 2013 betrat der damals 25-jährige Abiturient zum ersten Mal in seinem Leben Deutschen Boden. Heute lebt und arbeitet er in Bad Wildungen.
Während seiner lebensgefährlichen Odyssee geriet der Afrikaner in die Hände von Schleusern, die 1600 US-Dollar für einen Platz in einem mit 260 Personen besetzten Boot verlangten. „Das Geld hatte meine Familie aufgebracht. Zuvor musste ich schon 1600 US-Dollar für die Flucht durch den Sudan und Libyen an die Menschenschlepper bezahlen. Bis zu unserer Rettung waren wir 26 Stunden lang auf hoher See unterwegs. Das Boot wurde von einem Somali gesteuert, der damit hoffnungslos überfordert war, besonders was das Navigieren anging. Glücklicherweise wurden wir von der Besatzung eines Schiffes der italienischen Marine im Mittelmeer entdeckt und aufgegriffen, erinnert sich Yosief Debessay Araya. Über Sizilien, München und die hessische Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Gießen kam er schließlich in Bad Wildungen an, wo er getrieben von großem Ehrgeiz an seiner Zukunft feilt. Der 27-Jährige hat in seiner neuen Umgebung Fuß gefasst und beherrscht die deutsche Sprache nahezu perfekt. Das öffnete ihm die Tür in den Arbeitsmarkt. Seit vergangenem Oktober absolviert er eine Ausbildung zum Gesundheit- und Krankenpfleger im Asklepios Bildungszentrum für Gesundheitsfachberufe und in der Stadtklinik Bad Wildungen.
„Seine Leistungen sind sehr beeindruckend. Yosief zählt nicht nur zu den Besten seines Kurses, aufgrund seiner freundlichen und zuvorkommenden Art ist er bei Mitschülern, dem Stationspersonal und auch bei den Patienten sehr beliebt“, berichtet Diplom Pflegepädagoge und Ausbilder Ulrich Barckhausen. Er sei in Bad Wildungen sehr gut und freundlich aufgenommen worden, erzählt Yosief Debessay Araya. „Meine 60 Mitbewohner in der Flüchtlingsunterkunft in der Dr.-Born-Straße und ich profitieren sehr von der Arbeit und dem unermüdlichen Einsatz ehrenamtlicher Helfer. Dank ihrer Unterstützung und der Offenheit der Mitarbeiter des Asklepios-Bildungszentrums habe ich auch meinen Ausbildungsplatz gefunden. Im Anschluss an die Pflegeausbildung möchte ich gerne Medizin studieren.“ Menschen helfen zu können, die Hilfe brauchen, sei für ihn eine Herzensangelegenheit.
Eine eventuelle Rückkehr in sein rund 10.000 Kilometer entfernt gelegenes Herkunftsland ist für den jungen Eritreer, der dort ein Jahr lang Kunst und Sozialwissenschaft studierte, kein Thema. „Ich fühle mich hier voll integriert und möchte die Chancen nutzen, die sich mir bieten.“ Seine Mutter, Vater und Schwester würden ihm allerdings fehlen. „Wir stehen im telefonischen Kontakt. Meine Eltern haben mich sogar schon in Deutschland besucht. Beide sind über 65 Jahre alt, darum gestattet ihnen die Regierung die Aus- und Wiedereinreise. Meine Schwester hingegen darf das Land aber selbst für Reisezwecke nicht verlassen. Das Regime hält junge Leute gegen ihren Willen fest.“ Trotz der negativen und bedrückenden Begleitumstände bereut der angehende Gesundheit- und Krankenpfleger keine seiner bisherigen Entscheidungen oder Schritte. „Mir ist hier so viel Gutes wiederfahren, das möchte ich wieder zurückgeben.“