Junge Abteilung für alte Menschen: Chefarzt Dr. Zemke über die Herausforderungen der Geriatrie
In einer immer älter werdenden Gesellschaft kommt der Geriatrie eine besondere Bedeutung zu. Um der demografischen Entwicklung Rechnung zu tragen, werden die geriatrischen Abteilungen vieler Krankenhäuser ausgebaut. So auch die der Asklepios Stadtklinik in Bad Wildungen. Deren Chefarzt Dr. med. Jens Zemke spricht im Interview über sein Fachgebiet und künftige Herausforderungen der Geriatrie.
Herr Dr. Zemke, Sie leiten mit der Geriatrie der Stadtklinik Bad Wildungen eine recht junge Abteilung.
Das stimmt, die geriatrische Abteilung sowie ein Alterstraumatologisches Zentrum wurden hier im Haus Anfang 2023 etabliert. Damit haben wir in der Region den Lückenschluss in der alterstraumatologischen und geriatrischen Versorgung auf hohem Niveau vollzogen. Unsere Angebote werden sehr stark nachgefragt und von regionalen wie überregionalen Kliniken und Praxen bestens angenommen. Das bestätigt uns in der Einschätzung, dass die Schaffung einer geriatrischen Abteilung wichtig war und hier einen hohen Bedarf abdeckt.
Ist Ihre Abteilung denn auf die hohe Nachfrage eingestellt?
Prinzipiell schon. Doch wenn man auf die demografische Entwicklung hierzulande schaut, kann man davon ausgehen, dass es in einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft künftig mehr geriatrische Angebote braucht. Um für die Zukunft bestens gerüstet zu sein, wollen wir unsere Abteilung bis Mitte des Jahres von 28 auf 34 Betten erweitern. Ferner wird es dann sowohl einen neuen Frühstücks- als auch einen neuen Gemeinschaftsraum geben. Dort können sich die Patienten treffen oder Besuch empfangen, was sehr wichtig für die soziale Teilhabe ist. Auch im Hinblick auf die Krankenhausreform liegt ein besonderer Fokus auf dem demografischen Wandel. Eine wohnortnahe Versorgung älterer Menschen nimmt gerade im ländlichen Raum einen besonderen Stellenwert ein. Dieser Situation tragen wir in der Stadtklinik Rechnung und können aus dem Vollen schöpfen, wenn es um geriatrische Kompetenzen geht.
Die Geriatrie befasst sich ganz allgemein mit älteren Menschen. Wer kommt denn zu Ihnen?
In der Regel haben wir Patienten, die über 65 Jahre alt sind und nach einer Operation oder einem Sturz zu uns kommen. Daher haben wir häufig mit Frakturen zu tun. Aber auch neurologische Erkrankungen oder solche des Bewegungs- und Stützapparates sowie spezielle Funktionsstörungen zählen zu den Leiden unserer Patienten. Bei über 80-Jährigen ist die Konsultation eines Facharztes der Geriatrie obligatorisch.
Und wie sehen Ihre Behandlungsziele und -methoden aus?
Da bei älteren Menschen häufig mehr als ein Krankheitsbild vorliegt, überdies körperliche, psychische und soziale Veränderungen ineinandergreifen, muss zu Beginn immer erst ein Einstufungstest, ein sogenanntes Assessment, erfolgen. So sehen wir den Patienten ganzheitlich und können eine gezielte Behandlung in enger Abstimmung mit anderen relevanten Fachbereichen festlegen. Und so unterschiedlich die einzelnen Krankengeschichten unserer Patienten sind, unsere Behandlungsziele sind immer die gleichen: Wir wollen die Funktionalität der Patienten, die sie vor der Aufnahme hatten, wieder herstellen und ihnen somit einen höchstmöglichen Grad an Lebensqualität und idealerweise Eigenständigkeit bewahren. Dafür kommt in der Geriatrie vermehrt „High-Touch-Medizin“ statt „High-Tech-Medizin“ zum Einsatz. Das heißt, wichtiger als die medizintechnischen Möglichkeiten sind Sensibilität und Einfühlungsvermögen. Und je nach Krankheitsbild bieten wir diverse Behandlungen oder Reha-Maßnahmen wie Physio- und Ergotherapie oder Logopädie an.
Entsprechend vielseitig ist dann auch Ihr Team aufgestellt?
Ich spreche gerne von einer „gelungenen Patchworkfamilie“ (lacht), denn wir haben tatsächlich ein interdisziplinäres Team aus erfahrenen Ärzten, Therapeuten, speziell geschulten geriatrischen Pflegefachkräften, Psychologen und dem Sozialdienst. Denn zum Geheimnis unseres Erfolges zählt das Wissen um die Komplexität der Krankengeschichten unserer Patienten samt der psycho-sozialen Aspekte und die Kompetenz, mit dem nötigen Fachpersonal und -wissen, dafür die jeweils passende Behandlung zu finden.
Bieten Sie über die medizinische Behandlung hinaus weitere Leistungen an?
Ja, denn wie gesagt wollen wir den Patienten ganzheitlich in den Blick nehmen, wozu auch immer die jeweilige Alltagssituation gehört. Um den Patienten später den Wiedereinstieg in den Alltag zu erleichtern, bieten wir auch ganz lebenspraktische Hilfen an, wie etwa einen Rollatorführerschein. (pee)
Zur Person
Dr. med. Jens Zemke ist Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Geriatrie. Er studierte und promovierte an der Universität Gießen. Er arbeitete zunächst als Oberarzt, später als leitender Arzt an der Asklepios Klinik in Homberg. Seit 2010 war er Chefarzt der Geriatrie am Asklepios Klinikum Schwalmstadt. In den vergangenen Jahren baute er parallel dazu die Geriatrie an der Asklepios Stadtklinik in Bad Wildungen auf, die er seit Anfang 2023 leitet. Zudem ist Dr. Zemke Präsident der Alzheimergesellschaft Schwalm-Eder-Kreis, gewann 2016 den Hessischen Gesundheitspreis und findet sich auf der Focus-Liste Top-Ärzte in Deutschland. Der gebürtige Bremer lebt in Melsungen, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. (pee)
Kontakt
Asklepios Stadtklinik
Bad Wildungen
Geriatrie
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