6. ACH Ringvorlesung „Wir schauen dem Gehirn beim Rauschen zu“
In der letzten Ringvorlesung Asklepios Centers of Excellence am ACH im laufenden Semester stellte Chefarzt Prof. Dr. Rüdiger Ilg den Schwerpunkt Neurologie der Asklepios Stadtklinik Bad Tölz vor.
Eigens für die Abendvorlesung am Asklepios Campus Hamburg (ACH) war der Chefarzt am 17. Mai durch die ganze Republik gereist, um den Studierenden die Abteilung für Neurologie und Neurologische Frühreha vorzustellen. Dafür dankte ihm Geschäftsführer Dr. Christoph Jermann in seiner Begrüßung herzlich. Er hob hervor, dass er bereits nach dem Vorgespräch mit Prof. Ilg den Eindruck gewonnen habe, mit dem mit Lindau südlichsten aller Asklepios-Häuser einen – aus Hamburger Sicht - „hidden champion“ kennengelernt zu haben: Abgesehen von der reizvollen Lage mit kurzen Entfernungen nach München einerseits und zu alpinen Skigebieten andererseits biete diese Klinik für interessierte Studierende sowohl hochspezialisierte Spitzenmedizin als auch ein distinguiertes akademisches Umfeld durch den Status als Lehrkrankenhaus der TU München, einer der auch international renommiertesten Universitäten Deutschlands. Außerdem bringe für Studierende die Tatsache, dass die Stadtklinik Bad Tölz kein Haus der Maximalversorgung sei wie beispielsweise alle Hamburger Asklepios Kliniken, gerade den Vorteil mit sich, dass sie in einem weniger großen Haus bei Famulaturen und im PJ erfahrungsgemäß „näher dran“ seien und mehr selber mit Hand anlegen dürften. Schließlich gab Dr. Jermann seiner Freude darüber Ausdruck, dass Prof. Ilg für seinen Fachvortrag ein Thema ausgewählt habe, das mit Sicherheit über den Stoff der Vorlesungen am ACH hinausgehe und auch für Nicht-Mediziner von Interesse sei.
Prof. Ilg stellte in seinem Vortrag zunächst seine Abteilung vor: zusammen mit der Klinik für Neurologische Rehabilitation im angrenzenden Asklepios Gesundheitszentrum biete sie die komplette Kette der neurologischen Behandlung aus einer Hand. Darunter fallen alle neurologischen Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems, die basierend auf den neusten medizinischen Erkenntnissen behandelt werden. Dazu zählen neben Schlaganfall, Parkinson und Epilepsie auch neuroimmunologische Erkrankungen (z.B. Multiple Sklerose), neurodegerative Erkrankungen (z.B. Demenz) oder Infektionen des Nervensystems (z.B. Meningitis); außerdem werden Therapien bei Spasmen oder Kopfschmerzen angeboten. Prof. Ilg fand für die ca. 2000 sehr unterschiedlichen Patienten und Fälle pro Jahr einen einfachen gemeinsamen Nenner: „Zu uns kommen Menschen, die in irgendeiner Form unter neuronalen Ausfällen leiden. In Bad Tölz profitieren sie von der guten Infrastruktur vor Ort. Oft müssen auch komplexe Bewegungsmuster wieder ganz neu trainiert werden. Unser Ziel ist, unseren Patienten nach ihrem Aufenthalt sowie einer entsprechenden Reha die Teilhabe am Leben in allen beruflichen und privaten Aspekten wieder zu ermöglichen.“
Zugriff auf großes Netzwerk
Um Neurologie auf sehr hohem Niveau bieten zu können, kann Prof. Ilg und sein Team mit 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter 18 Ärztinnen und Ärzte, auf ein großes Netzwerk zurückgreifen: „Wir tauschen Bilder mit der Münchner Klinik Rechts der Isar aus, kooperieren mit dem Traumazentrum in Murnau und haben für die radiologische Diagnostik eine Standleitung zur Asklepios Klinik Barmbek.“ Die enge Vernetzung der Bad Tölzer Stadtklinik mit der Technischen Universität München (TUM) erlaube die volle Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie. „Dies ist für uns besonders wichtig, da wir interessierten Nachwuchs und neue Kollegen eher mit guten Weiterbildungsangeboten locken können als mit Geld. Und für mich selbst bedeutet die akademische Anbindung, dass ich über das TUM Neuroimaging Center weiterhin wissenschaftlich aktiv sein kann.“ Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit seien die sogenannten neuronalen Korrelate von Bewusstsein, also das hochkomplexe Zusammenspiel von Milliarden von Nervenzellen, das der Chefarzt folgendermaßen erläutert: „Das menschliche Gehirn arbeitet in funktionellen neuronalen Netzwerken, wobei wiederum verschiedene Module dynamisch zusammenarbeiten. Studien im Rahmen von Anästhesie zeigen zum Beispiel, dass die Etablierung von Bewusstsein und das Bewusstsein selbst auf der Koppelung zweier Dinge beruht: bestimmter frontaler Hirnareale, die zum Beispiel für Planung und Aufmerksamkeit zuständig sind, mit bestimmten sensorischen Arealen im Bereich des Hinterkopfs. Wir untersuchen nun, ob die gewonnenen Erkenntnisse auf Patienten mit anhaltenden Störungen des Bewusstseins auf der Intensivstation im Zustand der sogenannten reaktionslosen Wachheit (früher Wachkoma) übertragen werden können.“ Dies sei vor allem wichtig, weil es bislang kein direktes Maß für Wachheit gäbe: Entgegen landläufiger Meinung sei „reaktionslos“ nicht mit „bewusstlos“ gleichzusetzen. Da in einer von 1000 OPs eine interoperative Wachheit mit der Folge postoperativ behandlungsbedürftiger psychischer Traumata vorkomme, hätten diese Erkenntnisse besondere Relevanz.
Am Ende seines spannenden, streckenweise vor allem für jüngere Studierende sehr anspruchsvollen Vortrags lud Prof. Ilg alle anwesenden Studierenden, die Lust auf Neurologie haben - „Wir schauen quasi dem Gehirn mit seinen 30 bis 90 Milliarden Neuronen beim Rauschen zu“ - herzlich zu einem Besuch sowie zu einer Famulatur oder einer PJ Station in der Bad Tölzer Klinik ein. Besonders verlockend für Studierende: Das angebundene Personalwohnheim bietet freie Kost und Logis.
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13. September 2018 mit Prof. Dr. Schreiber aus Brandeburg zum Thema Neurologie