Sportarzt und ACH-Dozent Michael Ehnert begleitete im Sommer das deutsche Olympiateam nach Rio

Dabeisein ist alles – auch als Arzt. Diese Erfahrung hat Michael Ehnert, Leiter des Instituts für Sportmedizin und Prävention am AK St. Georg und Dozent am Asklepios Campus Hamburg (ACH) während seines Einsatzes als Verantwortlicher Ärztlicher Leiter des Deutschen Schwimmverbandes Hamburg/Schleswig-Holstein bei den Olympischen Spielen in Brasilien gemacht.

Sportarzt Michael Ehnert
Michael Ehnert, Sportarzt und ACH-Dozent

Herr Ehnert, wie kommt man zu der Ehre, betreuender Arzt bei den Olympischen Spielen zu werden?

Michael Ehnert: Ich wurde als Chefarzt des deutschen Schwimmverbands dem Deutschen Olympischen Sportbund DOSB vorgeschlagen. Es folgte eine Prüfung durch den DOSB, Schulungen der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) und viel Papierkram – dann wurde ich zu meiner großen Freude vom DOSB nominiert.
 

Im Vorfeld gab es nicht nur heftige Diskussionen wegen Doping, sondern auch wegen des Zika-Virus...

Micheal Ehnert: Vor Ort hat sich die Zika-Problematik als weniger dramatisch herausgestellt als vorher vermutet. Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass alle Athleten entsprechend mit Mückenschutz ausgestattet und aufgeklärt waren. Ich selbst habe nur wenige Mücken registriert, nachgewiesene Zika-Infektionen traten meines Wissens nicht auf.

Wie waren Sie vor Ort untergebracht?

Michael Ehnert: Vor Ort habe ich mit 21 anderen Ärztinnen und Ärzten im Olympischen Dorf gewohnt, zusammen mit 452 Athletinnen und Athleten aus dem deutschen Team und knapp 350 begleitenden Funktionären, Physiotherapeuten, Masseuren und vielen anderen. Von dort aus habe ich in erster Linie alle deutschen Schwimmerinnen und Schwimmer während der Dauer der olympischen Spiele zu ihren Wettkämpfen begleitet und von morgens bis abends betreut – manchmal bis zu 16 oder 18 Stunden am Tag!

Das heißt, Sie waren ausschließlich für die Athleten der Schwimm-Nationalmannschaft zuständig?

Michael Ehnert: Nein – als delegierter Arzt der deutschen Olympiamannschaft war ich auch für Athleten anderer Sportarten da, vor allem wurde ich von den Sportlern, die ich auch in Hamburg betreue, öfters zu Rate gezogen. Hierzu hatte der DOSB im Haus der deutschen Athleten im Olympischen Dorf eine Medizinzentrale für alle Sportlerinnen und Sportler eingerichtet, zusätzlich zur Polyklinik des Internationalen Olympischen Komitees. Dort haben wir Ärzte und Physiotherapeuten umschichtig Dienst gehabt und dabei diverse einfache oder kompliziertere Verletzungen und Erkrankungen behandelt. Außerdem mussten wir Entscheidungen treffen, ob beispielsweise eine Sportlerin oder ein Sportler aus medizinischer Sicht antreten durfte oder nicht.

Da kommt sicherlich auch die psychologische Betreuung ins Spiel...

Michael Ehnert: Wenn man als Sportarzt arbeitet, spielt Psychologie eine große Rolle. Viele der Hochleistungssportler kenne ich bereits aus meinem Sportinstitut und betreue sie schon seit vielen Jahren. Mein Job ist es auch, sie zu motivieren oder, wenn nötig, zu trösten. Manchmal bin ich für sie einfach eine neutrale Anlaufstelle, um ihren Frust, ihre Angst oder ihre sonstigen Emotionen aufzufangen und auszuhalten.

Was war für sie das eindrucksvollste sportliche Erlebnis?

Michael Ehnert: Ganz klar der Durchmarsch der Beachvolleyballerinnen Kira Walkenhorst und Laura Ludwig vom Hamburger SV. Beide kenne und betreue ich schon lange. Das Duo in Rio über alle Runden durch das ganze Turnier bis zu ihrem Gold-Sieg begleitet zu haben, war großartig - und für mich sehr emotional. Besonders beeindruckend war aber auch die Bronze-Medaille unseres Damen-Hockeyteams und sowohl die Silber- als auch die Goldmedaillen beim Rudern. Und Ausnahme-Schwimmer wie zum Beispiel den 23-fachen Goldmedaillengewinner Michael Phelps aus der Nähe zu erleben und sprechen zu können war unglaublich. Sein Athletikzustand und seine mentale Stärke hat auch uns Mediziner schwer beeindruckt.

Welche Eindrücke sind Ihnen neben dem Sport im Gedächtnis geblieben?

Michael Ehnert: Nachhaltig fasziniert hat mich der Austausch mit den vielen Menschen aus  anderen Nationen, denen man in der Unterkunft genauso begegnet ist wie an den Wettkampfstätten. Außerdem waren für mich als Mediziner die Diskussionen mit anderen Kollegen und Betreuern über Trainingsmethodik und Gesundheitszustand ihrer Athleten sehr interessant. Ein ständiges Highlight waren aber für mich die spürbaren Emotionen und die energiegeladene Stimmung, die man die ganzen Wochen über im olympischen Dorf beinahe mit den Händen greifen konnte – so etwas gibt es sicherlich nur bei Olympia.

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