Wandel durch Digitalisierung, auch in der Medizin

Ungewöhnliche Einblicke in ein ungewöhnliches Unternehmen: Kay Oberbeck, Director Communications & Public Affairs von Google Nordeuropa, berichtete vor einem vollen Hörsaal am Asklepios Campus Hamburg aus einem Unternehmen, das mit weltweit 45.000 Mitarbeitern von der Größe her mit dem Asklepios Konzern vergleichbar ist.

Ungewöhnliche Einblicke in ein ungewöhnliches Unternehmen: Kay Oberbeck, Director Communications & Public Affairs von Google Nordeuropa, berichtete vor einem vollen Hörsaal am Asklepios Campus Hamburg aus einem Unternehmen, das mit weltweit 45.000 Mitarbeitern von der Größe her mit dem Asklepios Konzern vergleichbar ist.

„Sicherlich haben viele von Ihnen im Vorfeld dieses Abends gegoogelt“, eröffnete AMS-Geschäftsführer Dr. Christoph Jermann den Abend, der einmal mehr den Blick über den Tellerrand des täglichen Medizinstudiums hinaus ermöglichen solle. Doch auch mit Googeln wäre die Einstiegsfrage von Michael Ehnert, Leiter des Instituts für Sportmedizin und Prävention in St. Georg und Moderator des Abends, offen geblieben: „Wie arbeitet Google eigentlich?“

Die Antwort auf diese und viele weitere Fragen unter der Überschrift „Wandel durch Digitalisierung“ lieferte Kay Oberbeck in einem fesselnden und anschaulichen Vortrag. „Nie war die Welt derart vernetzt“, eröffnete der Pressechef seine Präsentation: 2,7 Milliarden Menschen seien aktuell online; es würden mittlerweile deutlich mehr Suchanfragen über Smartphones als über PCs gestartet; jeder Nutzer schaue im Schnitt täglich 150 Mal  auf sein Handy und – was zum ersten Lacher des Abends führte – es seien weltweit mehr Smartphones als Zahnbürsten im Einsatz. „Das Smartphone ist der persönlichste Begleiter, den es je gegeben hat“, fasst Oberbeck zusammen. Daher zielen alle Produkte aus dem Hause Google zunächst auf die mobile Nutzung.

So überraschend wie einige Zahlen klang auch die Schilderung der Führungs- und Management-Methoden bei Google: Mit Erstaunen nahmen Studierende, Lehrkräfte und die Geschäftsführung vor allem drei Punkte zur Kenntnis: Erstens das 360 Grad-Feedback, das, so gestand Oberbeck freimütig zu, erst gewöhnungsbedürftig war, dann aber zur Routine wurde und sich als sehr hilfreich erwies; zweitens die wöchentliche tabulose Sammlung und Bewertung von oft auch unbequemen Fragen unter allen 45.000 Mitarbeitern. Die von allen am höchsten Bewerteten werden im Rahmen von „Thank God it’s Friday“ (TGIF)-Veranstaltungen von der obersten Konzernleitung beantwortetet und dies per Livestream in alle Welt  geschickt. Drittens die Tatsache, dass jeder „Googler“ einen Tag in der Woche für die Entwicklung neuer Ideen nach individuellen Vorstellungen nutzen soll. Heraus kommen dabei zahlreiche Innovationen aus den verschiedensten technischen Denkrichtungen, gebündelt bei Google (x) – das „x“ steht dabei für das Unbekannte, dass es zu erforschen gilt - , der Forschungsabteilung des Unternehmens auf dem Google Campus in Mountain View/Kalifornien.

Ob jedes dieser Projekte – sogenannte „Moonshots“ - jemals realisiert werde oder am Markt überleben könne, stehe dabei zunächst in den Sternen. Erlaubt sei, was denkbar ist. Wird ein Projekt erst einmal zur „bet“, wird diese „Wette auf den Markt“ so lange weiterentwickelt und von Testpersonen auf ihre Einsatzfähigkeit geprüft, bis sie marktreif erscheint – oder eben nicht. Als Beispiele dieser „bets“ führte Oberbeck die Einführung des fahrerlosen Autos an, das bereits in Kooperation mit einigen Automobilherstellern in der Erprobungsphase sei. Mit Staunen zur Kenntnis genommen wurde auch der Einsatz von Heißluftballons quasi als Antennen in der Stratosphäre, um in infrastrukturschwachen Gebieten Netzabdeckung für den Internetzugang anbieten zu können.

Interessant für Mediziner war vor allem die Entwicklung einer digitalen Kontaktlinse für Diabetiker: Diese Innovation aus dem Google-Forschungslabor soll die Tränenflüssigkeit von Diabetikern analysieren und die Daten per eingebautem Chip an ein Smartphone senden können. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Messungen könnten einfacher, kontinuierlicher und vor allem schmerzfreier sein. Sobald die Entwicklung ein realisierungsfähiges Stadium erreicht habe, werde Google entsprechende Partner am Markt suchen, die Produktion und Vertrieb übernehmen könnten, so Oberbeck.

Auf Sicht (im wahrsten Sinne des Wortes!) gilt dies auch für Google Glass: Die digitalisierte Brille blendet Informationen in das Sichtfeld ein, macht Fotos, dreht Videos, empfängt und sendet Textnachrichten. Die Steuerung erfolgt über Sprache oder einen Touchpad am rechten Brillenbügel. Die Demonstration von Google Glass sorgte im Hörsaal für viel Heiterkeit, als Kay Oberbeck die vorgeführten Aktionen via Smartphone auf die Leinwand projizierte. Highlight des Abends: Wer wollte, konnte selbst unter Anleitung des Pressechefs erste Erfahrung mit dieser Innovation machen, die bislang erst in den USA von 10.000 Testpersonen auf ihre Alltagstauglichkeit geprüft wird. Laut Oberbeck könnte Google Glass perspektivisch auch im medizinischen Bereich hilfreich sein – denkbar sei dies bei OPs oder zum Beispiel für Einsätze von Flying Doctors.

Viele Aspekte des Vortrags lieferten Anlass für die anschließenden Gespräche in kleineren und größeren Runden – dies allerdings noch ganz traditionell offline, von Mensch zu Mensch.

Seite teilen: