Rehabilitation bei Multipler Sklerose
Eine Rehabilitation ist bei Multipler Sklerose in jeder Krankheitsphase sinnvoll. Neben einer in der Regel auf alltagsbezogene Zielsetzungen ausgerichteten Funktionsverbesserung sind der Erhalt der motorischen und kognitiven Reserven, die Optimierung der symptombezogenen Therapie, ein Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten, das Erlangen von mehr Wissen über die Erkrankung und das Erlernen von Umgangsstrategien Inhalte der Reha bei MS. Das Therapieprogramm wird jeweils individuell in Abhängigkeit von den Funktionseinschränkungen und Zielsetzungen erstellt und im Rehabilitationsverlauf regelmäßig reflektiert und angepasst.
Es ist gut belegt, dass körperliche Aktivität unabhängig von der Verlaufsform oder dem Krankheitsstadium positive Auswirkungen auf die motorischen Funktionen und die Spastik, aber auch auf die Kognition, Fatigue und Lebensqualität hat. Besonders gut untersucht sind in diesem Zusammenhang Kraft- und Ausdauertraining, aber auch Wassertherapie, Gerätetraining und robotergestützte Verfahren kommen zum Einsatz. Hierfür ist unser Physiotherapie-Bereich mit einem Schwimmbad, einem Ganglabor, einem modernen Gerätetrainingsraum sowie Trainingsparcours im Außen- und Innenbereich ausgestattet. Von kognitivem Training, für welches wir ein Brain-Labor eingerichtet haben, profitieren insbesondere die Aufmerksamkeits- und Gedächtnisfunktionen sowie die planerischen Fähigkeiten. Im Rahmen der Ergotherapie werden u.a. Handkraft, Feinmotorik und Fingersensibilität beübt, jedoch auch Alltagstraining durchgeführt und Hilfsmittel erprobt, die anschließend rezeptiert werden können. Die Logopädie befasst sich mit der Behandlung von Sprech, Sprach- und Schluckstörungen. Eine große Abteilung für physikalische Therapie bietet Wärme- und Kältebehandlungen, Ultraschall- und Elektrotherapie, Entstauungsbehandlung, Massagen und medizinische Bäder an. Hierdurch können störende MS-Symptome wie Sensibilitätsstörungen, Muskelverspannungen, Schmerzen und Spastik gelindert werden.
Aber auch die Vermittlung von Wissen über die Erkrankung, von Umgangsstrategien mit den Beschwerden im Alltag und die soziale Interaktion mit Gleichgesinnten steht im Fokus unseres Rehabilitationskonzeptes. Hierfür erfolgt die Unterbringung aller MS-betroffenen RehabilitandInnen auf unserer MS-Spezialstation und der regelmäßige Austausch miteinander im Rahmen des MS-Gesprächskreises.
Warum auf einer Spezialstation?
Wenngleich die Erstbeschreibungen der Multiplen Sklerose bis ins Mittelalter zurückreichen, wurden in den letzten 20 Jahren bei kaum einem Krankheitsbild so viele neue wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen wie bei der „Krankheit der 1000 Gesichter“. Dementsprechend unterliegen sowohl die Diagnosekriterien, die medikamentösen Therapiekonzepte, die Empfehlungen zum Krankheitsmanagement und -monitoring sowie zu komplementären Behandlungsansätzen einer ständigen Weiterentwicklung. Zudem halten die Digitalisierung und der zunehmende Einsatz roboter- und internetbasierter Behandlungsverfahren Einzug in die evidenzbasierten Therapieempfehlungen.
Um vor diesem Hintergrund eine zeitgemäße und optimale Betreuung der MS-betroffenen RehabilitandInnen zu gewährleisten, ist eine Spezialisierung des Behandlerteams unerlässlich. Sowohl eine hohe fachliche Expertise als auch langjährige Erfahrung und ständige Weiterbildung des Personals ist die Voraussetzung dafür, den vielfältigen Besonderheiten gerecht zu werden, die die Multiple Sklerose mit sich bringen kann. Da sich die Erkrankung häufig auf vielfältige Lebensbereiche auswirkt, ist ein multiprofessionelles Team erforderlich, welches neben besonders ausgebildeten ÄrztInnen, Pflegepersonal und qualifizierten TherapeutInnen auch eine MS-Nurse, NeuropsychologInnen, ErnährungsberaterInnen, einen Sozialdienst und eine Angehörigenberatung umfasst.
Was ist ein DMSG-zertifiziertes MS-Rehabilitationszentrum?
Das DMSG-Zertifikat ist ein Gütesiegel für eine qualifizierte, fachgerechte und leitliniengestützte Behandlung MS-Erkrankter auf einem qualitativ hohen Niveau. Um das Siegel zu erlangen, müssen strenge Anerkennungskriterien erfüllt sein und regelmäßig nachgewiesen werden. Hierzu gehören u.a. die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter, eine Mindestzahl von 120 jährlich in der Klinik behandelten MS-Patienten, die Teilnahme am deutschlandweiten MS-Register und ein auf die besonderen Bedürfnisse MS-Betroffener abgestimmtes Behandlungskonzept. Alle 2 Jahre wird überprüft, ob die Anforderungen auch weiterhin erfüllt sind. Die MS-Schwerpunktstation der Asklepios Weserbergland-Klinik ist seit Oktober 2023 als MS-Rehabilitationszentrum von der DMSG anerkannt.
Anja-Maria Drenckhahn
Leitende Oberärztin; Fachärztin für Neurologie und Leiterin des MS-Bereiches
Ihre berufliche Laufbahn begann Frau Drenckhahn 2006 als Assistenzärztin in der Klinik für Neurologie der Charité- Universitätsmedizin Berlin, wo sie die MS-Ambulanz betreute und an klinischen Studien beteiligt war. Ab 2009 wirkte sie im St. Josefs-Krankenhaus Potsdam am Aufbau der dortigen MS-Ambulanz mit. Nach Abschluss ihrer Facharztweiterbildung übernahm sie 2015 die oberärztliche Leitung einer Rehabilitationsstation am Neurologischen Zentrum der Segeberger Kliniken GmbH, wo sie ebenfalls einen MS-Schwerpunkt entwickelte. Parallel begann sie 2020 mit dem berufsbegleitenden Zusatzstudium „Multiple Sklerose Management“. Seit 2021 ist Frau Drenckhahn als Leitende Oberärztin und Leiterin des MS-Bereiches in der Asklepios Weserberglandklinik Höxter tätig.
Liz Steinröder
Medizinische Fachangestellte, MS-Nurse
Frau Steinröder begann ihre Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten 1991 und war seitdem bis 2022 durchgehend in einer neurologischen Praxis mit MS-Schwerpunkt tätig, zuletzt als leitende medizinische Fachangestellte. Während ihrer langen beruflichen Laufbahn sammelte sie umfangreiche Erfahrung in der Betreuung von MS-Betroffenen und absolvierte parallel zu ihrer Praxistätigkeit viele MS-spezifische Fort- und Weiterbildungen. Seit 2004 ist sie als MS-Nurse tätig und führte von 2004 bis 2010 als MS-Fachberaterin für die Firma Teva Spritzenschulungen durch und begleitete Medikamenteneinstellungen. Seit 2023 unterstützt Frau Steinröder als MS-Nurse den MS-Bereich der Asklepios Weserberglandklinik Höxter.
Unsere Behandlung umfasst...
Fachkundige ärztliche Beratung
Im Verlauf Ihres Rehabilitationsaufenthaltes erfolgt eine standardisierte ärztliche Untersuchung und Befunderhebung incl. Erfassung des EDSS. Weiterhin ist eine individuelle Beratung zu diagnostischen oder therapeutischen Fragestellungen, Verhaltensstrategien und verfügbaren Behandlungsoptionen durch ein ärztliches Team mit hoher fachlicher Expertise möglich.
Individuelle Betreuung durch die MS-Nurse
Während Ihres Rehabilitationsaufenthaltes werden Sie durch unsere MS-Nurse mitbetreut, die Ihnen im Rahmen individueller Beratungstermine jederzeit als Ansprechpartnerin zur Verfügung steht.
Optimierung der symptombezogenen Therapie
Die Rehabilitation sehen wir als idealen Zeitpunkt, um die symptombezogene Therapie kritisch zu reflektieren und ggf. zu optimieren. Störende MS-Symptome wie Spastik, Blasen- oder Darmstörungen, neuropathische Schmerzen und Depressionen lassen sich medikamentös sowie durch Training und Verhaltensstrategien zum Teil sehr gut beeinflussen. In unserer Klinik stehen zur Indikationsstellung und zur Verlaufskontrolle verschiedene funktionsdiagnostische Verfahren zur Verfügung. Bei gegebener Indikation besteht die Option der medikamentösen Ein- oder Umstellung der symptombezogenen Therapie, im Falle von Blasen- oder Darmfunktionsstörungen ggf. unter Einbezug von Kooperationspartnern. Die Einstellung von Fampyra oder Sativex kann stationär erfolgen, wenn die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind. Auch eine Hochdosis-Kortisontherapie ist begleitend zur Rehabilitation z.B. bei Schubsymptomen oder zur Intervallbehandlung möglich.
Spezielle Stationsausstattung
Auf unserer MS-Spezialstation sind Sie in einem Einzelzimmer mit Balkon und schönem Blick über das Weserbergland untergebracht. Die Station verfügt über eine umfangreiche Ausstattung mit pflegerischen Hilfsmitteln, Kühl-Accessoires und MS-bezogenem Informationsmaterial.
MS-spezifisches Therapiekonzept
Unser Therapiekonzept für MS-betroffene RehabilitandInnen ist speziell auf ihre besonderen Bedürfnisse abgestimmt und kann jederzeit individuell angepasst werden. Es umfasst neben Physio- und Ergotherapie im Einzel- und Gruppensetting auch Gerätetraining, Übungen im Ganglabor incl. robotergestützten Therapieverfahren, Wasser- und Entspannungstherapie, physikalische Anwendungen, Logopädie und Neuropsychologie. Die möglichst alltagsorientierte Behandlung von Mobilitätseinschränkungen, Sensibilitätsstörungen und Spastik sowie Gleichgewichtsschulung und Kraft-Ausdauertraining stehen im Vordergrund. Hierzu wird in Anlehnung an etablierte Therapiekonzepte z.B. nach Bobath, Vojta, PNF und Perfetti gearbeitet, jedoch werden auch moderne Ansätze integriert, um einen optimalen Behandlungserfolg zu erzielen.
Neuropsychologisches Screening und kognitives Trainingsangebot
Ein wichtiger Bestandteil unseres Rehabilitationskonzeptes ist das neuropsychologische Screening, um auch die „unsichtbaren“ Symptome der MS wie Fatigue oder kognitive Einschränkungen zu erkennen und behandeln zu können. Auf Wunsch oder bei Bedarf wird in Abhängigkeit von den erhobenen Befunden ein individuelles kognitives Trainingsprogramm erstellt und computergestützt in Kleingruppen beübt.
Ernährungsberatung
Im Rahmen Ihres Rehabilitationsaufenthaltes erhalten Sie in einem Einzelgespräch sowie im Rahmen eines Vortrages Tipps zur gesunden Ernährung bei MS. Auch die praktische Umsetzung des gesunden Kochens wird in unserer Lehrküche vermittelt, woran Sie bei Interesse teilnehmen können.
MS-Gesprächskreis
Im Rahmen des wöchentlich stattfindenden MS-Gesprächskreises unter Leitung der Oberärztin und/oder der MS-Nurse haben Sie die Möglichkeit, sich fachlich begleitet mit Gleichgesinnten zu verschiedenen Themen wie dem Fatigue-Management, dem Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln, dem Erkennen von Schubsymptomen etc. auszutauschen und gut verständlich vermittelt aktuelle wissenschaftlich fundierte Informationen zu verschiedenem MS-relevanten Aspekten wie Immuntherapie, MRT-Bildgebung etc. zu erhalten.
Blasenfunktionsscreening
Da Blasenstörungen bei MS sehr häufig sind und oftmals eine große Belastung darstellen, erfolgt während des Rehabilitationsaufenthaltes regelhaft ein Blasenfunktionsscreening incl. Miktionsprotokoll und Restharnsonografie. Die Befunde sowie sich ggf. ableitende Konsequenzen werden mit Ihnen besprochen und, wenn gewünscht, eingeleitet.
Hilfsmittelberatung
Wir bieten eine Beratung zur Optimierung der Hilfsmittelversorgung, ggf. unter Einbezug der Angehörigen an. Die erforderlichen Rezepte werden Ihnen ausgestellt. Je nach Wunsch besteht die Möglichkeit, diese über mit der Klinik kooperierende Sanitätshäuser noch während des Aufenthaltes einzulösen oder ein heimatnahes Sanitätshaus zu beauftragen.
Sozialdienstliche und Angehörigenberatung
Für alle Fragen rund um Sozialrecht, Pflege- und Schwerbehindertengrad, Berentung, Übergangsgeld, häusliche Versorgungsaspekte und Betreuungen steht Ihnen unser Sozialdienst und die Angehörigenberatung im Rahmen von Einzelterminen und einer offenen Sprechstunde zur Verfügung.
Anmeldeprozess
Sollten Sie Interesse an einer Rehabilitation in unserer Klinik haben, ist eine schriftliche Anmeldung bei unserem Patientenmanagement (aufnahme.hoexter@asklepios.com) erforderlich. Die Anmeldung sollte Angaben über Ihre Diagnose, die bestehenden Einschränkungen und ggf. Ziele sowie einen aktuellen Medikamentenplan enthalten. Beilegen sollten Sie einen aktuellen Barthel-Index (Fragebogen zu Selbständigkeit und Hilfebedarf im Alltag) sowie die Kostenübernahmeerklärung des zuständigen Kostenträgers (i.d.R. Ihrer Krankenkasse oder Rentenversicherung). Lassen Sie sich hierbei gerne von Ihrem Hausarzt oder behandelnden Neurologen unterstützen. Die Formulare zur Antragstellung finden Sie weiter unten.
Wir behandeln Rehabilitanden aller gesetzlichen und privaten Krankenkassen, der Deutschen Rentenversicherung, Unfallversicherungen und Berufsgenossenschaften sowohl im Rahmen von Anschlussheilbehandlungen als auch im Rahmen von Heilverfahren in den Rehabilitationsphasen C und D.