Konservative Therapie
Bei der Behandlung einer Inkontinenz und von Senkungsbeschwerden stehen uns eine Reihe von konservativen Maßnahmen zur Verfügung. Diese können allein aber auch in Kombination mit operativen Verfahren angewendet werden. Hierzu zählen verhaltenstherapeutische Maßnahmen sowie allgemeine und spezifische physiotherapeutische Verfahren, die individuell angepasst zur Anwendung kommen. Dabei werden Leitlinien und offiziellen Empfehlungen der Fachgesellschaften berücksichtigt. Insbesondere die Kombination dieser konservativen Maßnahmen mit operativen Therapien kann den Heilungsverlauf unterstützen und das Ergebnis der Behandlung verbessern.
Therapien:
Physiotherapie
Was bewirkt Beckenbodentraining?
Durch gezieltes Beckenboden- sowie Verhaltenstraining lassen sich ungewollter Abgang von Urin und Stuhl bei Belastungen wie Husten und Niesen oder bei körperlicher Belastung vermeiden. Ein gut trainierter, aktiver Beckenboden kann Blasen- und Gebärmuttersenkungen sowie deren Begleitbeschwerden verhindern und z.B. kombiniert mit der Pessartherapie auch lindern.
Ein erster Erfolg wird allerdings erst nach einigen Wochen konsequenter Therapie spürbar. Dieser kann sich nicht nur im Bereich der Beckenbodenmuskulatur und der Inkontinenzproblematik zeigen: Eine Verbesserung kann auch durch Linderung einer Rückenschmerzsymptomatik deutlich werden.
Der Beckenboden kann durch unterschiedliche Einflüsse geschwächt sein. Eine typische Belastung stellen Schwangerschaft und Geburt dar. Neben hormonellen Einflüssen wird die Muskulatur des Beckenbodens durch eine starke Dehnung belastet. Auch können weitere Schäden am Beckenboden auftreten. Durch ein gezieltes Training kann die Muskulatur wieder gestärkt und so weitere Folgeschäden verhindert werden. Diese positive Wirkung kann und sollte idealerweise bereits zur Vorbereitung einer Spontangeburt genutzt werden.
Die größte Effektivität und ein nachhaltiges Ergebnis eines solchen Trainings werden unter Anleitung eines spezialisierten Therapeuten erzielt.
Was bieten unsere Kooperationspartner mit einem Schwerpunkt Beckenbodentherapie?
• Individuelle Physiotherapie und Training, welches auf die vorhandene Problematik bzw. Diagnose ausgerichtet ist.
• Anleitung und Kontrolle einer zielgerichteten Aktivierung der Beckenbodenmuskulatur.
• Schulung eines richtigen Alltagsverhaltens in Bezug auf die persönliche Beckenbodensymptomatik. Hier fließen Rückenschulung, Trink- und Toilettentraining zusammen. Ziel ist es erlernte falsche Muster, wie beispielsweise das Pressen beim Stuhlgang, zu korrigieren.
Elektrotherapie
Die Elektrotherapie verwendet Ströme unterschiedlicher Frequenzen, die über Klebeelektroden oder auch kleine Vaginal- und Rektalsonden am Beckenboden appliziert werden. Diese Behandlung mittels elektrischer Impulse kann insbesondere bei schwacher Beckenbodenmuskulatur und Urinverlust unter Belastung (Belastungsinkontinenz, früher Stressinkontinenz) die Physiotherapie unterstützen und zur Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur beitragen. Dabei wird gleichzeitig die Wahrnehmung des/der Patient:in für die betroffenen Muskelgruppen gefördert.
Aber auch bei Drangbeschwerden mit und ohne Urinverlust (Reizblase) kann diese Therapie eingesetzt werden. Dabei wird die hemmende Wirkung bestimmter Stromformen auf die Blasenaktivität genutzt. Darüber hinaus können Verspannungen des Beckenbodens behandelt und die Durchblutung gefördert werden.
In zirka 20-25 Prozent treten beide Formen des Urinverlustes gleichzeitig auf. In diesen Fällen ist es möglich, durch unterschiedliche Stimulationsimpulse, die über zwei voneinander unabhängige Kanäle appliziert werden, beide Therapieanwendungen in einer Sitzung zu behandeln.
Pessartherapie
Pessare sind Hilfsmittel, die in die Scheide eingeführt werden und dort eine Korrektur der Anatomie bei Senkungszuständen des Beckenbodens bewirken, aber auch bei einem Urinverlust unter körperlicher Belastung Anwendung finden können. Bei der Verwendung von Pessaren ist zu beachten, dass ein bestehendes Hormondefizit, wie es in den Wechseljahren auftritt, durch hormonhaltige Scheidencremes oder –zäpfchen ausgeglichen wird, damit keine Druckgeschwüre der Scheide auftreten. Alternativ stehen heute auch besonders schonende Pessaralternativen zur Verfügung.
Pessare bei Belastungsinkontinenz
Pessare bei Belastungsinkontinenz stützen Harnröhre und Blase bei körperlicher Aktivität. Die Patientin kann die Einlage und Entfernung des Pessars selbst durchführen.
Pessare bei Belastungsinkontinenz kommen vor allem bei Patientinnen zum Einsatz, die selten (z.B. nur beim Sport) Beschwerden haben. Dabei kommen verschiedene Pessare oder Tampons zur Anwendung, wobei das individuell passende Modell ausgewählt wird.
Pessare bei Senkungsbeschwerden:
Bei Senkungsbeschwerden kommen sowohl Pessare zum Selbstwechseln zum Einsatz, aber auch Pessare, die alle 6-8 Wochen durch den/die Ärztin gewechselt werden, z.B. in Form eines Ringes oder Würfels.
Dann können die Patientinnen das Hilfsmittel gezielt einsetzen.
Pessare bei Senkungsbeschwerden werden zum einen bei jungen Frauen, die Senkungsbeschwerden haben und noch keine Operation wünschen, eingesetzt. Ringpessare und Schalenpessare sind für ältere Patientinnen geeignet, die keine operative Korrektur wünschen oder bei denen aufgrund anderer Erkrankungen eine Operation risikoreich ist.
Medikamentöse Therapie
Es stehen verschieden Medikamente zur Verfügung, die für die unterschiedlichen Formen eines Urinverlustes verwendet werden können:
Belastungsinkontinenz
Duloxetin wurde ursprünglich als Medikament zur Therapie von Depressionen entwickelt. Es funktioniert als Wiederaufnahmehemmer für Neurotransmitter (Serotonin, Noradrenalin). Dabei kommt es durch eine erhöhte Konzentration der Transmitter zu einer verstärkten Aktivität des Schließmuskles. Der Urinverlust unter Belastung nimmt ab. Das Medikament steht für Frauen zur Verfügung.
Drangbeschwerden und Dranginkontinenz
Anticholinergika gehören neben dem Toilettentraining zur Standardtherapie einer Reizblase. Sie verdrängen den wirksamen Neurotransmitter (Acetylcholin), der für eine Kontraktion der Blase sorgt, von seinen Rezeptoren, also von seinen Angriffspunkten und senkt damit die Aktivität der Blasenmuskulatur und vergrößert das Fassungsvermögen der Harnblase. Bis sich die volle Wirksamkeit einstellt, kann es 4 bis 6 Wochen dauern. Erst dann kann der Erfolg der Therapie abgeschätzt werden.
Mirabegron - Betmiga
Bei dieser Substanz handelt es sich um einen Stimulator von Rezeptoren, die zum sympathischen Teil des Nervensystems gehören. Diese sogenannten beta-3 Rezeptoren werden durch das Medikament selektiv aktiviert. In der Folge wird die Kontraktion der Muskulator gehemmt, wodurch der Blasenmuskel entspannt wird und die Blase eine größere Kapazität erhält. Der Entleerungsdruck und das Restharnvolumen bleiben unbeeinflusst, die Miktionsfrequenz wird verringert.
Beide Medikamentenklassen können kombiniert eingesetzt werden, um eine bessere Wirkung zu erzielen.
Botulinum-Toxin
wird als Medikament direkt in die Blasenwand gespritzt, damit es dort seine Wirkung entfalten kann. Das Medikament bewirkt wie die Anticholinergika auch eine Unterbrechung der Informationsübertragung durch den Neurotransmitter Acetylcholin vom Nerven auf die Muskulatur. Allerdings ist diese Blockade über einen Zeitraum von 6-9 Monaten wirksam, da die Kopplung an den Rezeptor fest ist und das Medikament nicht wieder verdrängt werden kann. Erst die Neuausbildung von Nervenfasern zur Muskulatur ermöglicht eine Wiederaufnahme der Informationsübertragung, mit der die Wirkung an der Blase nachlässt. Das ist der Zeitpunkt für eine erneute Injektionsbehandlung.
Östrogene
Östrogene fördern die Durchblutung, Spannung und Reaktion der Muskeln um die Harnröhre (Schließmuskel) und verbessern hierdurch die Fähigkeit zur Kontrolle der Blasenentleerung. Sie können sowohl bei Vorliegen einer Reizblase als auch bei einem Urinverlust unter Belastung wirksam sein. Sie werden vor allem eingesetzt, wenn der natürliche Östrogenspiegel verringert ist, also nach der Menopause.