Periphere Arterielle Verschlusskrankheit ("Schaufensterkrankheit")

Die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), im Volksmund oft „Schaufensterkrankheit“ genannt, beruht auf einer krankhaften Einengung von Blutgefäßen (Schlagadern). Die Erkrankung entsteht meist auf dem Boden einer Atherosklerose (Gefäßverkalkung) und kann grundsätzlich alle Gefäße im Körper betreffen. Wenn die Beinarterien betroffen sind, führt dies in fortgeschrittenen Stadien zu Muskelschmerzen beim Gehen (z. B. in den Waden) oder sogar zu durch Sauerstoffmangel bedingte Ruheschmerzen ohne Belastung oder Gewebeuntergang mit/ohne Infektion (Nekrose/Gangrän). Die PAVK unterscheidet sich dabei nicht wesentlich von der Atherosklerose der Herzkranzgefäße und oft sind beide Organbereiche betroffen. Durch diesen Befall mehrerer Gefäßbereiche haben Patient:innen mit PAVK ein vielfach erhöhtes Risiko, an einem Herzinfarkt oder Schlaganfall zu versterben.

Insgesamt betrifft das Fünfjahresrisiko zu versterben oder eine Amputation zu erleiden, je nach Krankheitsstadium und Risikoprofil zwischen 9 und 88 (https://​score.​germanvasc.​de). Weltweit sind von dieser Krankheit etwa 237 Mio. Menschen betroffen und die PAVK gilt auch in Deutschland mittlerweile als Volkskrankheit. Zusätzlich erleiden etwa 50% der weltweit bereits mehr als 530 Millionen Diabetiker:innen im Laufe der Jahre durchblutungsbedingte Wundheilungsstörungen (diabetisches Fußsyndrom). Die moderne Gefäßchirurgie bietet von der konservativen Risikooptimierung und medikamentösen Therapie über minimalinvasive Katheter-gestützte Verfahren bis hin zu komplexen Bypässen und Ausschälplastiken alle Säulen der modernen Therapie einzeln oder kombiniert an.

Der erste Schritt: Die richtige Diagnostik

Krankheitstypische Beschwerden können meist bereits einen ersten Hinweis auf das Vorliegen einer PAVK liefern und sollten aufgrund der Häufigkeit dieser Volkskrankheit zu einer fachärztlichen Abklärung führen. Die evidenzbasierte Stufendiagnostik sollte problemorientiert erfolgen. An die gründliche körperliche Untersuchung und Erhebung des Pulsstatus an den Beinen schließt sich in der Regel die nicht-invasive Diagnostik an. Die Bestimmung des sogenannten Knöchel-Arm-Index (ggf. auch Zehen-Arm-Index) bzw. Dopplerverschlussdrucks kann das Vorliegen einer PAVK bereits gesichert werden. Dieses Verfahren wird heute auch regelhaft zur Qualitätssicherung der Behandlungsmaßnahmen an-gewandt. 


Zur weiteren Bestimmung des Ausmaßes der Verkalkung und des Schweregrades der Durchblutungsstörungen erfolgt die farbkodierte Duplexsonographie (Ultraschall) mit modernen Geräten. Alle Gefäße von der Bauchschlagader bis zu den Fußgefäßen lassen sich damit beurteilen.


Meist wird die nicht-invasive Diagnostik anschließend durch Verfahren der Schnittbildgebung, z.B. Computertomographie-Angiographie (CTA) oder Magnetresonanztomographie-Angiographie (MRA) ergänzt. Die Wahl des Verfahrens richtet sich nach zahlreichen Aspekten und sollte gemeinsam diskutiert werden. Die rasche Verfügbarkeit, gute Auflösung und Darstellung des Gefäßkalkes sind ein Grund dafür, dass häufig eine CTA durchgeführt wird. Die Strahlenbelastung und Gegenanzeigen gegen das meist jodhaltige Kontrastmittel (Nierenerkrankungen, Allergien) können die Anwendung unter Umständen einschränken. Auch bei der MRA ist das meist gadoliniumhaltige Kontrastmittel mit einem Risiko bei Nierenerkrankungen oder Allergien behaftet. Es ist zudem zeitaufwändiger (Platzangst, Rückenschmerzen bei langem Liegen). Nach Anfertigung der ergänzenden Schnittbildgebung kann sich die mögliche Therapiestrategie bereits herauskristallisieren. Moderne Leitlinien sprechen vom sogenannten Pfad zur Zielarterie (Target Arterial Pathway).


Auch heute stellt die invasive Katheter-gestützte digitale Subtraktionsangiographie (DSA) mit jodhaltigem Kontrastmittel oder Kohlenstoffdioxid noch das hochauflösende Bildgebungsverfahren bei komplexen Verschlüssen der unteren Extremitäten dar. Hiermit lassen sich auch kleinste Kollateralgefäße und mögliche anschlussfähige Zielgefäße bis zu den Füßen sicher identifizieren. Ein weiterer Vorteil ergibt sich daraus, dass über die einliegende Schleuse in der Schlagader nicht nur Kontrastmittel zur Diagnostik appliziert werden kann: Es kann auch direkt der Versuch einer invasiven Eröffnung der Engstellen bzw. Verschlüsse unternommen werden.

Ganz auf Sie abgestimmt: Unser Behandlungsangebot

Die Therapie der PAVK beruht grundsätzlich auf drei Säulen, die je nach Krankheitsstadium einzeln oder kombiniert eingesetzt werden: Ab der Erstdiagnose einer PAVK sollte die konservative Therapie konsequent durchgeführt werden, z. B. das strukturierte Gehtraining, das in fortgeschrittenen symptomatischen Stadien durch invasive durchblutungsverbessernde Verfahren ergänzt werden kann. Mit dem Begriff konservative Therapie beschreibt man heutzutage die Behandlung der beeinflussbaren Risikofaktoren durch Verabreichung von Arzneimitteln und andere Maßnahmen, die sich bei einer PAVK als effektiv erwiesen haben. Die Optimierung der Risikofaktoren kann dabei nicht nur die Entstehung, sondern auch die Weiterentwicklung bzw. die Prognose der PAVK verbessern und verlängert insgesamt das Überleben.

Bewegung "Gehtraining":

Basistherapie nach den S3-Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge der PAVK ist generell das strukturierte Gehtraining, insbesondere bei Vorliegen durchblutungsbedingter belastungsabhängiger Muskelschmerzen (Claudicatio intermittens, „Schaufensterkrankheit“). Auch nach einer Gefäßrekonstruktion wird zur weiteren Verbesserung der Durchblutung über Umgehungskreisläufe (Kollateralen) in der Regel ein strukturiertes Gehtraining empfohlen. Im Vergleich zu einer der beiden Optionen allein zeigt die Kombination aus einer operativen Therapie und Gehtraining bessere Ergebnisse auf die schmerzfreie Gehstrecke und die krankheitsbezogene Lebensqualität. Zusätzlich wird die Ausdauer gesteigert und die kardiovaskuläre Sterblichkeit sinkt durch regelmäßige körperliche Aktivität. Es gibt Hinweise darauf, dass ein Gehtraining die Entzündung im Körper beeinflusst und positiv auf die Gefäßfunktion sowie Kapillardurchblutung wirken kann. Durch eine Zunahme wichtiger Enzyme kann auch die Zusammensetzung der Muskulatur verändert werden.

Erfolgreich kann ein eigenständiges Training sein, noch besser eignet sich ein überwachtes Training, das durch von den Landessportverbänden ausgebildete Übungsleiter und Übungsleiterinnen angeboten wird.

Das PatientenForum e. V., Sektion AVK-Selbsthilfe-&-Rehasport tritt hier als Berater auf und kann jederzeit angesprochen werden (info@das-patientenforum.de).

Zur Durchblutungsverbesserung stehen heute Verfahren komplementär zur Verfügung, die bereits seit vielen Jahrzehnten eingesetzt werden. Bis heute gibt es keine vergleichende hochwertige Evidenzbasis für die eindeutige Überlegenheit eines der Verfahren, weshalb das komplexe Risikoprofil, technische Aspekte und die Verfügbarkeit in die Erwägungen einbezogen werden sollten. Im Idealfall können offen-chirurgische (z.B. Bypass) und endovaskulär-interventionelle Verfahren (z.B. Ballon, Gefäßstütze) miteinander kombiniert werden, was heutzutage in modernen Hybrid-OPs stattfindet.

Minimalinvasive Katheter-gestützte Verfahren:

Die ersten katheterbasierten Rekonstruktionen sind bereits in den 1960er Jahren durchgeführt worden. Aufgrund der raschen Produktinnovationen und Entwicklung neuer Medizinprodukte hat sich das Bild der minimalinvasiven PAVK-Therapie in den letzten 20 Jahren deutlich geändert.

Ist das Zielgefäß identifiziert worden, können verschiedene Zugangsgefäße für die Einbringung sogenannter Schleusen genutzt werden. Hierzu gehören beispielsweise die Leistengefäße, die Armgefäße aber auch weiter unten liegende Gefäße des Unterschenkels und der Füße.

Anschließend wird mit sogenannten Drähten und Kathetern unter Röntgendurchleuchtung versucht, die Engstellen oder Verschlüsse zu überwinden (oder umgehen). Mithilfe von Ballons, Gefäßstützen (Stents) oder anderen Verfahren kann anschließend der Blutfluss wiederhergestellt werden.

Bypassoperation:

Die Bypasschirurgie ist noch älter als die minimalinvasiven Verfahren. Hierbei wird der verschlossene Gefäßabschnitt ersetzt bzw. umgangen, wobei ein neues Gefäß eingenäht wird. Am besten dazu geeignet sind Ihre eigenen Venen („oberflächliche Blutadern“). Sofern keine geeigneten Venen zur Verfügung stehen, kann auf verschiedene Kunststoffmaterialien zurückgegriffen werden.

Kalkausschälung der Gefäße:

Besonders an Aufzweigungen von Gefäßen, z.B. im Bereich der Leistenschlagadern, empfiehlt sich die lokale Kalkausschälung (sog. „TEA“ oder „Thrombendarteriektomie“): Das Gefäß wird chirurgisch freigelegt, längs aufgeschnitten und der ursächliche Kalk wird ausgeschält. Anschließend wird das Gefäß es mit Hilfe eines eingenähten Flickens („Patch“) wieder verschlossen und dabei gleichzeitig aber auch erweitert (sog. Patchplastik). Auch hierbei sind die körpereigenen Venen, tierische Perikardmaterialien oder Kunststoff geeignet.

  • Oft macht es Sinn, eine offen-chirurgische Operation (z.B. Kalkausschälung) mit einem kathetergestützten Verfahren zu kombinieren (sog. „Hybrid-Operation“). So gelingt es sehr häufig, auch langstreckige Verschlüsse der Beckenarterien von einem kleinen Schnitt in der Leiste aus wieder zu eröffnen und so eine große Bauchoperation an der Hauptschlagader oder der Beckengefäße zu vermeiden.

In der Klinik für Allgemeine und Endovaskuläre Gefäßchirurgie stehen alle konventionellen und innovativen Verfahren komplementär sowie in der Kombination im Hybrid-OP zur Verfügung. Damit können wir von der kurzstreckigen Stentimplantation in den Beckengefäßen bis zu komplexesten femoro-pedalen Hybrideingriffen alle Möglichkeiten individuell und patientenorientiert anbieten!

Weiterhin gut versorgt: Ihre Weiterbehandlung / Nachsorge

Die Weiterbehandlung erfolgt in enger und regelmäßiger Abstimmung mit Ihren haus- und fachärztlichen Ärzt:innen der ambulanten Versorgung. In Abhängigkeit vom Krankheitsbild und der durchgeführten Behandlung, werden die erforderlichen Nachsorgetermine „maßgeschneidert“ geplant. Für den Fall von Komplikationen oder einer akuten Verschlechterung der Durchblutung im Bereich der unteren Extremität, steht Ihnen bei uns ein sehr erfahrenes Behandlungsteam an 24 Stunden und 365 Tagen zur Verfügung.

Periphere arterielle Verschlusskrankheit: Was steckt dahinter?

Was ist eine periphere arterielle Verschlusskrankheit? Wie macht Sie sich bemerkbar? Welche Risikofaktoren begünstigen die sogenannte "Schaufensterkrankheit" und wie lässt sie sich behandeln. Chefarzt PD Dr. med. Christian-Alexander Behrendt gibt Antworten. 

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