Barmbeker Ortho News 2024
CHEFARZT PROF. DR. MED. FRANK LAMPE
KLINIK FÜR ORTHOPÄDIE, TUMORORTHOPÄDIE UND ZENTRUM FÜR ENDOPROTHETIK
DER BESONDERE FALL
TUMORENDOPROTHETISCHE VERSORGUNG MIT
INDIVIDUELLEM BECKENTEILERSATZ
Im Dezember 2022 stellte sich ein damals 23-jähriger Patient aus der Ukraine erstmalig in unserer tumororthopädischen Sprechstunde vor. Bei ihm wurde 2018 in seiner Heimat ein Osteosarkom des linken Acetabulums reseziert und neo-/adjuvant chemotherapiert.
Der resektionsbedingte knöcherne Defekt am Becken wurde damals unter Verwendung von mit allogener Spongiosa gefüllten Trevira-Anbindungsschläuchen rekonstruiert, eine selbst entwickelte Technik des Operateurs in Kiew. Der Femurkopf wurde nativ belassen.
Der Patient war zwischenzeitlich ohne jede Gehhilfe, unter leichtem Hinken und weitgehend schmerzfrei mobil. Im Verlauf ist es jedoch zu einer Hüftkopfnekrose und einer überwiegenden Resorption der „Spongiosaplastik“ gekommen, so dass sich der Patient mit zunehmender
Mobilitätseinschränkung und Schmerzen bei uns vorstellte. Die ausgedehnte ossäre Defektsituation
im Bereich des linken Acetabulums ließ eine Versorgung mit einer konfektionierten Standard-Revisionsendoprothese nicht mehr zu, so dass wir anhand der CT-Bildgebung einen individuell angefertigten metallischen Beckenteilersatz in Auftrag gaben. Der nekrotische Femurkopf wurde reseziert und ein zementfreier Hüftendoprothesenschaft implantiert.
Der individuelle Beckenteilersatz wurde defektüberbrückend zementfrei am Beckenknochen fixiert und in das Implantat eine tripolare Großkopfpfannenkomponente einzementiert. Der postoperative Verlauf gestaltete sich unauffällig. Der Patient ist aktuell mit Vollbelastung und schmerzfrei unter noch leichtem residuellen Hinken mobil und insgesamt sehr zufrieden.
Qualitätsvertrag mit Krankenkassen
Die Asklepios Klinikum Barmbek hat gemeinsam mit weiteren Asklepios Kliniken einen Qualitätsvertrag im Bereich Endoprothetik mit mehreren Kostenträgern abgeschlossen. Neben den drei ursprünglichen Leistungsträgern Barmer, TK und DAK sind inzwischen weitere 22 Krankenkassen dem Vertrag beigetreten. Zur Erreichung der gehobenen Qualitätsziele wurde von den Kliniken ein umfassendes Programm entwickelt, welches über die übliche Versorgung hinausgeht.
Behandlung nach den Standards etablierter moderner Therapiepfade
Von der Indikationssprechstunde über die stationäre und nachstationäre Phase erfolgt die Behandlung nach den Gesichtspunkten bewährter moderner Behandlungsstrategien mit dem Ziel der best- und schnellstmöglichen Rehabilitation nach Gelenkersatzoperationen.
Messung der Ergebnisqualität
Die Ergebnisqualität wird anhand von Patientenbefragungen unter Verwendung etablierter klinischer Scores (HOOS und KOOS) sowie klinischer Testverfahren (Timed up and go Test, kurz TUG) und Messungen (Schmerzmessung durch Visual Analogue Scale, kurz VAS) überprüft.
Case-Management
Versicherte erhalten persönliche Case-Manager bzw. -managerinnen, die über den Zeitraum von circa einem Monat vor der Operation bis 12 Monate nach der Operation die Versicherten begleiten und die Erreichung der Qualitätsziele sicherstellen. Insbesondere adressieren die Case-Manager und -managerinnen auch chronische Erkrankungen (Hypertonus, Diabetes und Eisenmangelanämie) und koordinieren deren Optimierung in der präoperativen Phase.
Zusätzliche Physiotherapie
Patienten und Patientinnen erhalten zusätzliche Physiotherapie, welche bereits am OP-Tag beginnt und die frühestmögliche Mobilisation und Erreichung der Rehabilitationsziele sicherstellt.
Begleitung durch digitale Therapie-App
Versicherte erhalten bereits vor der Operation Zugang zu einem APP- gestützten Therapieplan, welcher von einem Online- Therapiezentrum bereitgestellt wird und die Prähabilitation unterstützt.
Das besondere Verfahren - minced cartilage (partikulierende Autologe Knorpeltransplantation)
Ca. 8 % aller Patientinnen und Patienten < 50 Jahre beklagen einen Knorpelschaden Grad 3-4. Ein Trauma oder chronische rezidivierende Einflüsse können Ursache sein. Fehlen Kontraindikationen (red flags), sollte bei Grad 3 symptomatischen fokalen Knorpelschäden nach der ICRS-Klassifikation, eine operative Therapie angestrebt werden.
Eine erfolgreiche und nebenwirkungsarme Methode ist die Minced Cartilage-Technik. Dabei erfolgt ein mechanischer Aufschluss durch Fragmentation der Chondrozyten aus dem Defektbereich oder dem gelenkangrenzeden Knorpel. Damit wird ein Stimulus zur Proliferation ausgelöst. Abschließend wird das Knorpeltransplantat mit einem autologen Gewebekleber aus Eigenblut (PRP) versiegelt.
Es entstehen differenzierte autologe Knorpelzellen. Das Verfahren bietet gegenüber anderen Techniken viele Vorteile. Es ist chirurgisch offen wie arthroskopisch leicht anzuwenden, da die Zellgewinnung unkompliziert ist, ohne relevante Entnahmemorbidität. Es ist ein einzeitiges Verfahren und kann damit auch bei Zufallsbefunden im Rahmen von komplexen Operationen angewendet werden.
Minced Cartilage eignet sich neben kleinen Defekten auch für Defekte von 1 – 3,5 cm². Nach der Minced Cartilage-Knorpeltransplantation ist eine spezielle Nachbehandlung – wie bei anderen Knorpelverfahren auch – mit ca. 6-8 wöchiger Teilbelastung und ggf. Funktionseinschränkung und Orthesenversorgung für ein gutes Ergebnis erforderlich.
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Ende 2023 gelang eine RE-Zertifizierung der Asklepios Klinik Barmbek durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) als Onkologisches Zentrum. Die AK Barmbek ist damit neben dem Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) das einzige, mehrere Organkrebszentren umfassende, zertifizierte Onkologische Zentrum in Hamburg. Die Sektion Tumororthopädie ist eingebettet in dieses Zentrum, so dass eine umfassend interdisziplinäre Betreuung der Patientinnen und Patienten mit muskuloskelettalen Tumoren auf höchstem Niveau erfolgt.
Dank der großen Nachfrage unserer Patientinnen und Patienten haben wir unsere OP-Kapazitäten zum Ende 2023 um 26% erweitert.
Die Asklepios Klinik Barmbek erhält die volle Weiterbildungsbefugnis für das Fach Orthopädie und Traumatologie!
Ein Jahr Orthopädie in der Asklepios Klinik Barmbek
Die Neugründung der Klinik für Orthopädie, Tumororthopädie und Zentrum für Endoprothetik im Sommer 2022 am neuen Standort in Barmbek war für uns alle eine Herausforderung, die wir Dank des fach- und berufsübergreifenden Engagements vieler hochmotivierter Akteure erfolgreich umgesetzt haben. Neben der Stationsgründung und der Etablierung von neuen OP- und Ambulanzstrukturen hat vor allem das interdisziplinäre Team menschlich und fachlich schnell zusammengefunden. In 2023 konnten wir unser breites orthopädisches Spektrum aus Endoprothetik, Tumororthopädie, Hüftchirurgie, Schulter- und Kniechirurgie sowie Fußchirurgie auf hohem Niveau anbieten. Besonders motiviert uns die gute und kollegiale Zusammenarbeit mit neuen wie alten Zuweiserinnen und Zuweisern, die wir auch in 2024 gern fortsetzen möchten. Wir freuen uns, dass unser neues Angebot in Hamburg von Patientinnen und Patienten sowie Zuweiserinnen und Zuweisern so gut angenommen wird und wollen unser Spektrum in den nächsten Jahren kontinuierlich erweitern.
Das besondere Implantat - modulares Pfannensystem mit möglichkeit der stabilen Iliumfixation
Hochgradige acetabuläre Defekte, insbesondere in Kombination mit Beckendiskontinuitäten, stellen eine besonders große Herausforderung dar.
In Fällen von Beckendiskontinuitäten mit rekonstruktionsfähigem hinterem Pfeiler kann eine Plattenosteosynthese in Kombination mit augmentierten Abstützschalen („Augment and Cage“) durchgeführt werden. Ist eine Rekonstruktion durch Osteosynthese nicht möglich oder sinnvoll, eignen sich zur Versorgung dieses Defekttyps modulare Pfannensysteme mit der Möglichkeit der stabilen Fixation am bzw. im Ilium. Die zementfreien, makrostrukturierten Komponenten besitzen hierbei die Möglichkeit zur Schraubfixation durch eine der Beckenschaufel anliegende, stabile Lasche. Zusätzlich kann ein modularer, zementfreier Zapfen in die Beckenschaufel eingebracht werden, um hier eine dauerhafte intramedulläre Fixation und Lastübertragung zu gewährleisten. Die Abbildungen zeigen einen Fall aus unserem eigenen Patientengut mit massiven,abriebbedingten periacetabulären Osteolysen, bei dem trotz defektbedingt schwieriger Voraussetzungen die erfolgreiche Versorgung durch den oben beschriebenen Implantattyp gelang.